Meine “Smultronställe”

Fast jeder hat eine, manche auch mehrere. Hast Du sie? Ich habe auch eine. – Und, was meine ich? Nun, das Wort “smultronställe” (sprich “Smültronnstelle”) kommt aus dem Schwedischen und bedeutet wortwörtlich “die Stelle (ställe), an der Walderdbeeren (smultron) wachsen.”

Meine Smultronställe ist natürlich die Wüste, obwohl es hunderte schöne Orte gibt, die mich auch reizen. Aber bisher gibt es keinen anderen Ort für mich, der mich vergleichbar stark in seinen Bann gezogen hat, wie die Wüste. Warum eigentlich?

„Als ich jung war…“

…so beginnt jeder Opa seine ollen Geschichten zu erzählen, aber tatsächlich ist das bei mir schon eine Weile her, als ich mit dem Fahrrad durch den Nahen Osten gegurkt bin. Mit 21 Jahren war diese Erfahrung das Wunderbarste und Prägendste, was ich bis dahin erlebt habe. Auf mich allein gestellt in einer fremden Kultur, umgeben von Menschen mit einer arg so fremden Sprache. Alles war irgendwie anders. Maximale Aktivierung der Synapsen könnte man sagen. Und dann die Erfahrung der Natur. Die Wüste: im Gegensatz unserer naiven europäischen Vorstellung kein leerer, lebloser und bedrohlicher Sandkasten, sondern ein Ort der Ruhe und des Abenteuers zugleich. Ein Ort, der auf vielfältigste Weise die Natur des Menschen anspricht. Man horcht in sich hinein und spürt sich als ein Teil des Ganzen. Ein Ort, an dem der Mensch zu sich selber (wieder) finden kann, den Alltag hinter sich läßt und ihn hinterfragt. Ein Ort an dem man unter dem klaren Sternenhimmel versuchen kann, seine eigene Existenz wenigstens etwas zu begreifen und sich als Teil des Ganzen, des Universums fühlt. Zu esoterisch? Vielleicht, aber irgendetwas scheint dieser Ort zu haben, denn die großen Weltreligionen sind in diesem Raum entstanden.

Ich muß jedoch hinzufügen, dass die Sandwüste nur ein kleinen Teil der Wüstenvielfalt darstellt (ca. 20% der Wüstenfläche weltweit) und in der Tat wird dieser Teil schnell langweilig, wenn auch nicht ganz so schlimm wie die Kieswüste. Aber mit schroffen Felsen, unterbrochen von Ebenen, eingesprengten Oasen als Blickfang oder auch nur Sträucher, die die Einseitigkeit abrupt aufbrechen, gar ganzen Gebirgen, die Farbenvielfalt, die mit dem Lauf der Sonne ständig andere Farben preisgibt u.v.a.m. machen diese Naturform zu einem bewegenden Erlebnis. Selbst für Nicht-Esoteriker (wie mich 😉 )

Damals, mit “zarten” 21 Jahren war der Nahe Osten und die Wüste auch aus praktischen Gründen naheliegend: während der Regenwald weit weg ist, liegen die Wüsten Nordafrikas und des Nahen Ostens quasie vor der Haustür. Und: ich wollte etwas erleben, fühlen, schmecken, riechen… Ich liebe es, intensiv zu reisen, mich hineinziehen zu lassen in neue Erfahrungen. – So viel zu meiner Affinität zu Wüsten…

Ausgerechnet Saudi-Arabien und dann noch im Ramadan!?

Ehrlich gesagt, ich wollte schon immer mal dort hin. Die Bilder, die man aus dem Internet kennt, die Landschaften und nicht zuletzt ein bis vor wenigen Jahren recht verschlossenes Land. Auch von Bahrain aus konnten wir damals nicht hin, obwohl es “um die Ecke” liegt. Deswegen Saudi-Arabien. Ob meine Erwartungen erfüllt werden? – Ein Reisebericht (mal wieder, aber die schreibe ich am liebsten)…

Das erwartet Euch:

-der Reisebericht

-Bildergallerie

Yallah!

Die Arbeit ist getan, das Auto gepackt, also geht es los nach Frankfurt. Diesmal mit einer Nacht im Hotel um ausgeschlafen loszufliegen. Statt sommerlichen Temperaturen kommen wir in den letzten großen Wintereinbruch des Frühjahrs. Schneegestöber, die Autos fahren nur noch 50 km/h auf der Autobahn, aber wir genießen das Winterwetter.

Dem Winter entfliehen

Wir warten auf den Flieger nach Jeddah, der Küstenmetropole am Roten Meer. Sie liegt in der Provinz Makkah, ist Handelszentrum, Tor nach Mekka für Millionen Pilger, Formel 1 Austragungsort, UNESCO-Welterbe. Erstaunlich viele Leute in Deutschland haben immer noch keine Ahnung, wo Saudi-Arabien liegt. Wenn doch, so blickt man in viele fragende Gesichter und wird mit negativen Schlagzeilen konfrontiert “Da war doch vor einer Woche dieser Beschuss durch die Huthi-Rebellen aus dem Jemen?!” (das war tatsächlich vor unserer Abreise). Und: “Sind da nicht immer so schreckliche Dinge in den Nachrichten? Und “da ist es doch so heiß!” und der Klassiker “Da ist doch nur Sand, was wollt Ihr denn da?” Ja, Sand gibt es eine ganze Menge, aber es gibt wesentlich mehr, sowohl landschaftlich, wie auch kulturell: im Norden grenzt es an die Levante und liegt im Einflussbereich des europäisch-orientalischen Austausch. Weihrauchstrasse, Gewürze, Hedschasbahn, Nabatäer, Osmanen, Zentrum des Islam,… es gibt unzählige historische Dinge, die entdeckt werden möchten. Auch die moderne Gesellschaft des größten Landes der Arabischen Halbinsel möchte jenseits des Journalismus entdeckt werden. Immerhin gibt es erst seit 2018 echte Touristenvisa und die Möglichkeit dieses lange Zeit abgeschottete Land zu bereisen. Und wegen der Temperaturen: wir wärmen uns schon mal vor, bei uns wird es ja auch immer heißer… 😉

Ohne Kommentar

Über eine Stunde Verspätung hat der Flieger der Saudia, der saudi-arabischen Fluglinie. Pilger, die die Umrah, die kleine Pilgerreise, machen, studieren die Schriften, Kinder kleben an den Fensterscheiben und beobachten die startenden Maschinen, während ihnen Sabber aus dem Mund läuft. Dann ist es endlich soweit. Der Service ist gut, die einzige Airline, bei der ich nicht nur online glutenfreies Essen anklicken kann, sondern auch tatsächlich bekomme!!! Die anderen hatten das nie geschafft. Als wir uns dem Ziel nähern, ziehen sich die Pilger um: die Männer legen die obligatorischen Ihram-Kleidung an, zwei Baumwolltücher, von denen das eine um die Hüfte gewickelt ist und vom Nabel bis zu den Knien reicht, und das zweite, dass die linke Schulter und einen Teil des Rückens bedeckt. Jetzt sind sie für jeden erkennbar und befinden sich im Weihezustand, der Ihram genannt wird. Weiter hinten in der Maschine gibt es im Mittelteil eine Nische für das Gebet. An alles wurde gedacht.

Das gilt auch für die Einreise. Die Formalitäten muten umständlich an, verläufen aber überraschend gut. Das Visum konnten wir zu Hause innerhalb von 5 Minuten online bekommen. Zusätzlich muss man sich eine Corona-App herunterladen, die verschiedene Angaben beinhaltet. Die wird zwar nicht bei der Einreise verlangt, muss aber in Shoppingmalls usw. vorgezeigt werden. Sämtliche Grenzbeamte waren Frauen, bis auf den Chef. Bewundernswert, wenn man bedenkt, dass Frauen bis vor wenigen Jahren das Arbeiten erschwert war! Der Kinderreisepass sogt für etwas Erstaunen, doch das Problem lässt sich schnell lösen. Auch die Fingerabdrücke bei Nico werden gemeistert, dann sind wir durch.

King Abdulaziz International Airport: Aquarium über zwei Etagen

Die nächste Herausforderung zeichnet sich in der Ankunfthalle ab. Es ist inzwischen 1 Uhr nachts und wir brauchen Bargeld, doch kein Automat akzeptiert EC-Karten. Zum Glück haben wir ja unsere Kreditkarten, sodaß wir nicht auf dem Trockenen sitzen. Es ist zwar Ramadan, aber in der Nacht ist essen erlaubt – übrigens auch auf Reisen. Als nächstes organisieren wir uns ein Taxi, das wir zu völlig überteuerten Preis nehmen. Um 4 Uhr ist uns das allerdings egal, zumal der private Taxifahrer nicht zu den bessergestellten gehören zu scheint und das Geld sicherlich braucht. Erschöpft lassen wir uns in das Hotelbett fallen und freuen uns, endlich da zu sein.

Hotel in Jeddah

Nach dem Ausschlafen müssen wir unseren Mietwagen abholen. Wir hatten uns gegen eine Abholung am Flughafen entschieden, weil wir dieses Mal keine Lust hatten, vollkommen durchgenudelt ein Auto im Dunklen nach Schäden abzusuchen, wobei wir so einiges über Mietwagen in Saudi-Arabien (kurz Saudi) gehört hatten. So mussten wir erst einmal ein Taxi organisieren, wobei uns das Hotel half. Da es Ramadan war, war natürlich weniger los am hellichten Tage und heutzutage werden hier Taxis über Portale wie Uber bestellt. Das war natürlich neu für uns. Es klappte schliesslich und wenig später konnten wir unseren Mietwagen in sehr gutem Zustand in Empfang nehmen.

Nach einer kurzen Eingewöhnung in Jeddah mit den ersten Fahrerfahrungen im Ramadan in dieser 4-5 Millionen-Stadt machten wir uns auf den Weg nach Norden. Wir fahren auf der Küstenautobahn nach Yanbu, einer bedeutenden Hafenstadt in der Provinz Medina. Links von uns das Rote Meer, rechts in einiger Entfernung die Höhenzüge des Hejaz (Hedschas). Die Strasse wird zeitweilig von der Bahnlinie des Haramain Hochgeschwindigkeitszuges flankiert, der Jeddah mit Mekka und Medina verbindet. Die Landschaft ist eintönig, viele Industrieanlagen. Nichts zeugt davon, das die Region Teil eines gewaltigen Systems ist: die Fortsetzung des Ostafrikanischen Grabens, der von Ostafrika bis in das Rote und dann Tote Meer zieht. Aufquellendes Magma in der Tiefe des Roten Meeres sorgt hier für ein Auseinanderdriften der Afrikanischen und Arabischen Platte. Aber davon ist nichts zu spüren. Im Hejaz liegen auch die beiden bedeutensten Stätten des Islams, Mekka und Medina. In Europa wird der Name Hedschas meist mit der Hedschasbahn assoziiert, die über 1300 km Damaskus mit Medina verband und Pilger transportieren sollte. Natürlich sollte sie auch den militärischen Nachschub der Osmanen sichern und wurde daher von T.E. Lawrence (besser bekannt als Lawrence von Arabien) erfolgreich im Ersten Weltkrieg attackiert. Von der einst aufregenden Geschichte zeugt entlang unserer Route ein verfallenes Osmanisches Fort. Leider ist es geschlossen und die Restaurationsarbeiten ruhen gerade.

Altes türkisches Fort am Roten Meer (Al Muwaileh Castle)

Unser grobes Ziel ist die Regio Tabuk, die eine wunderbare Naturlandschaft beherbergt, die die Fortsetzung des Wadi Rums in Jordanien darstellt. Mit 750-1000 Höhenmetern liegt sie höher und bekommt auch regelmäßig im Winter Schneefall ab. Die höchste Erhebung ist mit 2580 m der Jabal al Lawz. Dieser wird als tatsächlicher Ort des Berges Horeb bzw. gar des Berges Sinai gehandelt. Die Forschung ist sich da noch unschlüssig.

Insgesamt sind wir erst 900 km gefahren (nicht an einem Tag) und wir müssen noch etwas weiter nach Norden. Wir fahren Richtung Berge. Es ist bereits Nachmittag und unsere Erfahrung lehrt uns, dass wir noch im Hellen eine Stelle zum Zelten finden sollten. Zwischen den Hügeln finden wir sie, möglichst geschützt vor den Blicken Anderer.

Rastplatz

Die Aufgaben sind klassisch verteilt: Mama macht das Essen, Papa und Sohn (wenn der denn Zeit hat) bauen das Zelt auf. Aber ganz so geschmeidig klappt das dann doch nicht, denn mit Entsetzen stelle ich fest, dass wir gar keine Gaskartusche gekauft habe. Na gut, halb so schlimm. Trotzdem bleibt es bei der Aufteilung: Frau macht Essen, Mann baut “Höhle” und Kind, was macht doch gleich das Kind? Ach ja, der schmeißt gerade Steine vom Berg. Hoffentlich nicht auf das Auto…

Im letzten Sonnenschein machen wir es uns auf der Matratze gemütlich und verspeisen unser Abendessen. Da ist sie wieder, diese Stimmung der untergehenden Sonne, die trockene Luft, der Wüstenstaub, die ersten Sterne…

Nach einem Frühstück geht es weiter nach Norden. Wir wollen eigentlich zum Roten Meer, dessen Küste auf den letzten 100 km nach Norden hin steile Felsen zu bieten hat, die bis fast ans Meer reichen. Doch auf dem Weg wollen wir uns noch ein altes Flugzeug anschauen, dass seit über 60 Jahren am Strand des Roten Meeres liegt: ein Flugboot der Amerikaner, das zur Seeaufklärung einst genutzt wurde. 1960 machte sich ein schwerreicher Amerikaner mit einem Weltkriegsflugzeug auf, die Welt zu umrunden. An Bord war seine Frau und vier Kinder im Alter von acht bis 24 Jahren.

Catalina Seaplane Wreckage

Als sie von Luxor kommend den Strand und das glasklare Wasser sahen, entschieden sie sich kurzerhand zu landen und die Nacht zu verbringen – ohne vorherige Erlaubnis. Da das Gebiet direkt an Ägypten grenzt und zur damaligen Zeit nicht unerhebliche Spannungen zwischen Israel und seinen Nachbarn herrschte, war das sicherlich zusätzlich nicht besonders schlau gewesen. Am nächsten Morgen wurde das Flugzeug von den Arabischen Stämmen beschossen, die Invasoren vermuteten. Alle Personen blieben heile, nur die Maschiene nicht. Diese wurde förmlich zerlegt und liegt bis heute am flachen Strand, an dem ein starker Wind weht und die Hitze somit erträglich macht. Übrigens mit hervorragenden Toiletten: auf einem Hügel mit Klimaanlage mitten im Nichts. Ein indischer Arbeiter bewacht und reinigt ständig die “Brillen”.

Der Rest der Maschiene. Warum dieser Teil weiter weg ist, ist nicht beschrieben

Es geht weiter. Wir wollen heute noch zum Wadi Tayyib Ism. Es wird beschrieben als die Stelle, an der Moses mit seinem Volk auf der Flucht vor Pharao an Land ging, nachdem Gott das Wasser des Roten Meeres geteilt hatte. Es wird auch als Tal Moses bezeichnet, da er hier 10 Jahre im Exil, gelebt habe. Ansonsten soll es ein wunderschöner Ort sein, ein schmales Tal, das direkt am Meer liegt. Davor wunderbare Korallen mit Fischschwärmen. Doch dies bleibt uns verwehrt, da im Rahmes des NEOM-Projektes hier viel gebaut wird und das Wadi nur mit Genehmigung angefahren werden kann.

Also suchen wir nach Alternativen. Wir fahren nach Haql an der Grenze zu Jordanien, aber da das Städtchen auch ein Ort für einheimische Touristen ist, finden wir keine geeignete Unterkunft. Nach Corona und dem ganzen Stress der letzten Monate sind wir etwas geschlaucht, und immer dann, wenn wir mal ein richtiges Bett brauchen, suchen wir uns eine Unterkunft. Auch heute wäre das nett gewesen, aber was soll man machen? Wir entschliessen uns Richtung Tabuk zu fahren, der Hauptstadt des gleichnamigen Gouvernements im Nordosten des Königreichs. Bis dorthin sind es ca. 250 km, aber die wollen wir geniessen: Hier ist die Landschaft wüstenhaft, mit Felsen in dem Sandmeer. Es stellt die Fortsetzung der Landschaft des Wadi Rum in Jordanien dar, nur viel größer und vor allem: ohne Touristenmengen!

Das Auto im Hintergrund wirkt wie ein Punkt in dieser grandiosen Landschaft. – Durch die jüngsten Geschehnisse in Osteuropa werden auch die Kinder beeinflusst – auch im Urlaub.

Um einen geeigneten Schlafplatz zu finden müssen wir runter von der Strasse. Unser Wagen ist zwar ein sog. “SUV”, hat aber keinen Allradantrieb. Ein Fahrzeug mit 4×4 wäre gleich mal 1000 Euro teurer gewesen. Immerhin meistert er aber kleine Sandpassagen erstaunlich gut und die größeren Räder und die Bodenfreiheit helfen auch. Trotzdem fahren wir uns fast fest auf einer sandigen Piste. Glücklicherweise ist das ein Auto mit Vorderradantrieb, denn im Rückwärtsgang mit langsamen Drehbewegungen der Räder kann unter ständigem Lenken immer etwas Sand vor die Reifen geschaufelt werden, der dann nach einigen Momenten wie ein Widerstand wirkt. Es funktioniert. Das ganze passiert noch zwei, drei Mal, dann sind wir wieder auf der Strasse. Sand kann so tückisch sein, mal fest, dann weich… Wir finden eine Piste mit etwas gröberen Steinchen. Hinter einem riesigen Sandsteinfelsen haben wir eine geschützte Stelle gefunden und schlagen unser Zelt auf. Es ist wunderbar. Stille. Nur ab und zu mal in der Ferne ein Auto. Nach Sonnenuntergang wird es etwas mehr Verkehr, wenn auch nicht viel. Das Fasten wird gebrochen, die Menschen besuchen sich und verbringen in großer Runde die Nächte.

Es wird aufgetischt

Am nächsten Morgen werden wir durch Motorenlärm geweckt. Jugendliche mit ihren aufgemotzten Geländewagen jagen die Dünen hoch, die weiter entfernt sind, aber der Krach der Fehlzündungen und des Motorenlärms bei sehr hohen Umdrehungen bahnt sich unaufhaltsam seinen Weg durch das weite Tal. Die Nacht ist vorbei, während sie für die Jungs noch nicht angefangen hat, sie haben die ganze Nacht durchgenmacht. Wir packen unsere Sachen und fahren weiter. Wir wollen einen Ort zum Wandern in dieser wunderbaren Landschaft finden und fahren weiter Richtung Tabuk.

Im weichen Sand zu laufen kostet viel Kraft

Weiter geht es Richtung Südosten durch diese wunderbare Landschaft. Die letzten 70 km geht es entlang vieler Plantagen, die von riesigen Bewässerungsanlagen versorgt werden. Aus dem Flugzeug und auf Satellitenaufnahmen (googlemaps) sieht man viele grüne Kreise. Hier stehen riesige Bewässeringsanlagen, die immer im Kreis fahren und radial die Felder bewessern. Dann sind wir in Tabuk, der Provinzhauptstadt. Es gibt einiges zu sehen, aber wir brauchen ein Hotel. Duschen, waschen, schlafen, Vorräte auffüllen. In Tabuk gibt es alles was man braucht. Am Abend ist jedoch auch hier die Hölle auf den Strassen los, wenngleich auch etwas gesitteter als in Jeddah.

Osmanische Festung in Tabuk. Hier ist auch eine Station der Hejaz-Bahn.

Wir lasses es ruhig angehen. Leider haben wegen dem Ramadan einige Einrichtungen geschlossen. Andererseits sind wir etwas zu müde, um auf große Tour zu gehen. Also geniessen wir die lauen Abende und die Lebendigkeit.

Tabuk: Abendessen in der Abendsonne

Nachdem wir etwas aufgetankt haben, geht es weiter nach Süden in die Natur. Gute 260 km später haben wir das wunderschöne Wadi Disah erreicht, ein ganzjährig wasserführendes Flussbett. Gleich der Eingang des Wadis weist eine so große und tiefe Pfütze auf, dass wir mit unserem Wagen lieber nicht durchfahren wollen. Stattdessen stellen wir dass Auto ab und schlagen uns in die Büsche. Hier ist es üppig grün mit Palmen und Gräsern, einfach wunderschön. Rundherum riesige karge und schroffe rötliche Felsen, die das Tal umrahmen. Hier schlagen wir unser Zelt auf und machen anschliessend einen kleinen Spaziergang.

Wadi Disah

Die Nacht ist unvergesslich. Einerseits bellen die Hunde und scheinen sich über mehrere Kilometer miteinander zu unterhalten, dann kommen die Miezekatzen und irgendwann ist es still. Man hört nur die Insekten. Das Mondlicht fällt fahl auf das Zelt und die Palmen. Die Sterne blinzeln uns an.

Am nächsten Morgen machen wir eine kleine Wanderung. Links und rechts des wenig wasser führenden Flußbettes die üppige Vegetation, in der Mitte ein Rinnsal, in dem wir beim Laufen die Füße kühlen können. Der Sand ist weich, die Sonne schon sehr stark um diese Jahreszeit (Anfang April), jeder Schritt kostet Kraft.

Der Junge ist vorbereitet

Das hatten wir ehrlich gesagt nicht so erwartet, aber nach unserer durchgemachten Corona-Infektion sind wir noch nicht belastbar. Das macht aber auch nichts. Nur Nico hampelt uns etwas zu viel in der Sonne und verpulvert seine Energie. Es folgt eine strenge Ermahnung und Belehrung, immerhin ist der Wasserlverlust hoch und schlägt bei Kindern noch mehr zu Buche. Im Schatten einen Palmenhains entspannen wir. Es ist herrlich. Wir machen uns auf den Rückweg, vorbei an der anscheinend eigens geschaffenen Touristen- oder Naturpark-Polizei. Zwei jungsche Wächter schlafen bei laufender Klimaanalage in ihrem großen SUV. Insgesamt sind die Behörden um Sauberkeit bemüht. Da das Tal auch Ziel von Ausflüglern und Reiseunternehmen ist, könnte man Müll erwarten. Abgesehen davon, dass wir keinen anderen Touristen begegnen und das Tal für uns alleine zu haben scheinen, stehen überall Mülltonnen, die auch etwas gefüllt sind. Müll liegt so gut wie gar nicht herum. Das freut natürlich das Naturliebhaberherz!

Unser “Versteck”

Als wir uns am Nachmittag auf den Abend vorbereiten kommt dann doch noch die Streife vorbei. Zunächst hatten sie uns gar nicht gesehen, so gut hatten wir uns versteckt. Sie winken vom Auto. Ich gehe ans Fahrzeug heran und grüße mit “Salamualaikum”, was gut ankommt. Die Jungs sind jung und sprechen eigentlich gar kein Englisch. Mit meinen Brocken Arabisch verstehe ich, dass es verboten ist, an dieser Stelle zu campen. Sie sind sehr freundlich, aber durch die Sprachbarriere kommt es etwas schroff herüber. Ich verspreche, dass wir unser Zelt woanders aufstellen. Als sie gerade weiterfahren wollen, winkt mich der eine wieder heran. Er bedeutet mir, dass wir doch ausnahmsweise hier bleiben könnten bis morgen, aber dass wir niemanden sagen sollen, dass sie uns gesehen hätten oder es uns gar erlaubt hätten. Irgendwie bin ich gerührt.

Maximale Effizienz: “Pralles Leben” an jeder Pfütze

Wir entschliessen uns trotzdem zum Aufbruch. Wir wollen einerseits kein schlechtes Beispiel sein und anderseits die Jungs auch nicht in Schwierigkeiten bringen oder die Gastfreundschaft dieses Landes ausnutzen. Gastfreundschaft – dieses Wort hat hier noch seine ursprüngliche Bedeutung. In unseren Breiten ist es scheinbar nur noch eine Floskel oder wird gleichbedeutend verwendet bzw. mißbraucht, wenn man von Dienstleistungen oder dem Bezug von Leistungen (Geld) spricht. Respekt ist inclusive in diesem Wort, und das hat in Europa keinen besonders hohen Stellenwert mehr. Hier in der arabischen Kultur aber, wird bspw. der alte Mensch geachtet, bei uns nur als Kostenfaktor, “Mitesser”, Risiko zukünftiger Generationen angesehen. Bei allen Problemen in der arabischen Welt, kann man sich diesbezüglich ein fettes Scheibchen abschneiden.

Kraftakt: Zähneputzen

Wir fahren weiter Richtung Süden und schlagen unser Zelt auf einem Hochplateau auf. Hier ist es etwas frischer, aber trotz der Einöde schön. Die Strasse ist weit weg, die nächste Siedlung noch weiter. Nur einmal passiert in der Nähe ein Geländewagen. Die Männer lächeln, winken und fahren weiter. Nach dem Essen geht wieder das übliche Gezeter los. Man muss das Jungtier putzen, überall klebt Sand hinter den Ohren, in den Ohren, den Haaren, der Nase… Und dann noch das Zähneputzen. Irgendwann ist es aber geschafft und unser “Kamelbaby” liegt im Zelt und spielt noch etwas mit der Taschenlampe, während wir noch den Sternenhimmel geniessen.

Nacht auf einem Hochplateau zwischen Wadi Disah und Al-Ula

Nach einem kurzen Frühstück geht es weiter Richtung Al-Ula. Von hier aus wollen wir Madain Saleh besuchen, besser bekannt ist unter dem Namen Hegra. Ebenso wie Petra in Jordanien wurde es von den Nabatäern errichtet und diente als Handelsmetropole. Die Bauten sind zwar nicht ganz so spektakulär wie in Petra, aber auch hier gibt es eine Vielzahl von Bauten (über 100), die errichtet wurden. Noch nicht alle sind gefunden und nicht alle bekannten sind bereits ausreichend erforscht. Es ist faszinierend. Über 500 km ist die alte Nabatäerhauptstadt von hier eintfernt und in den Glanzzeiten ihres Imperiums eroberten die Nabatäer sogar Damaskus und die Sinaihalbinsel (zumindest Teile). Auch hier in Hegra sind die die in Stein gehauenen Häuser zu bestaunen. Interessant ist, dass hier auch die Thamud, ein arabisches Volk siedelte, die u.a. im Koran mehrfach als eines der Völker erwähnt wird, die nicht den Aufforderungen der Propheten hören wollten, ebenso wie das Volk Lots.

Ausblick auf Al-Ula von einem verlassenen Café oberhalb der Stadt

Bevor wir uns aber auf den Weg machen checken wir in einem sehr schönen Resort ein. Es liegt etwas außerhalb von Al-Ula zwischen den Felsen. Hier haben wir ein kleines Zimmer in einer Anlage, die nach altarabischen Stil gebaut wurde. Es ist wirklich wie eine Oase. Anders als in Petra kann man die Eintrittskarten nicht an einem Schalter vor Ort kaufen. Das merken wir, als wir an die Pforte kommen. Ein großer SUV versperrt den Weg, indem er Quer auf der Strasse geparkt ist. Die Jungs hier sprechen genauso gut Englisch wie ich Chinesisch, aber irgendwann kapiere auch ich es, dass man die Tickets nur online buchen kann. Es klappt. Wir haben um 7 Uhr einen Bus, der uns nach Hegra bringt und im weitläufgen Gelände die Besucher herumfährt.

Altstadt von Al-Ula

Zur gebuchten Nachmittagsbesichtigung sind wir etwas spät dran, ich habe mich etwas in der Uhrzeit geirrt. Wir eilen zum Busbahnhof, um festzustellen, dass der Bus gerade abgefahren ist und die Tickets verfallen… Ich könnte mir in den Arsch beissen! Umsonst der Stress (typisch europäisch könnte man denken: immer getacktet, nie entspannt und gelassen). Und überhaupt: Seit wann fahren Busse in arabischen Ländern pünktlich???? Ich beruhige mich wieder und wir haben einen wunderschönen Abend in der Altstadt von Al-Ula, die jedoch nur sehr eingeschränkt zugänglich ist.

Am nächsten Morgen stehen wir rechtzeitig am Bus, um festzustellen, dass wir die einzigen Fahrgäste sind. Wir kommen wieder zu dem Tor von gestern und werden Zeugen eines einmaligen Schauspiels: die Guards, die mit dem Geländewagen die Strasse versperren, sitzen zu dritt im Auto und daddeln an ihren Handys. Als der Bus vor ihnen steht, blickt der Fahrer auf und fährt drei Meter rückwärts, um anschliessend wieder drei Meter vorwärts zu fahren. Dann wird weiter gedaddelt. Machen die das den ganzen Tag so? Kriegt man da nicht Thrombose, Handydaumen und HWS-Beschwerden?

Hegra (Mada’in Saleh)

Wir jedenfalls haben Freude an unserer Entdeckungstour in Hegra. An verschiedenen Stationen verlassen wir den Bus, folgen vor Ort einem Guide und lassen uns über das informieren, was wir gezeigt bekommen. Auffällig ist auch hier, wie auch im ganzen Land der hohe Frauenanteil an der arbeitenden Bevölkerung. Inzwischen sieht man überall Frauen arbeiten und sie haben anscheinend Spaß daran. Die Guides sind gut informiert und professionell. Das ist echt top! Wir bekommen sogar Kaffee und Datteln angeboten – und das während des Ramadans! Das wäre vor wenigen Jahren sicherlich noch nicht möglich gewesen. Prinz Mohammed bin Salman versucht das Land zukunftsfähig zu machen und setzt auf Tourismus. Und was die touristischen Ziele angeht, hat das Land unglaublich viel zu bieten!

Hegra

“Gib Gas, ich will Spaß!”

verbringen eine weitere Nacht, nachdem wir einen kleinen Ausflug gemacht haben und ich mein Versprechen eingelöst habe, dass Nico in der Wüste Auto fahren darf. Natürlich nicht alleine, aber lenken darf er. “Gib Gas, ich will Spass!” ruft er, ein Spruch, den wir immer wieder von unserem lieben Freund Dr. Nico in Bahrain gehört haben…

Am nächsten Tag geht es wieder nach Jeddah zurück. Wir wollen etwas Zeit eisparen, weil wir uns noch mit den Freunden einer Freundin aus Bahrain treffen wollen. Ca. 750 km müssen wir heute bestreiten, durch den Hejaz, vorbei an Medina, einer der zwei heiligsten Städte des Islam und Exilort des Propheten Mohammed. Gegensatz zu Mekka dürfen inzwischen auch Nicht-Muslime die Stadt besuchen. Wir wollen das ein anderes Mal machen, da wir nur wenig Zeit haben und die Stadt riesig groß ist. Die Autobahn ist gut, der Verkehr verträglich, nur ab und zu wird in unübersichtlicher Weise der Verkehrsfluß abrupt abgebremst: Riesige Tonnen oder andere Sperrvorrichtungen engen den Verkehr ein, aufgestellt von der Polizei. Das ein oder andere Mal ist es schon etwas eng, wenn diese Dinge fast unerwartet auftauchen und man fast Slalom fährt.

Nicht selten: alte Trailer aus Europa. Einmal sahen wir einen von EDEKA

In den Bergen vor Medina bremst der Verkehr plötzlich ab. Ich vermute schon einen Unfall, aber es ist etwas anderes. Zunächst hatte ich mich schon gewundert über die Schilder, auf denen so komische Tiere mit Brille draufgemalt waren, jetzt verstehe ich es: Affen. Eine Horde Pavinane klettert über den Zaun und wird von den anhaltenden Schaulustigen gefüttert und fotografiert. Eigentlich hatte ich diese Tierchen viel südlicher, im der Region Taif oder der Asir-Region mit ihren hohen Bergen und der Terassenlandschaft mit Feldern erwartet. Tatsächlich ist die wachsende Population der Affen im Bereich der Strassen ein zunehmendes Problem für die Sicherheit, wie auch kürzlich die saudische Tageszeitung Arab News berichtete. Wir steigen natürlich nicht aus dem Auto und halten auch gar nicht an. Der heranbrausende Verkehr könnte uns ein ebenso rotes Hinterteil bescheren, wie diese Affen eins haben.

Souq, Alt-Jeddah

In Jeddah geniessen wir die letzten Tage vor dem Rückflug. An den Rhythmus des Lebens während des Ramadans und an die Hitze haben wir uns inzwischen etwas gewöhnt. Am letzten Abend führt uns das ältere Ehepaar, mit dem wir uns verabredet haben, durch die Altstadt von Jeddah. Beide haben noch andere Zeiten dieser riesigen Stadt erlebt. Er kennt noch die alten Ladenbesitzer, die inzwischen von Indern und Pakistanis abgelöst wurden. Die Altstadt ist sehr sauber und vielerorts wurden viele Häuser restauriert. Eindrucksvoll steht auf einen Platz ein stattliches Gebäude mit einem erhabenen grünen Baum davor: das Naseef House.

Alte Häuserfassade in der Altstadt von Jeddah

Hier soll Abdulaziz ibn Saud, der erste saudische König, anfangs residiert und Gäste empfangen haben. Unser Begleiter berichtet, dass das Haus so prächtig sei, dass eben dieser König einst mit dem Pferd bis in die dritte Etage hinaufsteigen konnte. Später entstand eine private Bibliothek mit mehr als 16.000 Büchern. Inzwischen gehören diese zur Sammlung der King Abdulaziz University in Jeddah.

Naseef House

Die beiden fahren uns zurück zu unserem Hotel. Diese Gegend kennen auch sie nicht, so groß ist Jeddah geworden. Anderenorts werden ganze Stadtteile abgerissen, wie wir auch von der Autobahn sehen können. Der massive Zuzug von Menschen aus verschiedenen Landesteilen hat zu einem teils chaotischen Wachstum der Stadt geführt. Trotzdem wird überall an allen Ecken wie wild gebaut.

Eine der ältesten Moscheen in Jeddah: Masjid Al Shaf’i

Am nächsten Morgen geht es früh los zum Flughafen. Wie sollen wir diesmal ein Taxi bekommen, immerhin haben wir gestern das Auto abgegeben. Die Strassen sind leegefegt, es ist noch Ramadan. Die einzige Möglichkeit ist per Uber. Wird das Taxi pünktlich sein? Es klappt ohne Probleme. Wir nehmen Abschied von der Stadt und von unserem Urlaub.

Tagsüber trostlos, nachts durch Reklame bunt: Eines der neu entstandenen Viertel.

Nach einem anstrengenden Flug erreichen wir endlich Frankfurt. Mein Magen ist so durcheinander, dass ich die gesamte Strecke im Liegen verbringe – Olga fährt, versteht sich. Es ist frisch in Deutschland, wir brauchen die warmen Jacken wieder. Der Schnee ist verschwunden, dafür empfängt uns die Sonne. Wie zum Abschied vom Urlaub zeigt sich heute der Mond in der Dämmerung von seiner schönsten Seite: übergroß steht er in der Dämmerung am Abendhimmel über dem Horizont – fast so wie in Arabien.

Apropos Mond: Schon gewußt? In südlicheren Ländern liegt der Halbmond z.T. auf dem “Rücken”, daher ist die Sichel auf den Moscheen ist oft so gedreht, dass der konvexe Teil unten ist und die beiden Spitzen nach oben zeigen. Wir sehen meist einen Mond, wo die Sichel zur Seite zeigt: auf der Nordhalbkugel sehen wir bei zunehmenden Mond die rechte Seite, auf der Südhalbkugel die linke. Nahe am Äquator sieht man bei Mondaufgang die obere und beim Untergang die untere Hälfte 😉

Hier gehts zu den Bilder: Saudi Arabien 2022

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