Neues Jahr, neue Unterhose – Endlich!

31.12.2022 – In Zeiten der explodierenden Energiekosten ist das Sparen die richtige Strategie. Nachdem uns gesagt wurde, dass wir nicht mehr so viel duschen sollen, könnte man schlußfolgern, dass man auch weniger waschen sollte. Heizungen sollen weniger heizen und wahrscheinlich werden unsere Kinder demnächst das Seepferdchen beim Eisbaden machen. Ach was heißt Eisbaden: bei den Temperaturen wird wahrscheinlich das Seepferdchen heimisch in unseren Gewässern…

Aber mal Spass beiseite. Was war das wieder für ein Jahr? In wenigen Stunden ist es vorbei und viele Menschen sagen sich sicherlich „endlich!“, in der Hoffnung, dass das neue Jahr besser wird. Auch uns geht es ein Stück weit so. Sehr viel Unruhe und Sorgen liegen hinter uns und einige werden sicherlich ins nächste Jahr folgen.  Sorgen, die viele andere Menschen in Deutschland und anderswo mit uns teilen: der Krieg in der Ukraine, die Kriegsgefahr im Kosovo, die Energiekrise, die Inflation, die Klimakrise, die Ausläufer der Corona-Pandemie… ach ja und die anderen Krisen der Welt, die es gar nicht erst in die Nachrichten oder Gazetten geschafft haben, weil sie “eh weit weg” sind.

Könnte auch ein Statement zum Jahr 2022 sein: Werbeplakat der Berliner Stadtreinigung (BSR)

Ich gehe in eine Filiale einer großen Drogeriekette, mir fehlen noch ein paar Kleinigkeiten. Die Menschen sind aufgekratzt, aber nicht negativ gestimmt. Silvesterraketen und Böller gibt es hier zwar nicht, aber allerlei anderer Kram, mit dem man so einen Abend ausschmücken kann. Die Leute kaufen wie verrückt, als ob es keinen Morgen gäbe. Ich stehe an der Kasse, hinter mir legt eine junge Frau drei XXL-Kondompackungen auf das Fließband. Jeder knallt eben auf seine Art und Weise, denke ich …

“Nüchtern nicht zu ertragen!”

Wir werden gar nichts dergleichen machen. Wir brauchen Ruhe, wir agieren mehr oder weniger nur auf Sparflamme (wir sparen quasie auch mental Energie). Nachdem  Nico erst vollmundig verkündet hatte, bis Mitternacht durchzuhalten, dreht er sich um halb zehn abends auf dem Sofa rum und beginnt zu schnarchen. Nur mit etwas Mühe bekommen wir ihn kurz vor Mitternacht wach, um uns anschliessend einen Vortrag anzuhören, in dem er erklärt, warum das ganze Geböllere und die Raketen blöd sind: es ist zu laut („die armen Vögel“), die Umwelt wird belastet, Müll liegt rum usw. Recht hat er. Hatte ich mit sechs Jahren auch solche Gedanken? Wahrscheinlich eher nicht. Ob er das Ganze nächstes Jahr genauso sieht?

Im Fernsehen verfolgen wir den Countdown. Irgendwann merke ich, dass es eine aufgezeichnete Sendung ist. Billiger geht’s nicht. Oder? Doch, es geht noch billiger: auf einem anderen großen öffentlichen Sender ist die Live-Show vor dem Brandenburger Tor zu sehen: mit Johannes B. Kerner und „Kiwi“ – wie immer. Die Sprüche abgedroschen, das Musikprogramm schmalbrüstig – finde ich jedenfalls. Und das Beste: im Anschluß werden die Highlights aus der Silvesternacht 2021 gezeigt! Bitte was? Also noch billiger geht’s nun wirklich nicht! Eine Berliner Zeitung titelt später: „Nüchtern nicht zu ertragen!“ Recht hat sie.

Wir unterwerfen Britannien!

Wir sitzen in einem Schnellrestaurant im Taunus. Nico hockt in der „Russenhocke“ auf seinem Stuhl und hat mit der Faust auf den Tisch gehauen. Er grinst breit über das Gesicht und freut sich über unsere Verdutztheit – und die der anderen Gäste. „Wir unterwerfen Britannien!“ hat er dabei gerufen, um ebenso entzückt mit einem „Römer! Man bringe mir eine Servicia!“ und “Diener!” hinterher zu schieben. Oh Mann, und ich dachte Asterix und Obelix sind harmlose Comics…. (Servicia ist irgendso ein römisches Gesöff)

“Wir unterwerfen Britannien!” – Darstellung eine Kriegers aus Playmobil

Diese Szene trug sich im Sommer zu, allerdings nicht im Urlaub. Bis Juli hatte ich in einer psychiatrischen Klinik gearbeitet (super-interessant!!!). Eine spannende Zeit. Aus verschiedenen Gründen hatte ich mich entschlossen, eine Weiterbildung in der Arbeitsmedizin zu beginnen (Arbeitszeiten als ein Argument von vielen). Zuvor wollte ich aber noch etwas „Knete“ verdienen. Daher hatte ich mich bei verschiendenen Online-Plattformen angemeldet, die Ärzte an Krankenhäusern vermitteln. Ein sehr lukratives Geschäft für Ärzte und Vermittler, das die Kliniken und Praxen teuer bezahlen müssen. Horrende Summen werden pro Stunde geboten. Es ist die Konsequenz der falschen Gesundheitspolitik und der Interaktion zwischen Politik, Krankenkassen, Ärztevertreter und Kliniken, die in der allseits bekannten Personalknappheit münden. Am falschen Ende gespart heißt wie immer draufzahlen. Warum soll ich davon nicht auch mal profitieren?

Klar, mit Familie kann man das nur einen begrenzten Zeitraum machen, da man eigentlich  nur am Wochenende zu Hause ist. Wir aber waren bereit, dieses Opfer versuchsweise zu erbringen.

Mein erster Einsatz führt mich nach Mittelhessen, nicht weit weg von Wetzlar. Dank gesperrter Autobahnbrücke und Baustellen verlängert sich meine Anreise und die an den Wochenende zu erduldende Pendelei, aber man erbringt ja gerne Opfer. Ich habe ja schon für weniger Geld die Schenkel gespreiztnur mental, versteht sich!

Ich hätte auch gerne die Bahn genommen und vor mich hingedöst oder gelesen, anstatt jetzt hier die kurvenreichen Strassen im Taunus zu erkunden, aber die Anbindung war einfach zu schlecht bzw. nicht vorhanden. Dafür lassen sich immer wieder schöne Ecken entdecken, bei dem Wetter ganz entzückend. Zwei Monate bin ich in der großen Praxis angestellt und lerne die Mentalität der Menschen in „Hesse“ kennen. 

An scheinbar jeder Ecke scheint es eine Burg zu geben, wie hier in Runkel

Insgesamt hat es mir hier sehr viel Spaß gemacht, wenn auch das Management wieder einmal enttäuschend ist: zunächst werden mir Verträge zu anderen Konditionen unter die Nase gehalten, die mir deutlich weniger Geld zugestanden hätten. Ich bleibe jedoch hart und unterbreite mein „Gegenangebot“: entweder ich bekomme das Geld zu den Konditionen, die ursprünglich verabredet waren, oder ich trete am gleichen Nachmittag noch die Heimreise an. Schliesslich geht alles sehr schnell und ich bekomme das, was mir zusteht. Geht doch…

Malerisch: die Lahn bei Wetzlar

Ich bin in wechselnden Ferienwohnungen untergebracht, die allesamt sehr gut sind. Die Familie besucht mich am Wochenende, oder ich fahre nach Hause. Wenn die beiden bei mir sind, erkunden wir die Gegend. So fahren wir mal nach Frankfurt, ein anderes Mal erkunden wir ein altes Bergwerk: Nahe Wetzlar befindet sich die sehenswerte Grube Fortuna, in der einst vor allem Eisenerz abgebaut wurde. Nach einer Fahrt mit dem “Fahrstuhl” geht es 150 m tief unter die Erde.

Hier wartet eine kleine Grubenbahn, auf die man sich wie auf einen Sattel setzt und sich wie an einem Lenker festhält. Der Kopf ist mit einem Helm geschützt, aber trotzdem muss man den Kopf einziehen, will man sich keine Beule holen.

Grube Fortuna bei Wetzlar

Die wilde Fahrt geht fast 500 m durch die Dunkelheit, dann ist man da. Ein junger Mann, der sich neben dem Studium etwas hinzuverdient führt sachkundig durch die naßkalten Gänge. In den Nieschen liegen dekorativ noch Spaten, Hämmer, Presslufthämmer, manche Leiter führt einen dunklen Schacht hinauf. Man kann sich leicht vorstelllen, wie schwer die Arbeit damals gewesen sein muss und auch später noch, bis die Grube 1983 vollends geschlossen wurde. Ich will gar nicht an die berufsbedingten Erkrankungen denken, die durch die Arbeitsbedingungen verursacht wurden…

Es kommt der letzte Tag, ein Abend in einem Restaurant folgt und ich trete den Heimweg an. Im Gepäck habe ich neue Kontakte, Menschen, die mir ans Herz gewachsen sind und viele schöne Momente.

Weitere EIndrücke aus Hessen:

Akademische „Wanderhure“

Nach zehn Tagen Pause ruft das Meer: es geht nach Borkum in eine Rehaklinik. Das klingt spannend. In den letzten Jahren war Bahrain die einzige Insel, die ich besucht habe. Jetzt wird es Zeit für zwei Monate an der Nordsee. Mit dem Hochsee-Reizklima erhoffe ich mir etwas Erleichterung für meine Bronchien und mein Asthma. Immerhin wirbt die Insel mit den Kur- und Rehaeinrichtungen für leidgeplagte Patienten, vor allem Atemwegs- und Hauterkrankungen.

Überfahrt nach Borkum

Wieder versuche ich die Anreise mit dem Zug. Am Morgen der Abreise zeigt mir die Bahn-App jedoch den Ausfall des Zuges an. Der nächste geht erst viel später und ich muss ja immerhin an den Anschluß mit der Fähre denken. Also machen Olga und Nico einen “Ausflug” und fahren mich nach Emden. Nach einem kleinen Spaziergang durch die Stadt geht es bei sonnigem Wetter zum Hafen. Bei der Ausfahrt aus dem langgestreckten Hafen passieren wir ein Abfertigungsareal, auf dem olivgrüne Fahrzeuge stehen. Die Fähre passiert in ausreichender Nähe, sodaß man mit Leichtigkeit sehen kann, dass dort vor allem Schützenpanzer aufgereiht sind, fertig zur Verladung. Wohin die wohl gehen? In die Ukraine?

Schweres Gerät

Ich merke mir den Namen des Schiffes und schaue auf einer Internetseite nach, auf der es ähnlich wie bei Flügen die Möglichkeit gibt, Informationen über die Schiffe zu erhalten. Hier läßt sich sehen, dass der Frachter Kurs auf Südamerika nehmen wird.

Der Wind, der mir schon am Hafen um die Nase wehte wird für die nächsten Wochen mein Begleiter sein. Jeden Schritt, den ich ausserhalb des Gebäudes tun werde, wird er mich verfolgen bzw. entgegenwehen.

Noch bevor wir die Insel erreichen, kann man schon aus weiter Entfernung einen Kasten sehen, der am Horizont wie ein Fremdkörper trohnt. Sind das die Aussenbezirke von Berlin mit Plattenbauten? Der scherzhafte Gedanke entpuppt sich als echter Plattenbau: ein Hotel, das den Charme von Berlin-Marzahn oder Gropiusstadt in Berlin-Neukölln hat. Grau und häßlich empfängt er den Besucher schon von Weitem. Auch für Menschen ohne jegliches Gefühl für Ästhetik würden bei dem Anblick erschrecken.

Blick auf das weite Meer

Im Hafen, direkt neben der Anlegestelle steht die Inselbahn. Die Diesel-Schmalspurbahn bringt mich und die anderen Gäste in das Orts- und Inselzentrum. Es erinnert mich an eine Modelleisenbahn-Szenerie, die hier groß geworden ist. Alles sieht etwas niedlich und künstlich aus, hat aber auch seinen Charme.

Erst mal Mattjes in einer Strandbude

Die Klinik ist eine von vielen. Besser gesagt: eine von sehr vielen, die hier direkt an der Uferpromenade stehen. 100m weiter ist der Strand, das Meer ist gerade wegen der Ebbe gerade weiter weg. Nach überstandenem Corona-Schnelltest bekomme ich eine Schlüssel für ein Zimmer in der Klinik. Leider ist es nur leidlich sauber, aber schon nach wenigen Tagen kann ich in ein Haus nebenan einziehen. Die anfängliche Freude über eine eigene Ferienwohnung weicht schnell dem Schrecken: Auf dem Fußboden im Teppich finde ich eine Schraube, der Wasserkocher in der Küche fällt mir auseinander, im Bad finde ich die benutzten Handtücher der Vorbewohnerin samt Resten von Make-up, eine Kontaktlinse lächelt mich im Waschbecken an, in Wohn- und Schlafzimmer dicke Staubschichten auf den Schränken, nebst einem zerbrochenen Spiegel… wunderbar! Das hätte ich mir wirklich nicht träumen lassen….

Abendspaziergang

Die Kollegen kennen das schon und ertragen es mehr oder weniger. Auch in der Klinik ist es schmutzig, Patienten klagen über nicht gereinigte Zimmer und Schimmelbefall. Also genau das Gegenteil dessen, was ein an Atemwegserkrankungen und Hauterkrankungen leidender Patient so alles braucht. Das Management interessiert sich nicht dafür, eine Email meinerseits wird nur schnippisch kommentiert, aber mir soll das egal sein. Ich kann ja wieder verschwinden.

Atemberaubende Landschaften

Vom positiven Effekt des so angepriesenen Klimas habe ich in den ersten Wochen keine Freude: ich habe erst einmal mit einer Verschlechterung meines Asthmas zu kämpfen und inhaliere und mediziniere mich selber. Nach drei Wochen bessert sich die Symptomatik und ich kann endlich erleichtert an die Arbeit gehen.

Viele Patienten berichten über eine vorübergehende Verschlechterung der Symptome und tatsächlich bedeutet der Aufenthalt in diesem Reizklima nicht „Urlaub von den Symptomen“, sondern zielt u.a. auf eine Aktivierung und Harmonisierung des Immunsystems ab, von der die Patienten auch nach dem Aufenthalt für mehrere Monate profitieren.

Fast so schön wie in der Wüste… 😉

Auch hier lerne ich wieder den ein oder anderen interessanten Menschen kennen, aber insgesamt gestaltet sich der Aufenthalt eher schwierig. Der Mitarbeitermangel ist so eklatant, dass Überstunden geschoben werden müssen.

Weitere Bilder von Borkum:

Geordneter Rückzug

Auch zu Hause spitzt sich die Situation zu: nachdem Nico eingeschult wurde verliefen die ersten Wochen eigentlich ganz normal. Nach und nach zeigte jedoch ein Mitschüler aggressive Verhaltensauffälligkeiten. Das Ganze gipfelte dann darin, dass der Junge u.a. Nico nicht nur trat, sondern auch würgte, sodaß Nico Sternchen sah. Bewußtlos war er zwar nicht, aber in der ersten Klasse (!) wiegen diese Verhaltensweise besonders schwer.

Nico hatte Angst vor dem Jungen, andere Kinder weinten den ganzen Abend und wollten gar nicht mehr in die Schule gehen und nachts wieder einnässten.

Ich entschied mich daher, meine Tätigkeit auf der Insel vorzeitig zu beenden und nach Hause zurückzukehren. Geld ist eben nicht alles. Eine gute Entscheidung. So konnte ich mich um Nico kümmern und die Gespräche mit der Direktorin und den anderen Eltern mittragen. Inzwischen ist der auffällige Junge in einer anderen Klasse, Jugendamt und andere assistierende Stellen sind ebenfalls involviert. Ich kann nur hoffen, dass dem Jungen die nötige Unterstützung zukommt, die er braucht…

Man wird nicht älter, nur „weniger jung“

In der Zwischenzeit hatte ich mich natürlich auch um einen neuen Job gekümmert, sodaß ich Mitte November eine Stelle in der Arbeitsmedizin antreten konnte (dem Ärztemangel sei Dank!).

Fünf (5!) Arbeitgeber habe ich dieses Jahr „ganz klassisch befriedigen“ dürfen, auch wenn das mehr oder weniger geplant war. Inzwischen (Januar 2023) bin ich fast 2 Monate dabei und ich habe erst einmal nicht die Absicht, wieder die Stelle zu wechseln. Es ist Zeit, sich in etwas ruhigeres Fahrwasser zu begeben mit geregelten Arbeitszeiten und die Möglichkeit, Nico bei den Hausaufgaben zu unterstützen, zusammen Zeit zu verbringen, oder auch vielleicht so etwas wie Hobbys zu haben…?

In ein paar Jahren würde ich dann aber doch gerne wieder einen Tapetenwechsel haben wollen… vielleicht. Immerhin werde ich ja „weniger jung“ , wie ich immer sage…

Auch ein Statement für das vergangene Jahr?

Saudi-Arabien 2022 – Bilder

  1. Jeddah
Jeddah Corniche

2 Nach Norden

3 Wadi Disah

4 Al-‘Ula

5 Hegra (Mada’in Saleh)

Videos

Region Tabuk

Nach einer Übernachtung am frühen Morgen
Endlose Weiten…
Anfahrt zum Wadi Disah. Die Strasse endet abrupt.
Wunderbare Wanderung in einer fantastischen Landschaft!!!
Hegra – Petras Schwester
Jeddah im Ramadan: tagsüber leere Strassen, nachts voll

Meine “Smultronställe”

Fast jeder hat eine, manche auch mehrere. Hast Du sie? Ich habe auch eine. – Und, was meine ich? Nun, das Wort “smultronställe” (sprich “Smültronnstelle”) kommt aus dem Schwedischen und bedeutet wortwörtlich “die Stelle (ställe), an der Walderdbeeren (smultron) wachsen.”

Meine Smultronställe ist natürlich die Wüste, obwohl es hunderte schöne Orte gibt, die mich auch reizen. Aber bisher gibt es keinen anderen Ort für mich, der mich vergleichbar stark in seinen Bann gezogen hat, wie die Wüste. Warum eigentlich?

„Als ich jung war…“

…so beginnt jeder Opa seine ollen Geschichten zu erzählen, aber tatsächlich ist das bei mir schon eine Weile her, als ich mit dem Fahrrad durch den Nahen Osten gegurkt bin. Mit 21 Jahren war diese Erfahrung das Wunderbarste und Prägendste, was ich bis dahin erlebt habe. Auf mich allein gestellt in einer fremden Kultur, umgeben von Menschen mit einer arg so fremden Sprache. Alles war irgendwie anders. Maximale Aktivierung der Synapsen könnte man sagen. Und dann die Erfahrung der Natur. Die Wüste: im Gegensatz unserer naiven europäischen Vorstellung kein leerer, lebloser und bedrohlicher Sandkasten, sondern ein Ort der Ruhe und des Abenteuers zugleich. Ein Ort, der auf vielfältigste Weise die Natur des Menschen anspricht. Man horcht in sich hinein und spürt sich als ein Teil des Ganzen. Ein Ort, an dem der Mensch zu sich selber (wieder) finden kann, den Alltag hinter sich läßt und ihn hinterfragt. Ein Ort an dem man unter dem klaren Sternenhimmel versuchen kann, seine eigene Existenz wenigstens etwas zu begreifen und sich als Teil des Ganzen, des Universums fühlt. Zu esoterisch? Vielleicht, aber irgendetwas scheint dieser Ort zu haben, denn die großen Weltreligionen sind in diesem Raum entstanden.

Ich muß jedoch hinzufügen, dass die Sandwüste nur ein kleinen Teil der Wüstenvielfalt darstellt (ca. 20% der Wüstenfläche weltweit) und in der Tat wird dieser Teil schnell langweilig, wenn auch nicht ganz so schlimm wie die Kieswüste. Aber mit schroffen Felsen, unterbrochen von Ebenen, eingesprengten Oasen als Blickfang oder auch nur Sträucher, die die Einseitigkeit abrupt aufbrechen, gar ganzen Gebirgen, die Farbenvielfalt, die mit dem Lauf der Sonne ständig andere Farben preisgibt u.v.a.m. machen diese Naturform zu einem bewegenden Erlebnis. Selbst für Nicht-Esoteriker (wie mich 😉 )

Damals, mit “zarten” 21 Jahren war der Nahe Osten und die Wüste auch aus praktischen Gründen naheliegend: während der Regenwald weit weg ist, liegen die Wüsten Nordafrikas und des Nahen Ostens quasie vor der Haustür. Und: ich wollte etwas erleben, fühlen, schmecken, riechen… Ich liebe es, intensiv zu reisen, mich hineinziehen zu lassen in neue Erfahrungen. – So viel zu meiner Affinität zu Wüsten…

Ausgerechnet Saudi-Arabien und dann noch im Ramadan!?

Ehrlich gesagt, ich wollte schon immer mal dort hin. Die Bilder, die man aus dem Internet kennt, die Landschaften und nicht zuletzt ein bis vor wenigen Jahren recht verschlossenes Land. Auch von Bahrain aus konnten wir damals nicht hin, obwohl es “um die Ecke” liegt. Deswegen Saudi-Arabien. Ob meine Erwartungen erfüllt werden? – Ein Reisebericht (mal wieder, aber die schreibe ich am liebsten)…

Das erwartet Euch:

-der Reisebericht

-Bildergallerie

Yallah!

Die Arbeit ist getan, das Auto gepackt, also geht es los nach Frankfurt. Diesmal mit einer Nacht im Hotel um ausgeschlafen loszufliegen. Statt sommerlichen Temperaturen kommen wir in den letzten großen Wintereinbruch des Frühjahrs. Schneegestöber, die Autos fahren nur noch 50 km/h auf der Autobahn, aber wir genießen das Winterwetter.

Dem Winter entfliehen

Wir warten auf den Flieger nach Jeddah, der Küstenmetropole am Roten Meer. Sie liegt in der Provinz Makkah, ist Handelszentrum, Tor nach Mekka für Millionen Pilger, Formel 1 Austragungsort, UNESCO-Welterbe. Erstaunlich viele Leute in Deutschland haben immer noch keine Ahnung, wo Saudi-Arabien liegt. Wenn doch, so blickt man in viele fragende Gesichter und wird mit negativen Schlagzeilen konfrontiert “Da war doch vor einer Woche dieser Beschuss durch die Huthi-Rebellen aus dem Jemen?!” (das war tatsächlich vor unserer Abreise). Und: “Sind da nicht immer so schreckliche Dinge in den Nachrichten? Und “da ist es doch so heiß!” und der Klassiker “Da ist doch nur Sand, was wollt Ihr denn da?” Ja, Sand gibt es eine ganze Menge, aber es gibt wesentlich mehr, sowohl landschaftlich, wie auch kulturell: im Norden grenzt es an die Levante und liegt im Einflussbereich des europäisch-orientalischen Austausch. Weihrauchstrasse, Gewürze, Hedschasbahn, Nabatäer, Osmanen, Zentrum des Islam,… es gibt unzählige historische Dinge, die entdeckt werden möchten. Auch die moderne Gesellschaft des größten Landes der Arabischen Halbinsel möchte jenseits des Journalismus entdeckt werden. Immerhin gibt es erst seit 2018 echte Touristenvisa und die Möglichkeit dieses lange Zeit abgeschottete Land zu bereisen. Und wegen der Temperaturen: wir wärmen uns schon mal vor, bei uns wird es ja auch immer heißer… 😉

Ohne Kommentar

Über eine Stunde Verspätung hat der Flieger der Saudia, der saudi-arabischen Fluglinie. Pilger, die die Umrah, die kleine Pilgerreise, machen, studieren die Schriften, Kinder kleben an den Fensterscheiben und beobachten die startenden Maschinen, während ihnen Sabber aus dem Mund läuft. Dann ist es endlich soweit. Der Service ist gut, die einzige Airline, bei der ich nicht nur online glutenfreies Essen anklicken kann, sondern auch tatsächlich bekomme!!! Die anderen hatten das nie geschafft. Als wir uns dem Ziel nähern, ziehen sich die Pilger um: die Männer legen die obligatorischen Ihram-Kleidung an, zwei Baumwolltücher, von denen das eine um die Hüfte gewickelt ist und vom Nabel bis zu den Knien reicht, und das zweite, dass die linke Schulter und einen Teil des Rückens bedeckt. Jetzt sind sie für jeden erkennbar und befinden sich im Weihezustand, der Ihram genannt wird. Weiter hinten in der Maschine gibt es im Mittelteil eine Nische für das Gebet. An alles wurde gedacht.

Das gilt auch für die Einreise. Die Formalitäten muten umständlich an, verläufen aber überraschend gut. Das Visum konnten wir zu Hause innerhalb von 5 Minuten online bekommen. Zusätzlich muss man sich eine Corona-App herunterladen, die verschiedene Angaben beinhaltet. Die wird zwar nicht bei der Einreise verlangt, muss aber in Shoppingmalls usw. vorgezeigt werden. Sämtliche Grenzbeamte waren Frauen, bis auf den Chef. Bewundernswert, wenn man bedenkt, dass Frauen bis vor wenigen Jahren das Arbeiten erschwert war! Der Kinderreisepass sogt für etwas Erstaunen, doch das Problem lässt sich schnell lösen. Auch die Fingerabdrücke bei Nico werden gemeistert, dann sind wir durch.

King Abdulaziz International Airport: Aquarium über zwei Etagen

Die nächste Herausforderung zeichnet sich in der Ankunfthalle ab. Es ist inzwischen 1 Uhr nachts und wir brauchen Bargeld, doch kein Automat akzeptiert EC-Karten. Zum Glück haben wir ja unsere Kreditkarten, sodaß wir nicht auf dem Trockenen sitzen. Es ist zwar Ramadan, aber in der Nacht ist essen erlaubt – übrigens auch auf Reisen. Als nächstes organisieren wir uns ein Taxi, das wir zu völlig überteuerten Preis nehmen. Um 4 Uhr ist uns das allerdings egal, zumal der private Taxifahrer nicht zu den bessergestellten gehören zu scheint und das Geld sicherlich braucht. Erschöpft lassen wir uns in das Hotelbett fallen und freuen uns, endlich da zu sein.

Hotel in Jeddah

Nach dem Ausschlafen müssen wir unseren Mietwagen abholen. Wir hatten uns gegen eine Abholung am Flughafen entschieden, weil wir dieses Mal keine Lust hatten, vollkommen durchgenudelt ein Auto im Dunklen nach Schäden abzusuchen, wobei wir so einiges über Mietwagen in Saudi-Arabien (kurz Saudi) gehört hatten. So mussten wir erst einmal ein Taxi organisieren, wobei uns das Hotel half. Da es Ramadan war, war natürlich weniger los am hellichten Tage und heutzutage werden hier Taxis über Portale wie Uber bestellt. Das war natürlich neu für uns. Es klappte schliesslich und wenig später konnten wir unseren Mietwagen in sehr gutem Zustand in Empfang nehmen.

Nach einer kurzen Eingewöhnung in Jeddah mit den ersten Fahrerfahrungen im Ramadan in dieser 4-5 Millionen-Stadt machten wir uns auf den Weg nach Norden. Wir fahren auf der Küstenautobahn nach Yanbu, einer bedeutenden Hafenstadt in der Provinz Medina. Links von uns das Rote Meer, rechts in einiger Entfernung die Höhenzüge des Hejaz (Hedschas). Die Strasse wird zeitweilig von der Bahnlinie des Haramain Hochgeschwindigkeitszuges flankiert, der Jeddah mit Mekka und Medina verbindet. Die Landschaft ist eintönig, viele Industrieanlagen. Nichts zeugt davon, das die Region Teil eines gewaltigen Systems ist: die Fortsetzung des Ostafrikanischen Grabens, der von Ostafrika bis in das Rote und dann Tote Meer zieht. Aufquellendes Magma in der Tiefe des Roten Meeres sorgt hier für ein Auseinanderdriften der Afrikanischen und Arabischen Platte. Aber davon ist nichts zu spüren. Im Hejaz liegen auch die beiden bedeutensten Stätten des Islams, Mekka und Medina. In Europa wird der Name Hedschas meist mit der Hedschasbahn assoziiert, die über 1300 km Damaskus mit Medina verband und Pilger transportieren sollte. Natürlich sollte sie auch den militärischen Nachschub der Osmanen sichern und wurde daher von T.E. Lawrence (besser bekannt als Lawrence von Arabien) erfolgreich im Ersten Weltkrieg attackiert. Von der einst aufregenden Geschichte zeugt entlang unserer Route ein verfallenes Osmanisches Fort. Leider ist es geschlossen und die Restaurationsarbeiten ruhen gerade.

Altes türkisches Fort am Roten Meer (Al Muwaileh Castle)

Unser grobes Ziel ist die Regio Tabuk, die eine wunderbare Naturlandschaft beherbergt, die die Fortsetzung des Wadi Rums in Jordanien darstellt. Mit 750-1000 Höhenmetern liegt sie höher und bekommt auch regelmäßig im Winter Schneefall ab. Die höchste Erhebung ist mit 2580 m der Jabal al Lawz. Dieser wird als tatsächlicher Ort des Berges Horeb bzw. gar des Berges Sinai gehandelt. Die Forschung ist sich da noch unschlüssig.

Insgesamt sind wir erst 900 km gefahren (nicht an einem Tag) und wir müssen noch etwas weiter nach Norden. Wir fahren Richtung Berge. Es ist bereits Nachmittag und unsere Erfahrung lehrt uns, dass wir noch im Hellen eine Stelle zum Zelten finden sollten. Zwischen den Hügeln finden wir sie, möglichst geschützt vor den Blicken Anderer.

Rastplatz

Die Aufgaben sind klassisch verteilt: Mama macht das Essen, Papa und Sohn (wenn der denn Zeit hat) bauen das Zelt auf. Aber ganz so geschmeidig klappt das dann doch nicht, denn mit Entsetzen stelle ich fest, dass wir gar keine Gaskartusche gekauft habe. Na gut, halb so schlimm. Trotzdem bleibt es bei der Aufteilung: Frau macht Essen, Mann baut “Höhle” und Kind, was macht doch gleich das Kind? Ach ja, der schmeißt gerade Steine vom Berg. Hoffentlich nicht auf das Auto…

Im letzten Sonnenschein machen wir es uns auf der Matratze gemütlich und verspeisen unser Abendessen. Da ist sie wieder, diese Stimmung der untergehenden Sonne, die trockene Luft, der Wüstenstaub, die ersten Sterne…

Nach einem Frühstück geht es weiter nach Norden. Wir wollen eigentlich zum Roten Meer, dessen Küste auf den letzten 100 km nach Norden hin steile Felsen zu bieten hat, die bis fast ans Meer reichen. Doch auf dem Weg wollen wir uns noch ein altes Flugzeug anschauen, dass seit über 60 Jahren am Strand des Roten Meeres liegt: ein Flugboot der Amerikaner, das zur Seeaufklärung einst genutzt wurde. 1960 machte sich ein schwerreicher Amerikaner mit einem Weltkriegsflugzeug auf, die Welt zu umrunden. An Bord war seine Frau und vier Kinder im Alter von acht bis 24 Jahren.

Catalina Seaplane Wreckage

Als sie von Luxor kommend den Strand und das glasklare Wasser sahen, entschieden sie sich kurzerhand zu landen und die Nacht zu verbringen – ohne vorherige Erlaubnis. Da das Gebiet direkt an Ägypten grenzt und zur damaligen Zeit nicht unerhebliche Spannungen zwischen Israel und seinen Nachbarn herrschte, war das sicherlich zusätzlich nicht besonders schlau gewesen. Am nächsten Morgen wurde das Flugzeug von den Arabischen Stämmen beschossen, die Invasoren vermuteten. Alle Personen blieben heile, nur die Maschiene nicht. Diese wurde förmlich zerlegt und liegt bis heute am flachen Strand, an dem ein starker Wind weht und die Hitze somit erträglich macht. Übrigens mit hervorragenden Toiletten: auf einem Hügel mit Klimaanlage mitten im Nichts. Ein indischer Arbeiter bewacht und reinigt ständig die “Brillen”.

Der Rest der Maschiene. Warum dieser Teil weiter weg ist, ist nicht beschrieben

Es geht weiter. Wir wollen heute noch zum Wadi Tayyib Ism. Es wird beschrieben als die Stelle, an der Moses mit seinem Volk auf der Flucht vor Pharao an Land ging, nachdem Gott das Wasser des Roten Meeres geteilt hatte. Es wird auch als Tal Moses bezeichnet, da er hier 10 Jahre im Exil, gelebt habe. Ansonsten soll es ein wunderschöner Ort sein, ein schmales Tal, das direkt am Meer liegt. Davor wunderbare Korallen mit Fischschwärmen. Doch dies bleibt uns verwehrt, da im Rahmes des NEOM-Projektes hier viel gebaut wird und das Wadi nur mit Genehmigung angefahren werden kann.

Also suchen wir nach Alternativen. Wir fahren nach Haql an der Grenze zu Jordanien, aber da das Städtchen auch ein Ort für einheimische Touristen ist, finden wir keine geeignete Unterkunft. Nach Corona und dem ganzen Stress der letzten Monate sind wir etwas geschlaucht, und immer dann, wenn wir mal ein richtiges Bett brauchen, suchen wir uns eine Unterkunft. Auch heute wäre das nett gewesen, aber was soll man machen? Wir entschliessen uns Richtung Tabuk zu fahren, der Hauptstadt des gleichnamigen Gouvernements im Nordosten des Königreichs. Bis dorthin sind es ca. 250 km, aber die wollen wir geniessen: Hier ist die Landschaft wüstenhaft, mit Felsen in dem Sandmeer. Es stellt die Fortsetzung der Landschaft des Wadi Rum in Jordanien dar, nur viel größer und vor allem: ohne Touristenmengen!

Das Auto im Hintergrund wirkt wie ein Punkt in dieser grandiosen Landschaft. – Durch die jüngsten Geschehnisse in Osteuropa werden auch die Kinder beeinflusst – auch im Urlaub.

Um einen geeigneten Schlafplatz zu finden müssen wir runter von der Strasse. Unser Wagen ist zwar ein sog. “SUV”, hat aber keinen Allradantrieb. Ein Fahrzeug mit 4×4 wäre gleich mal 1000 Euro teurer gewesen. Immerhin meistert er aber kleine Sandpassagen erstaunlich gut und die größeren Räder und die Bodenfreiheit helfen auch. Trotzdem fahren wir uns fast fest auf einer sandigen Piste. Glücklicherweise ist das ein Auto mit Vorderradantrieb, denn im Rückwärtsgang mit langsamen Drehbewegungen der Räder kann unter ständigem Lenken immer etwas Sand vor die Reifen geschaufelt werden, der dann nach einigen Momenten wie ein Widerstand wirkt. Es funktioniert. Das ganze passiert noch zwei, drei Mal, dann sind wir wieder auf der Strasse. Sand kann so tückisch sein, mal fest, dann weich… Wir finden eine Piste mit etwas gröberen Steinchen. Hinter einem riesigen Sandsteinfelsen haben wir eine geschützte Stelle gefunden und schlagen unser Zelt auf. Es ist wunderbar. Stille. Nur ab und zu mal in der Ferne ein Auto. Nach Sonnenuntergang wird es etwas mehr Verkehr, wenn auch nicht viel. Das Fasten wird gebrochen, die Menschen besuchen sich und verbringen in großer Runde die Nächte.

Es wird aufgetischt

Am nächsten Morgen werden wir durch Motorenlärm geweckt. Jugendliche mit ihren aufgemotzten Geländewagen jagen die Dünen hoch, die weiter entfernt sind, aber der Krach der Fehlzündungen und des Motorenlärms bei sehr hohen Umdrehungen bahnt sich unaufhaltsam seinen Weg durch das weite Tal. Die Nacht ist vorbei, während sie für die Jungs noch nicht angefangen hat, sie haben die ganze Nacht durchgenmacht. Wir packen unsere Sachen und fahren weiter. Wir wollen einen Ort zum Wandern in dieser wunderbaren Landschaft finden und fahren weiter Richtung Tabuk.

Im weichen Sand zu laufen kostet viel Kraft

Weiter geht es Richtung Südosten durch diese wunderbare Landschaft. Die letzten 70 km geht es entlang vieler Plantagen, die von riesigen Bewässerungsanlagen versorgt werden. Aus dem Flugzeug und auf Satellitenaufnahmen (googlemaps) sieht man viele grüne Kreise. Hier stehen riesige Bewässeringsanlagen, die immer im Kreis fahren und radial die Felder bewessern. Dann sind wir in Tabuk, der Provinzhauptstadt. Es gibt einiges zu sehen, aber wir brauchen ein Hotel. Duschen, waschen, schlafen, Vorräte auffüllen. In Tabuk gibt es alles was man braucht. Am Abend ist jedoch auch hier die Hölle auf den Strassen los, wenngleich auch etwas gesitteter als in Jeddah.

Osmanische Festung in Tabuk. Hier ist auch eine Station der Hejaz-Bahn.

Wir lasses es ruhig angehen. Leider haben wegen dem Ramadan einige Einrichtungen geschlossen. Andererseits sind wir etwas zu müde, um auf große Tour zu gehen. Also geniessen wir die lauen Abende und die Lebendigkeit.

Tabuk: Abendessen in der Abendsonne

Nachdem wir etwas aufgetankt haben, geht es weiter nach Süden in die Natur. Gute 260 km später haben wir das wunderschöne Wadi Disah erreicht, ein ganzjährig wasserführendes Flussbett. Gleich der Eingang des Wadis weist eine so große und tiefe Pfütze auf, dass wir mit unserem Wagen lieber nicht durchfahren wollen. Stattdessen stellen wir dass Auto ab und schlagen uns in die Büsche. Hier ist es üppig grün mit Palmen und Gräsern, einfach wunderschön. Rundherum riesige karge und schroffe rötliche Felsen, die das Tal umrahmen. Hier schlagen wir unser Zelt auf und machen anschliessend einen kleinen Spaziergang.

Wadi Disah

Die Nacht ist unvergesslich. Einerseits bellen die Hunde und scheinen sich über mehrere Kilometer miteinander zu unterhalten, dann kommen die Miezekatzen und irgendwann ist es still. Man hört nur die Insekten. Das Mondlicht fällt fahl auf das Zelt und die Palmen. Die Sterne blinzeln uns an.

Am nächsten Morgen machen wir eine kleine Wanderung. Links und rechts des wenig wasser führenden Flußbettes die üppige Vegetation, in der Mitte ein Rinnsal, in dem wir beim Laufen die Füße kühlen können. Der Sand ist weich, die Sonne schon sehr stark um diese Jahreszeit (Anfang April), jeder Schritt kostet Kraft.

Der Junge ist vorbereitet

Das hatten wir ehrlich gesagt nicht so erwartet, aber nach unserer durchgemachten Corona-Infektion sind wir noch nicht belastbar. Das macht aber auch nichts. Nur Nico hampelt uns etwas zu viel in der Sonne und verpulvert seine Energie. Es folgt eine strenge Ermahnung und Belehrung, immerhin ist der Wasserlverlust hoch und schlägt bei Kindern noch mehr zu Buche. Im Schatten einen Palmenhains entspannen wir. Es ist herrlich. Wir machen uns auf den Rückweg, vorbei an der anscheinend eigens geschaffenen Touristen- oder Naturpark-Polizei. Zwei jungsche Wächter schlafen bei laufender Klimaanalage in ihrem großen SUV. Insgesamt sind die Behörden um Sauberkeit bemüht. Da das Tal auch Ziel von Ausflüglern und Reiseunternehmen ist, könnte man Müll erwarten. Abgesehen davon, dass wir keinen anderen Touristen begegnen und das Tal für uns alleine zu haben scheinen, stehen überall Mülltonnen, die auch etwas gefüllt sind. Müll liegt so gut wie gar nicht herum. Das freut natürlich das Naturliebhaberherz!

Unser “Versteck”

Als wir uns am Nachmittag auf den Abend vorbereiten kommt dann doch noch die Streife vorbei. Zunächst hatten sie uns gar nicht gesehen, so gut hatten wir uns versteckt. Sie winken vom Auto. Ich gehe ans Fahrzeug heran und grüße mit “Salamualaikum”, was gut ankommt. Die Jungs sind jung und sprechen eigentlich gar kein Englisch. Mit meinen Brocken Arabisch verstehe ich, dass es verboten ist, an dieser Stelle zu campen. Sie sind sehr freundlich, aber durch die Sprachbarriere kommt es etwas schroff herüber. Ich verspreche, dass wir unser Zelt woanders aufstellen. Als sie gerade weiterfahren wollen, winkt mich der eine wieder heran. Er bedeutet mir, dass wir doch ausnahmsweise hier bleiben könnten bis morgen, aber dass wir niemanden sagen sollen, dass sie uns gesehen hätten oder es uns gar erlaubt hätten. Irgendwie bin ich gerührt.

Maximale Effizienz: “Pralles Leben” an jeder Pfütze

Wir entschliessen uns trotzdem zum Aufbruch. Wir wollen einerseits kein schlechtes Beispiel sein und anderseits die Jungs auch nicht in Schwierigkeiten bringen oder die Gastfreundschaft dieses Landes ausnutzen. Gastfreundschaft – dieses Wort hat hier noch seine ursprüngliche Bedeutung. In unseren Breiten ist es scheinbar nur noch eine Floskel oder wird gleichbedeutend verwendet bzw. mißbraucht, wenn man von Dienstleistungen oder dem Bezug von Leistungen (Geld) spricht. Respekt ist inclusive in diesem Wort, und das hat in Europa keinen besonders hohen Stellenwert mehr. Hier in der arabischen Kultur aber, wird bspw. der alte Mensch geachtet, bei uns nur als Kostenfaktor, “Mitesser”, Risiko zukünftiger Generationen angesehen. Bei allen Problemen in der arabischen Welt, kann man sich diesbezüglich ein fettes Scheibchen abschneiden.

Kraftakt: Zähneputzen

Wir fahren weiter Richtung Süden und schlagen unser Zelt auf einem Hochplateau auf. Hier ist es etwas frischer, aber trotz der Einöde schön. Die Strasse ist weit weg, die nächste Siedlung noch weiter. Nur einmal passiert in der Nähe ein Geländewagen. Die Männer lächeln, winken und fahren weiter. Nach dem Essen geht wieder das übliche Gezeter los. Man muss das Jungtier putzen, überall klebt Sand hinter den Ohren, in den Ohren, den Haaren, der Nase… Und dann noch das Zähneputzen. Irgendwann ist es aber geschafft und unser “Kamelbaby” liegt im Zelt und spielt noch etwas mit der Taschenlampe, während wir noch den Sternenhimmel geniessen.

Nacht auf einem Hochplateau zwischen Wadi Disah und Al-Ula

Nach einem kurzen Frühstück geht es weiter Richtung Al-Ula. Von hier aus wollen wir Madain Saleh besuchen, besser bekannt ist unter dem Namen Hegra. Ebenso wie Petra in Jordanien wurde es von den Nabatäern errichtet und diente als Handelsmetropole. Die Bauten sind zwar nicht ganz so spektakulär wie in Petra, aber auch hier gibt es eine Vielzahl von Bauten (über 100), die errichtet wurden. Noch nicht alle sind gefunden und nicht alle bekannten sind bereits ausreichend erforscht. Es ist faszinierend. Über 500 km ist die alte Nabatäerhauptstadt von hier eintfernt und in den Glanzzeiten ihres Imperiums eroberten die Nabatäer sogar Damaskus und die Sinaihalbinsel (zumindest Teile). Auch hier in Hegra sind die die in Stein gehauenen Häuser zu bestaunen. Interessant ist, dass hier auch die Thamud, ein arabisches Volk siedelte, die u.a. im Koran mehrfach als eines der Völker erwähnt wird, die nicht den Aufforderungen der Propheten hören wollten, ebenso wie das Volk Lots.

Ausblick auf Al-Ula von einem verlassenen Café oberhalb der Stadt

Bevor wir uns aber auf den Weg machen checken wir in einem sehr schönen Resort ein. Es liegt etwas außerhalb von Al-Ula zwischen den Felsen. Hier haben wir ein kleines Zimmer in einer Anlage, die nach altarabischen Stil gebaut wurde. Es ist wirklich wie eine Oase. Anders als in Petra kann man die Eintrittskarten nicht an einem Schalter vor Ort kaufen. Das merken wir, als wir an die Pforte kommen. Ein großer SUV versperrt den Weg, indem er Quer auf der Strasse geparkt ist. Die Jungs hier sprechen genauso gut Englisch wie ich Chinesisch, aber irgendwann kapiere auch ich es, dass man die Tickets nur online buchen kann. Es klappt. Wir haben um 7 Uhr einen Bus, der uns nach Hegra bringt und im weitläufgen Gelände die Besucher herumfährt.

Altstadt von Al-Ula

Zur gebuchten Nachmittagsbesichtigung sind wir etwas spät dran, ich habe mich etwas in der Uhrzeit geirrt. Wir eilen zum Busbahnhof, um festzustellen, dass der Bus gerade abgefahren ist und die Tickets verfallen… Ich könnte mir in den Arsch beissen! Umsonst der Stress (typisch europäisch könnte man denken: immer getacktet, nie entspannt und gelassen). Und überhaupt: Seit wann fahren Busse in arabischen Ländern pünktlich???? Ich beruhige mich wieder und wir haben einen wunderschönen Abend in der Altstadt von Al-Ula, die jedoch nur sehr eingeschränkt zugänglich ist.

Am nächsten Morgen stehen wir rechtzeitig am Bus, um festzustellen, dass wir die einzigen Fahrgäste sind. Wir kommen wieder zu dem Tor von gestern und werden Zeugen eines einmaligen Schauspiels: die Guards, die mit dem Geländewagen die Strasse versperren, sitzen zu dritt im Auto und daddeln an ihren Handys. Als der Bus vor ihnen steht, blickt der Fahrer auf und fährt drei Meter rückwärts, um anschliessend wieder drei Meter vorwärts zu fahren. Dann wird weiter gedaddelt. Machen die das den ganzen Tag so? Kriegt man da nicht Thrombose, Handydaumen und HWS-Beschwerden?

Hegra (Mada’in Saleh)

Wir jedenfalls haben Freude an unserer Entdeckungstour in Hegra. An verschiedenen Stationen verlassen wir den Bus, folgen vor Ort einem Guide und lassen uns über das informieren, was wir gezeigt bekommen. Auffällig ist auch hier, wie auch im ganzen Land der hohe Frauenanteil an der arbeitenden Bevölkerung. Inzwischen sieht man überall Frauen arbeiten und sie haben anscheinend Spaß daran. Die Guides sind gut informiert und professionell. Das ist echt top! Wir bekommen sogar Kaffee und Datteln angeboten – und das während des Ramadans! Das wäre vor wenigen Jahren sicherlich noch nicht möglich gewesen. Prinz Mohammed bin Salman versucht das Land zukunftsfähig zu machen und setzt auf Tourismus. Und was die touristischen Ziele angeht, hat das Land unglaublich viel zu bieten!

Hegra

“Gib Gas, ich will Spaß!”

verbringen eine weitere Nacht, nachdem wir einen kleinen Ausflug gemacht haben und ich mein Versprechen eingelöst habe, dass Nico in der Wüste Auto fahren darf. Natürlich nicht alleine, aber lenken darf er. “Gib Gas, ich will Spass!” ruft er, ein Spruch, den wir immer wieder von unserem lieben Freund Dr. Nico in Bahrain gehört haben…

Am nächsten Tag geht es wieder nach Jeddah zurück. Wir wollen etwas Zeit eisparen, weil wir uns noch mit den Freunden einer Freundin aus Bahrain treffen wollen. Ca. 750 km müssen wir heute bestreiten, durch den Hejaz, vorbei an Medina, einer der zwei heiligsten Städte des Islam und Exilort des Propheten Mohammed. Gegensatz zu Mekka dürfen inzwischen auch Nicht-Muslime die Stadt besuchen. Wir wollen das ein anderes Mal machen, da wir nur wenig Zeit haben und die Stadt riesig groß ist. Die Autobahn ist gut, der Verkehr verträglich, nur ab und zu wird in unübersichtlicher Weise der Verkehrsfluß abrupt abgebremst: Riesige Tonnen oder andere Sperrvorrichtungen engen den Verkehr ein, aufgestellt von der Polizei. Das ein oder andere Mal ist es schon etwas eng, wenn diese Dinge fast unerwartet auftauchen und man fast Slalom fährt.

Nicht selten: alte Trailer aus Europa. Einmal sahen wir einen von EDEKA

In den Bergen vor Medina bremst der Verkehr plötzlich ab. Ich vermute schon einen Unfall, aber es ist etwas anderes. Zunächst hatte ich mich schon gewundert über die Schilder, auf denen so komische Tiere mit Brille draufgemalt waren, jetzt verstehe ich es: Affen. Eine Horde Pavinane klettert über den Zaun und wird von den anhaltenden Schaulustigen gefüttert und fotografiert. Eigentlich hatte ich diese Tierchen viel südlicher, im der Region Taif oder der Asir-Region mit ihren hohen Bergen und der Terassenlandschaft mit Feldern erwartet. Tatsächlich ist die wachsende Population der Affen im Bereich der Strassen ein zunehmendes Problem für die Sicherheit, wie auch kürzlich die saudische Tageszeitung Arab News berichtete. Wir steigen natürlich nicht aus dem Auto und halten auch gar nicht an. Der heranbrausende Verkehr könnte uns ein ebenso rotes Hinterteil bescheren, wie diese Affen eins haben.

Souq, Alt-Jeddah

In Jeddah geniessen wir die letzten Tage vor dem Rückflug. An den Rhythmus des Lebens während des Ramadans und an die Hitze haben wir uns inzwischen etwas gewöhnt. Am letzten Abend führt uns das ältere Ehepaar, mit dem wir uns verabredet haben, durch die Altstadt von Jeddah. Beide haben noch andere Zeiten dieser riesigen Stadt erlebt. Er kennt noch die alten Ladenbesitzer, die inzwischen von Indern und Pakistanis abgelöst wurden. Die Altstadt ist sehr sauber und vielerorts wurden viele Häuser restauriert. Eindrucksvoll steht auf einen Platz ein stattliches Gebäude mit einem erhabenen grünen Baum davor: das Naseef House.

Alte Häuserfassade in der Altstadt von Jeddah

Hier soll Abdulaziz ibn Saud, der erste saudische König, anfangs residiert und Gäste empfangen haben. Unser Begleiter berichtet, dass das Haus so prächtig sei, dass eben dieser König einst mit dem Pferd bis in die dritte Etage hinaufsteigen konnte. Später entstand eine private Bibliothek mit mehr als 16.000 Büchern. Inzwischen gehören diese zur Sammlung der King Abdulaziz University in Jeddah.

Naseef House

Die beiden fahren uns zurück zu unserem Hotel. Diese Gegend kennen auch sie nicht, so groß ist Jeddah geworden. Anderenorts werden ganze Stadtteile abgerissen, wie wir auch von der Autobahn sehen können. Der massive Zuzug von Menschen aus verschiedenen Landesteilen hat zu einem teils chaotischen Wachstum der Stadt geführt. Trotzdem wird überall an allen Ecken wie wild gebaut.

Eine der ältesten Moscheen in Jeddah: Masjid Al Shaf’i

Am nächsten Morgen geht es früh los zum Flughafen. Wie sollen wir diesmal ein Taxi bekommen, immerhin haben wir gestern das Auto abgegeben. Die Strassen sind leegefegt, es ist noch Ramadan. Die einzige Möglichkeit ist per Uber. Wird das Taxi pünktlich sein? Es klappt ohne Probleme. Wir nehmen Abschied von der Stadt und von unserem Urlaub.

Tagsüber trostlos, nachts durch Reklame bunt: Eines der neu entstandenen Viertel.

Nach einem anstrengenden Flug erreichen wir endlich Frankfurt. Mein Magen ist so durcheinander, dass ich die gesamte Strecke im Liegen verbringe – Olga fährt, versteht sich. Es ist frisch in Deutschland, wir brauchen die warmen Jacken wieder. Der Schnee ist verschwunden, dafür empfängt uns die Sonne. Wie zum Abschied vom Urlaub zeigt sich heute der Mond in der Dämmerung von seiner schönsten Seite: übergroß steht er in der Dämmerung am Abendhimmel über dem Horizont – fast so wie in Arabien.

Apropos Mond: Schon gewußt? In südlicheren Ländern liegt der Halbmond z.T. auf dem “Rücken”, daher ist die Sichel auf den Moscheen ist oft so gedreht, dass der konvexe Teil unten ist und die beiden Spitzen nach oben zeigen. Wir sehen meist einen Mond, wo die Sichel zur Seite zeigt: auf der Nordhalbkugel sehen wir bei zunehmenden Mond die rechte Seite, auf der Südhalbkugel die linke. Nahe am Äquator sieht man bei Mondaufgang die obere und beim Untergang die untere Hälfte 😉

Hier gehts zu den Bilder: Saudi Arabien 2022

Wahnsinn hautnah – Neues aus der “Ballerburg”

In welcher verrückten Zeit leben wir eigentlich? Wer hat sich diese Frage in den letzten Jahren nicht auch vermehrt gefragt? Da ist Corona, die Klimakrise, Kriege und Konflikte, Inflation, Mietenexplosion… Das ist doch wie im Irrenhaus, möchte man meinen. Und dann ist da noch der Krieg vor unserer Haustür. Großmächte und Allianzen, steigen aus der Versenkung. Die einen weiß, wie das Gute, die anderen schwarz wie das Böse. Längst überwunden geglaubte (eiserne) Vorhänge werden wieder hoch gezogen und alte Ängste werden zu neuen. Was soll man glauben? Mit Familienangehörige auf beiden Seiten des Konfliktes in unserer Nachbarschaft sind wir besonders betroffen, bangen und hoffen. Das Herz schmerzt. Entgegen der Ansicht treffen doch in der Realität keine abstrakten Systeme aufeinander, sondern Menschen, wie wir alle. Das ist traurig und krank. Es gibt keinen einzigen echten Grund, Krieg zu führen!

Genauso krank ist die Hierarchie unter den Konflikten: wer spricht noch von Somalia oder Syrien? Und wieso sind Flüchtlinge aus dem Nahen Osten und Afghanistan Flüchtlinge zweiter Klasse? Während sie im Niemandsland zwischen den Staaten stecken, ziehen die Flüchtlinge aus der Ukraine an ihnen vorbei durch offene Tore. Sollten diese nicht für alle gleichermaßen offen sein? Ein polnischstämmiger Freund vermutet, dass die Ukrainer als christliche Glaubensbrüder gesehen werden und z.B. in Polen daher eher willkommen sind… Das ist doch Wahnsinn!

Aushalten

Von dem habe ich momentan übrigens mehr als genug – um mich herum versteht sich! Passend zu dieser Zeit habe ich in der Psychiatrie “angeheuert”, dem Irrenhaus, der Irrenanstalt, Narrenhaus, Klapsmühle, Tollhaus, der “Ballerburg”. Im November habe ich im stationären Bereich angefangen. Gemäß meinem Ideal “alles mal gesehen zu haben”, hat es mich schon immer mal interessiert, hinter die Fassaden zu schauen. Natürlich kann man nicht alles machen, aber für meine hausärztliche Tätigkeit allemal lehrreich. Und: ich habe mich nicht geirrt. In den paar Monaten habe ich bereits viele, sehr viele Krankheitsbilder gesehen, deren Ausprägung ich so sonst eher selten zu Gesicht bekomme: Schizophrenie, Manie, psychotische Zustände, Suizidalität, psychische Traumata, Depressionen, Angst, Persönlichkeitsstörungen. Inzwischen sehe ich Situationen anders, bewerte auch vergangene Erlebnisse mit anderen Menschen neu. Und das Beste: ich erkenne auch Kollegen in gewisser Weise wieder… Situationen, in denen ich mich früher geärgert habe wegen Oberärzten oder anderen Kollegen, bekommen plötzlich einen Sinn, besonders bei Thema Persönlichkeitsstörungen…

Aber ich will mich nicht nur über Andere lustig machen, auch ich selber bekomme mein Fett weg. Man merkt seine eigenen Defizite mehr. Zum anderen ist da der Kontakt mit den Kranken: es macht etwas mit Dir. Eine Binsenweisheit vielleicht, da der Kontakt mit anderen Menschen immer etwas mit einem macht. Aber hier sind es z.T. sehr verstörende Bilder, die in Gesprächen transportiert werden, meist Kindheitstraumata, die einem schwer im Magen liegen können, wenn man sie hört.

Im Gegensatz zur Unfallchirurgie z.B. sitze ich passiv da, kann nicht schrauben, Blutung stoppen usw. Aktives Zuhören ist angesagt, oder einfach nur still zuhören. Aushalten. Und das fordert einen heraus. Das trifft besonders auf die “geschlossene Station” zu, wo hochakute Patienten versorgt werden, die z.T. mit Handschellen und der Polizei kommen (per PsychKG = Psychisch-Kranken-Gesetz = Zwangseinweisung”):

“Es gibt nichts, das es nicht gibt!”

Ein junger Mann, der auf der Brücke stand und seiner Freundin Bilder schickte und drohte zu springen – um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen – als kleiner Junge vernachlässigt, alleine, vom Freund der Mutter mit einer Holzlatte verprügelt, als Erwachsener hochgradig dependent und depressiv. Die junge Frau, intelligent, die sich selbst immer wieder verletzte, Glasscherben aß, zwangseingewiesen wurde um eine Stunde nach Entlassung auf den Schienen stand – und von zwei Studenten gerettet wurde. Dann die junge Frau, die vom Vater als vierjährige mit dem Gürtel bis zur Bewußtlosigkeit gewürgt wurde und sich in einem anderen Krankenhaus selber strangulierte und nicht in der Lage ist, ein eigenes Leben zu führen und Todessehnsucht hat. Oder der 20jährige, der sich ein Brotmesser in die Brust rammt, wie ein Wunder überlebte und sich anschliessend damit das halbe Kinn wegschnitt. – Und: Pöbelnde, aggressive, gewaltsame Patienten in ihrer Psychose, nette, schweigsame Patienten, die auf dem Schrank sitzen… es gibt nichts, was es nicht gibt. Dieser Spruch bewahrheitet sich hier wieder.

Im Auge des Betrachters: der eine sieht das Dach des Hauses, der andere eine Möglichkeit zu Springen

Das sind einprägsame Fälle, aber auch die weniger spektakulären sind bedeutsam. Hinter jedem Fall steht ein Mensch, der gelitten hat und noch leidet. Zwangseinweisung, Freiheitsentziehung im Zimmer (“Gummizelle”), angegurtet oder gar Zwangsmedikation, das sind die härtesten Maßnahmen. Beruhigend kann ich bestätigen, dass es keinem der Kollegen, die ich bisher kennengelernt habe, Spaß macht, Patienten “wegzusperren” oder “ruhigzustellen”. Auch das Rechtssystem beruhigt mich, wenn es um die Unterbringung in psychiatrischen Krankenhäusern geht. Vor wenigen Jahrzehnten ist das auch in Deutschland noch anders gewesen…

Eindrücke aus dem Schwarzwald

Das wartet auf Euch:

  1. Schliffkopf
  2. Wasserfälle Allerheiligen
  3. Hornisgrinde
  4. Baden-Baden
  5. Hausach im Kinzigtal
  6. Schiltach
  7. Vogesenblick
  8. Alpirsbach
  9. Freudenstadt

1. Schliffkopf – Wanderung im Nebel und üppiger Vegetation

2. Wasserfälle Allerheiligen – Wie im Regenwald

3. Hornisgrinde: höchster Berg des Nordschwarzwalds und Hochmoor

4. Baden-Baden: Römerbäder und UNESCO-Weltkulturerbe seit 2021

5. Hausach im Kinzigtal

6. Schiltach

7. Vogesenblick

8. Alpirsbach

9. Freudenstadt

…hat den größten von Gebäuden umgebenen Marktplatz in Deutschland und eine Kirche, die “ums Eck geht” – und kostenlose benutzbare Toilettenhäuschen!

“Das Grauen der Menschheit”

Morgens halb zehn in Deutschland“, so fing früher in der Werbung der Spot für das “Knoppers” an, in dem sich Handwerker in einer ersten Arbeitspause stärkten. Morgens halb zehn in der Arztpraxis habe ich schon einige Patienten “hinter mir”, vom Schulschwänzer bis zum Blinddarm oder was es sonst noch so gibt.

Vor mir sitzt ein älterer Herr, etwa Anfang 80. Er warte noch auf seine Frau. Die Tür geht auf und eine ebenso alte Dame tritt ein. Liebevoll blinzelt er ihr zu und sagt “Da kommt sie ja: meine Frau – das Grauen der Menschheit” und kichert in sich hinein. Sie ist aber auch nicht auf den Mund gefallen, droht ihm mit den Tabletten, die sie ihm immer zuteilt. Den ganzen Tag über würden sie sich so gegenseitig necken, sagt er. Irgendwie süß die beiden. Wenn doch nur alle Patienten so unterhaltsam wären – und so rüstig vor allem. Das Grauen der Menschheit findet sich zwar hier nicht, aber die Abgründe des menschlichen Daseins werden einem schon präsentiert. Man ist Arzt, Kummerkasten, Psychologe, Priester… ach ja, natürlich auch mal Mülleimer für die chronisch Unzufriedenen, für die alle Anderen Schuld an ihrem Dasein haben. Egal, jetzt steht erst einmal der Urlaub an. Sagenhaft ganze 5 Tage Urlaub haben wir dieses Jahr zusammen. Die restlichen Tage musste ich mir anderweitig aufteilen. Die Zeit war aufregend: erst im August den Notarztkurs in Düsseldorf, dann alleine in der Praxis arbeiten und jetzt kurzentschlossen in den Schwarzwald. Ganz spontan, 4 Tage vorher gebucht, hatten wir echt Glück gehabt, noch etwas zu bekommen.

Blick von Hornisgrinde nach Westen (1164 m) – höchster Berg des Nordschwarzwald

“Rückwärts essen” – Autoweihe

Da wir unser neues Auto nicht gleich wieder “einsauen” wollen, haben wir uns selber bestimmte Grenzen auferlegt: es wird nicht gegessen und getrunken im Auto. Naja, um das alles praktikabel zu halten gestatten wir uns zunächst Wasser im Auto zu trinken. Im Stau kann dann auch mal Hunger dazu kommen und nun ja, der Kakao ist doch im Becher ganz sicher untergebracht… So geht das ne Weile gut mit nur wenigen Klecksen. Im Nordschwarzwald abseits der geraden Autobahn wird Nico aber wegen der vielen Kurven schlecht. Schnell noch der leere Kaffeebecher zum Auffangen nach hinten gereicht und schon sprudelt es hervor – retrograde Magenentleerung. Na super, das Auto ist eigeweiht. Wie war das noch mit dem nix essen und trinken im Auto? Naja, von Erbrechen hatten wir nichts gesagt…

Blick auf den Mummelsee

Im schönen Alpirsbach, unweit von Freudenstadt haben wir uns einquartiert. Das Hotel liegt oberhalb des Ortes an einem Hang, an dem sich ein schmaler Weg hochzieht. Es ist wunderbar idyllisch und für ausländische Besucher bestimmt typisch “schwarzwälderisch”. Leider gibt es hier sehr viele Raucher, der Nachbar raucht um halb fünf morgens die erste Zigarette auf dem Balkon. Ansonsten gefällt uns der Ort. Von hier aus machen wir unsere Tagesausflüge. Wir sind hungrig nach Natur und bekommen davon reichlich.

Wasserspiele in Freudenstadt

Zunächst erklimmen wir ein paar bekannte Berge nahe der “Schwarzwald Hochstrasse“. Das Wetter ist anfangs trübe, wir laufen durch Nebel, Regen und tief hängende Wolken. Wir freuen uns trotzdem über die Natur, die Luft.

In den nächsten Tagen kommt aber mehr die Sonne raus, wir haben Glück und können einen wunderbaren Spätsommer erleben.

Blick von Burg Husen auf Hausach im Kinzigtal

Stierkampf im Schwarzwald

Der Abreisetag beginnt mit einem Schrecken: Wir haben die Taschen gepackt und ich will das Auto nach oben fahren, um das Gepäck einzuladen. Auf dem schmalen Bergweg, auf dem auch Kinder spielen, kommt mir ein Kleintransporter entgegen gerast. Ob er die Bremse findet? Da ich nicht ausweichen kann, muss einer von uns rückwärts fahren. Da er aber so dicht aufgefahren ist, dass ich kaum sein Nummernschild sehen kann, bin ich es, der vorsichtig rückwärts fährt. Er bleibt aber genauso dicht an mir dran, als ob er mich runterschieben möchte. Als er in einer Haltebucht vorbeirasen möchte, hupe ich. Er springt raus und schreit mich an, was ich für ein Problem hätte, dann reisst er die Tür auf, kommt mit seinem bulligen Gesicht ins Auto und bedroht mich auf`s Übelste. “Ich breche Dir das Genick!”. Seine Augen sind aufgerissen, der Blick wie auf Droge oder psychotisch. Ich merke, wie hauchdünn seine Nerven sind, es fehlt nur ein Nanometer und dann rastet er aus! Im Bruchteil einer Sekunde schätze ich meine Chancen ein. Das läuft wie irgendwie programmiert, unbewußt ab, jenseits einer intellektuellen Ebene: Ich im Auto, er ein Bulle auf Adrenalin, mit dem Oberkörper in meinem Auto steckend – da habe ich keine guten Optionen. Also andere Strategie: ich entschuldige mich mehrmals, die Hände beschwichtigend erhoben, ihm zustimmend. De-Eskalation nennt man so etwas ja. Und zum Glück hat das funktioniert! Er haut noch einmal mit der Faust gegen das Auto und rast los. Puh, das war knapp.

Was hätte ich anders machen sollen? Diskutieren? Ihn darauf hinweisen, dass ich ihm nicht das “Du” angeboten habe? Oder vielleicht noch auf die Maskenpflicht und das Abstandsgebot aufmerksam machen? Bei der Nähe hätte ich glatt eine Zahnreinigung seines Raubtiergebisses durchführen können, allerdings hätte ich mir dann sicherlich auch eine Politur meiner Kauleiste eingefangen. Also alles richtig gemacht, ich habe keine Schramme und bis auf den Schreck nichts abbekommen. Allerdings merke ich mir das Kennzeichen. Zwar habe ich keine Zeugen, aber wenn Nico dabei gewesen wäre, hätte er den Schock seines Lebens bekommen.

Ehemaliges Benediktinerkloster Alpirsbach

Nach unserer Abreise aus dem Hotel fahren wir zur Polizeistation dieser Kleinststadt. “Montag bis Freitag von 9-12 und nachmittags… blablabla” lesen wir an der Tür. Und heute ist Samstag. Was für ein “ulkiger” Tag, wie lustig…. Also fahren wir nach Freudenstadt. Auch hier muss ich 20 min auf die Polizeibeamten warten, aber die waren immerhin auf Streife. Eine junge Polizistin und ihr ebenso junger Kollege nehmen meine Anzeige auf. Sie sind sehr nett und wirken kompetent. Sie zeigen mir Fotos von Personen, die auf meine Beschreibung passen und im Zusammenhang mit dem Fahrzeug stehen. Einer von denen könnte es sein. Sie dürfen zwar nichts sagen, aber lassen durchleuchten, dass dieser Mann der Polizei bereits bekannt ist. Nebenbei erwähnen sie, dass es hier in der Gegend sehr viele psychisch Kranke gibt… Na das beruhigt mich ja für den nächsten Urlaub hier…

Sicherlich wird die Anzeige im Sand verlaufen, aber wichtig war mir der Hinweis, dass dort auch kleine Kinder leben und spielen, die nicht verletzt (oder gar oder getötet) werden sollen durch so einen Verrückten.

Trotz dieses Erlebnisses war es eine wunderbare Woche in einer wunderschönen Region!

Wieso heißt der Wald noch mal Schwarzwald…?

Es werden demnächst noch ein paar Bilder folgen, freut Euch drauf!

Die Mutante Mensch

Das nächste Auto wird ein U-Boot! Jupp, das wärs wirklich: Corona kommt und man taucht einfach ab. Man macht sich aus dem Staub und hat mit dem Mist nichts zu tun. Eine Angel sollte man schon mitnehmen, falls das Proviant ausgeht. Und ne kleine Meerwasser-Entsalzungsanlage an Bord wäre auch nicht schlecht. Also: das nächtste Auto wird ein U-Boot mit Anhänger!

Oder man läßt sich auf den Mond schiessen – im wahrsten Sinne des Wortes. Während die Seuche auf dem Planeten grassiert, sitzt man wortwörtlich “kontaktbeschränkt” und mit einem Vielfachen des Mindestabstands da oben und guckt runter.

Na gut, das wäre auch keine Option für mich. Dann lieber auf der Erde, am besten in der Wüste…. (natürlich in der Wüste, wo denn sonst 😉

Jetzt bloß nicht schlapp machen!

Jetzt haben wir schon fast Ende Februar und die Tage werden schon wieder etwas länger. Klar: Normalität ist noch lange nicht in Sicht, aber ich sehe es mal so: von der dunklen kalten Jahreszeit (ich rechne Oktober-März) haben wir bereits 2/3 geschafft!

Mutationen und das Impfstoff-Debakel sind zwar Dämpfer, allerdings muss man auch mal etwas feststellen: bei allen Mängeln wurde von den Verantwortlichen aber auch gute Arbeit geleistet und viele richtige Entscheidungen getroffen. Bei einem Land mit “roundabout ” 83 Mio Einwohnern mit fast ebenso vielen Meinungen und vor allem selbsternannten “Experten” eine Leistung. Und: die meisten Menschen halten sich an die Vorgaben, Querdenker hin oder her. Es gab keine Ausschreitungen wie in den Niederlanden. Auch das muss man wertschätzen. Jetzt bloß nicht schwach werden und nachlassen. Das gilt für uns, wie auch für die Entscheidungsträger. Und von denen wünsche ich mir mehr Pragmatismus und weniger Wahlkampf!

“Ich mach mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt!” – im Rahmen der Möglichkeiten

Wir persönlich merken, dass wir uns erstaunlich gut inzwischen an die Situation gewöhnt haben. Man “baut sein Leben um“. Kein Geldausgeben im Cafe, mehr Spaziergänge und mehr Internet. Letzteres schein inzwischen die Lebensader zu sein. Nicht nur Homeschooling oder Homeoffice sind von davon abhängig, auch die Freizeitgestaltung ist es in größerem Maße. Fernsehen schauen wir nicht mehr live. Dafür gibts mehr Youtube und Filme aus der Mediathek verschiedener Sender. Bei guten Filmen kann man träumen, zum Beispiel vom U-Boot als Flucht vor Corona oder Raumschiffen.

Nicht aus der Kurve fliegen!

Aber das reicht natürlich nicht, irgendwann bekommt jeder mal einen “Koller“, das ist ganz normal. Aber was ist normal? In diesen Zeiten ändern sich die Maßstäbe. Kriege, Katastrophen, Krisen, der Mensch hat sich immer wieder angepasst, sich sozusagen neu erfunden. Das wird er auch dieses Mal tun. Die Klimakrise, das Virus. Man könnte den Eindruck gewinnen, die Natur wehrt sich gegen das zerstörerische Wesen Mensch. Ein Virus reicht nicht, es werden mehr folgen. Wir wissen, dass die Erderwärmung zu einer gesundheitlichen Gefahr wird, auch für den Menschen. Nicht nur die direkte Hitze, sondern auch Ernteausfälle und nicht zuletzt Erkrankungen, die man eher in südlicheren Ländern erwarten würde: Das Krim-Kongo-Fieber, das durch eine neue Zeckenart übertragen wird und das West-Nil-Virus fallen mir da gerade ein.

Keine Mutation, sondern ein Spass des Autors zum Rosenmontag (mit künstlichem Bart)

Jetzt also SARS-CoV-2 und seine Mutanten. Dabei scheint der Mensch doch eigentlich die gefährlichste Mutante zu sein. Mit seiner zerstörerischen Kraft ist er für Mutter Natur inzwischen eher eine Fehlentwicklung als die “Krone der Schöpfung“. Kriegen wir die Kurve? Das mag sich so mancher fragen, ich auch. Aber ich sehe schon, wie der Mensch ganz besessen ist, alles erdenkliche in Gang zu setzen, um seinen Lebenstil so fortsetzen zu können, anstatt die Weichen neu zu stellen. Wir werden eher noch größere Klimaanlagen bauen, um uns zu kühlen, anstatt weniger CO2 zu emittieren. Dabei bin ich mir noch nicht einmal sicher, wer wirklich den größten Ausstoß verursacht. Wie dem auch sei, ich gebe schon mal eine Prognose ab: derjenige Wirtschaftszweig, der am meisten Geld bringt, wird sicherlich von Restriktionen am meisten ausgespart werden, auch wenn er viel emittiert. Dem Wirtschafts- bzw. Industrielobbyisten sei “gedankt”.

Nur weg hier – Auszeit vom Virus

Urlaub mit Vorsicht, aber nicht weniger schön und aufregend. Gerade jetzt, wo Urlaub Sinnbild für die Illusion des Unbeschwerten ist..

Ihr kennt das bestimmt: der Urlaub ist gerade mal ein paar Tage her und man fühlt sich schon wieder so wie vor dem Urlaub: ausgelutscht, die Tränensäcke schlagen bei jedem Schritt gegen die Knie, das Bett ist wie ein riesiger Magnet…

Nun gut, immerhin habe ich gut 2 Monate durchgehalten, aber der Winter graust mir. Die Menschen sind gereizter, fordernder, egoistischer. Jetzt in der immer noch andauernden und sich sicherlich wieder verschärfenden Krise, zeigen sich die Gräben stärker, die durch die Gesellschaft führen. Aber eigentlich haben wir (bisher) sooo viel Glück gehabt in Deutschland mit Corona. Vielleicht meckern die Leute einfach zu viel, sodaß der Virus (oder das Virus) einfach keine Lust hat hier zu bleiben… Das wäre das erste Mal in der Geschichte , dass Meckern helfen würde. – Sicherlich eine Illusion, der sich Viele hingeben…

Das Frühjahr hat uns geschlaucht, die Arbeit mit den Masken (insbesondere FFP2-Masken) ermüdet die Menschen. Es gibt sogar eine Studie dazu, die in Leipzig durchgeführt wurde (Der Allgemeinarzt, 25.10.2020) Wenigstens hatten wir eine Sommerpause zum Auftanken.

Eigentlich hatten wir wieder in die Wüste gewollt, dann wegen familiärer Gründe nach Russland gemusst, aber Corona und die Einschränkungen haben alle Pläne durchkreuzt. Also entschieden wir uns in Europa zu bleiben. Frankreich sollte es dieses Mal sein: Sommer, Sonne, Strand. Bloss nicht zu kalt, da wir wegen Corona lieber campen wollten.

Ab in die Sonne

Es ist Freitag, 31.07.2020. Etwa 1400 km liegen vor uns. Da wir nicht wissen, ob es vielleicht doch noch Verzögerungen an den Grenzen gibt, fahren wir bereits am Freitag nachmittag nach der Arbeit los. Über die verrückte deutsche Autobahn gehts nach Karlsruhe, wo wir in einem kleinen Hotel übernachten. Personal gibt es keines mehr, als wir gegen 22 Uhr dort ankommen. Im Eingangsbereich ein kleiner Safe, der nach Eingabe einer Nummer ein Schlüsseltableau freigibt. Wir nehmen unseren Schlüssel und lassen uns ins Bett fallen. Nico ist da schon längst im Reich der Träume.

Verschachtelte Autobahnen – typisch in der dicht besiedelten Schweiz

Nach einem kleinen Frühstück geht es weiter nach Süden, an Freiburg vorbei Richtung Schweiz. Die Autos rasen, die Sonne lacht. Nur kurz werden wir an der Schweizer Grenze aufgehalten, dann durchgewunken. Weiter geht es an Bern vorbei nach Genf. Das Passieren der Grenze nach Frankreich merken wir kaum und schon befinden wir uns in den Französischen Alpen. Nach einer ruhigen Fahrt kommen wir in Grenoble an. Die erste französische Großstadt auf unserer Reise. Man merkt, dass man in Frankreich ist: viele Motorroller, verwirrende Strassenzüge, gelockerte Stimmung trotz Corona. Sonne, ein warmer Wind – und noch geschlossenen Restaurants.

Zwischen Genf und Grenoble

Die machen erst später auf, am Abend, um mit saftigen Preisen die Gäste zu empfangen. Mit etwa 160.000 Einwohnern ist die Stadt etwa so groß wie Osnabrück. Durch das Zentrum fließt die Isère, in der näheren Umgebung Ausläufer der französischen Alpen, deren Gipfel hier bis 3000 m in die Höhe ragen. Grenoble hat viele schöne Orte und hat sich auch als Universitätsstadt einen Namen gemacht. Es ist die drittgrößte des Landes und ein bekannter deutscher Student verbrachte hier eine Zeit seines Lebens: Richard von Weizsäcker.

Blick uf die Isère nach Osten

Das kleine Hotel befindet sich eingequetscht zwischen anderen gesichtslosen Häusern in einer kleinen Nebenstrasse im sonst ganz hübschen Stadtzentrum, Das Zimmer ist dunkel und klein. Es riecht nach Desinfektionsmittel. Ein kleiner Möchtegern-Balkon ist mit schweren Türen verschlossen, die sich nur mit etwas Mühe öffnen lassen. Man kann nur einen Fuß auf den Balkon setzen. Unten die Gasse mit den Autos. Gegenüber eine Häuserzeile mit größeren Balkons. Ein Mann mit nacktem Oberkörper raucht genüßlich eine Zigarette, während er in einer Zeitung liest. So stellt man sich “Frongreisch” vor. Auf dem Balkon daneben eine Miezekatze, die die letzten warmen Sonnenstrahlen genießt. Der Blick nach links zeigt den Mont Jalla mit dem Fort, nach rechts verläuft sich die Gasse in den Winkeln des Viertels. Ein Spaziergang zeigt eine Mischung aus schönen alten Häusern und glanzlosen Neubauten. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt stark bombardiert, da sie von der Wehrmacht besetzt war.

Hübsche Strassenzüge in Grenoble

Leider haben wir viel zu wenig Zeit und die Kräfte sind erschöpft, sodass wir schnell schlafen gehen. Am nächsten Morgen verzichten wir auf das Frühstück: im winzig kleinen Frühstücksraum sitzen die anderen Gäste dicht gedrängt nebeneinander. Immerhin können wir uns etwas mitnehmen.

Auf Napoléons Spuren

Wir fahren einen Abschnitt der Route Napoleon nach Süden. Die offiziell Route Nationale 85 (RN 85) genannte Strasse entspricht der Strecke, die Napoleon 1815 abschritt. Von Cannes kommend, passierte er Grenoble, um in Paris wieder die Mach an sich zu reißen. Während er seine Männer innerhalb von 7 Tagen die fast 400 km nach Norden hetzte, tuckern wir gemütlich nach Süden. Und das auf einer entspannten Autobahn. Bereits in der Schweiz haben wir etwas weniger LKW gesehen, hier in Frankreich sehen wir auf 400 km nur ganze 2 Stück!!! Wunderbar!! Es geht doch auch ohne!!!

Im Zentrum von Gap

Dafür müssen z.T. saftige Preise an den Mautstellen bezahlt werden. Wir sind zunächst etwas verwirrt, da man mal mit Karte, mal mit Münzen bezahlen kann oder muss. Wie eine große Hand mit 5-7 Spuren fächert sich die Strasse auf. Auf jeder Spur eine Schranke mit Automat. Dahinter geben erst einmal alle Gas, aber insgesamt fahren auch hier nur die Deutschen zu schnell… Die Besiedelung ist dünn, Großstädte fehlen hier im Südosten. Erst im Großraum Aix-en-Provence und Marseille wird es wieder voller. Sehr voll, besonders Marseille. Hier herrscht dichter Verkehr, die Motorroller und Motorräder schlängeln sich in typisch gefährlicher Manier zwischen den Autos durch, z.T. mit halsbrecherischer Geschwindigkeit. Wenn jetzt einer dieser Mopedfahrer einen Millimeter zu nah an uns wäre, würde es Klatsch machen, ohne dass ich eine Chance hätte zu bremsen. Es geht aber alles gut.

Six-Four-les-Plages

So heißt das Städtchen, in dem unser Campingplatz liegt. Etwa 33.000 Einwohner hat die Gemeinde die direkt m Meer liegt und sich mit der etwas größeren Stadt La-Seyne-sur-Mer eine Landzunge bzw. Halbinsel teilt.

Wir fahren im dichten Verkehr durch die Strassen der Stadt. Ein ständig knarrend-surrendes Geräusch irritiert mich. Ich öffne das Fenster und höre es lauter. Ist das etwa unser Auto? Der Keilriemen? Der wurde doch erst gewechselt. im Spiegel sehe ich einen alten Mercedes Kastenwagen. Der wird es sicher sein. Der Wagen biegt ab, das Geräusch bleibt. Es muss unser Auto sein. Noch auf dem Weg zum Campingplatz grübel ich über das Geräusch nach. Was kann das sein….?

Erst als wir angekommen sind und der Motor aus ist lüftet sich das Geheimnis: zirpende Grillen! Davon gibt es hier so viele, dass ihr Konzert unüberhörbar ist! Ich kann sie zwar nur schwer entdecken, aber ich bin erleichtert, dass nicht das Auto kaputt ist.

Garten statt “Rammelplatz”

Unser Campingplatz heißt “Au jardin de la Ferme”. Er wird von einem etwas älteren Ehepaar auf dem Gelände einer alten Farm betrieben. Obstbäume, kleine Chalets und ein wunderbargemütlicher Abschnitt für Zeilte und Wohnwagen unter Pinien- und anderen Bäumen prägen das Gelände. Alles wirkt sehr familiär und ruhig, nicht wie diese typische großen “Rammelplätze“, wo Wagen an Wagen steht. Wir bauen unser Zelt auf und Nico kippelt vergnügt in seinem kleinen Campingstuhl. Trotz der Müdigkeit machen wir uns auf zum Meer: nur 400 m liegen zwischen uns dem ersehnten Naß.

Au jardin de la Ferme

Die nächsten Tage erkunden wir die Umgebung. Marseille interessiert uns, aber die Stadt ist voll. Ein paar Tage später werden Teile der Stadt als Risikogebiet bereits wieder ausgewiesen. Das stört uns aber kaum, da wir jetzt mehr Natur erleben wollen. Der Strand ist gut besucht, aber wir weichen auf einen Abschnitt mit Kies aus. Hier wollen nicht so viele hin. Der Sonnenschirm wird in den Boden gerammt, Nico mit UV-dichtem Badesachen ausgerüstet und ab gehts ins Meer – oder auch nicht. Das Meer ist kalt….Trotzdem wird geplantscht, Kies aufgeschüttet, mit Wasser gespritzt. Nico ist in seinem Element.

Wer gedacht hätte, wir hätten einen typischen Strandurlaub gemacht, der hat sich geirrt. Gleich am 3 Tag machen wir eine Wanderung. Frankreich verfügt über ausgezeichnete topografische Karten bzw. Wanderkarten. Zusätzlich findet sich im Internet das Kartenmaterial frei zugänglich, interaktiv mit Wanderrouten (www.geoportail.gouv.fr). Für jeden Frankreich-Urlaub unentbehrlch!

Im Bereich Ollioules/Evenos möchten wir wandern gehen. Dazu müssen wir ca. 10-15 km nach Norden fahren. Eigentlich ein Katzensprung. Da das Land hier aber endlos zersiedelt und alle 200 m ein Kreisverkehr ist, brauchen wir fast 1 Stunde! Auch das ist Frankreich. Wir stellen das Auto im Schatten eines Baumes ab. In den kommenden Stunden machen wir einen “Spaziergang” über fast 10 km. Nico läuft davon immerhin 7 alleine! Den Rest tragen wir ihn abwechselnd. Trotz der Hitze und Anstrengung ein unvergesslicher Tag!

Das Fort Gros Cerveau Ollioules

Die Calanques – Fjorde des Mittelmeeres

Früh sind wir aufgebrochen an diesem Tag. Wir fahre Richtung Westen nach Marseille und anschliessend nach Süden zur Küste zum Massif des Calanques. Das felsige wilde Gebirgsmassiv beginnt direkt am Stadtrand von Marseille.

Des Calanques

Die enge Strassse endet an einem Parkplatz, auf dem noch nicht viel los ist. Wir stiefeln los, ausgestattet mit Wasser und Essen. Das Frühstück wird auf halben Wege eingenommen, irgendwann wird der Weg dann aber zu steil. Während wir aufpassen müssen, nicht zu fallen, hampelt Nico lustig vor sich hin. Er will nicht aufhören und schließlich ist es uns zu bunt: wir müssen unsere Streckenplanung anpassen. Das macht aber nichts, angesichts der schönen Aussicht, die wir auf einem Berggipfel genießen können: auf der einen Seite die Stadt Marseille, auf der anderen die steil ins Meer abfallenden Felsen, die wie lange Finger hinauf ins Meer reichen. Wenn es nicht so sonnig und warm wäre, könnte man meinen in Norwegen zu stehen. Ursprünglich handelt es sich um Täler, die vor ein paar Millionen entstanden und dann durch den ansteigenden Meerespiegel geflutet wurden.

Wir wandern weiter, der Weg ist schmal und steil. Wir passieren eine Gruppe junger Leute, die bei Bier und Zigaretten entspannen. Dabei besteht in dieser Region die höchste Waldbrandstufe. 40 km weiter westlich von Marseille stehen riesige Flächen in Brand. Hier gibt es immer wieder riesige verheerende Waldbrände, die oft von massiven Regenfällen gefolgt werden. Angefacht werden die Brände vom Mistral, einem sehr trockenen Wind, der das Rhonetal heruntersaust Richtung Mittelmeer. Woher wir das wissen? Nun ja, einen Brand haben wir zum Glück nicht gesehen, aber sämtliche Folgen einer Serie über die Feuerwehr hier in Südfrankreich mussten wir uns reinziehen – auf Wunsch eines einzelnen Herrn (und der bin nicht ich…). Die Serie lief in der Mediathek des ZDF.

Noch eine Biegung und wie können in der Ferne einen türkisen Fleck ausmachen: Die Buchten der Calanques. Boote dümpeln hier, ein paar Yachten und Leute schwimmen im Wasser. Wunderschön!

Les Calanques

Am Abend fahren wir in der untergehenden Sonne am Meer entlang von Cassis nach La Ciotat. Es ist eine atemberaubende und wunderschöne Strecke. Die Strasse windet sich teilweise auf den Bergrücken, manchmal direkt auf dem Grat entlang, zur einen Seite ist der relativ sanfte Hang mit Bäume gesäumt, zur anderen Seite treffen die Felsen fast senkrecht auf das Wasser. Wohlbemerkt geht es gaaaanz weit runter.

Zwischen Cassis und La Ciotat

Antoines Verschwinden

Der Blick schweift wieder in die Ferne. Dort hinten, über dem offenen Meer irgendwo, verschwand Antoine de Saint-Exupery, der Autor des weltbekannten Textes “Der kleine Prinz” am 31. Juli 1944 mit seinem Aufklärungsflugzeug. Von Korsika kommend war er auf dem Weg nach Grenoble, wo er jedoch nie ankam. Ob seine Maschine abgeschossen wurde, ein technischer Defekt die Ursache war, oder gar ein Suizid des depressiven Autors, ist nicht endgültig geklärt. Lange war unklar, wo das Flugzeug abgeblieben war, bis ein Fischer 1998 das Armband Saint-Exuperys im Netz hatte. Zwei Jahre später schließlich wurden die ersten Teile der Lockheed F-5 gefunden, und 2003 schließlich geborgen.

Grand Canyon in Frankreich?

150 km liegen zwischen unserer “Plansch-Residenz” und einer der tiefsten Schluchten: Die Schlucht von Verdon. Nicht zu verwechseln mit der Schlacht von Verdun! Je nachdem, welche Quelle man heranzieht, gehört dieser Canyon mit ewa 700 m Tiefe zu den Top 5 oder sogar Top 3 der tiefsten Schluchte in Europa. Die Tiefe der Tara-Schlucht in Montenegro wird gar mit 1300 Metern angegeben! Der Verdon-Fluß ist hier 21 km lang und mündet in einen großen Stausee, dem Lac de Sante Croix. Dieses Naturgebiet lockt vor allem im Sommer Unmengen von Besuchern an. Kein Wunder, immerhin kann man in dieser atemberaubenden Landschaft viel unternehmen: Wandern, Klettern an steilen Felswänden, sich mit Flugdrachen hinabstürzen oder sich in den eiskalten Fluten halbrecherisch flußabwärts treiben lassen.

Schlucht von Verdon

An einer wunderbaren Stelle folgen wir den Menschenmassen und steigen hinab zum Ufer des Flusses. Das Wasser ist kalt, mehere Gruppen von abenteuerlustigen, zumeist jungen Leuten, werden von ihren Guides instruiert, um anschliessend mit Helm und Neoprenanzügen die Schlucht rücklings bis zum Stausee zu erkunden.

Uns sind das eideutig zu viele Menschen hier, aber nicht wegen Corona, sondern der Natur und dem Erlebnis wegen. Die Fahrt entlang des Flusses ist abenteuerlich. Die Strasse schlängelt sich zeitweilig schwindelerregend an an den Felsen entlang. Er bieten sich immer wieder atemberaubende Ausblicke.

In der Tiefe des Canyons

“Lui Kartors*” und deutsche Exilanten

*Ludwig der XIV, auf französisch Louis quatorze 😉

Die Tage vergehen wie im Flug. Das Wetter ist super, fast schon manchmal zu heiß, selbst für mich. Dafür ist das Meer fantastisch. Vor der bevorstehenden Rückreise verabschieden wir uns mit einem Besuch auf dem Hausberg von Toulon, der Hauptstadt des Departement Var. Hier oben hat man einen wunderbaren Ausblick auf die 170.000 Einwohnerstadt mit ihrem riesigen Marinehafen. Hier ist der Heimathafen der französischen Mittelmeerflotte. In der Ferne kann man die Umrisse eines Flugzeugträgers und dreier U-Boote erkennen.

Schon vor etwa 500 Jahren gab es hier einen Militärhafen, der unter Ludwig dem XIV ausgebaut wurde. Die Flotte eroberte von hier aus das Mittelmeer (u.a. mit der sogenannten Schwarzmeerflotte) und ließ sich selbst auch dreimal versenken bzw. versenkte sich selber, zuletzt 1942 um sich den deutschen Besatzern zu entziehen .

Toulon mit seinem Militärhafen vom Mont Faron aus gesehen

Während eine Fähre in die Bucht steuert, flackern in der Dämmerung die ersten Lichter der Stadt auf. Unweit vom Hafen erstreckt sich westlich unseres Campingortes die Gemeinde Sanary-sur-mer. Hier, malerisch gelegen und vom besten Wetter gesegnet, befand sich über Jahre die Exilheimat vieler deutschsprachiger Künstler und Dichter, die vor den Nazionalsozialisten flüchteten. Unter ihnen keine Geringeren als Heinrich und Thomas Mann, Arnold Zweig, Bertholt Brecht und Lion Feuchtwanger, um nur wenige zu nennen.

Mahnmal auf dem Mont Faron bei Toulon

Die Deutsche Gemeinde hatte nicht nur vor den eigenen Wehrmachtstruppen und NS-Schergen Repressalien zu erwarten, sondern später auch von den Franzosen selbst: Ihnen wurde nicht getraut und viele zumindest für einige Zeit sogar interniert. Von den Greuel des Zweiten Weltkriegs zeugt heute ein Mahnmal mit Museum und einem amerikanischen Panzer und wenigem anderen Kriesgerät. Doch die Natur samt eines Zoos sprechen uns mehr an. Wir belassen es allerdings bei einem ausgedehnten Spaziergang im unendlich trockenen Wald.

Wundebarer Wald – höchste Waldbrandstufe

Irgendwann ist die Zeit dann aber wirklich rum und wir müssen uns entscheiden, wie wir die restlichen Tage verbringen wollen – und vor allem wo. Vielleicht bei meinem alten Kollegen Steffen (aus Bahrain) vorbeischauen in der Schweiz? Naja, ist etwas kurzfristig. Ausserdem wollen wir eine andere Route fahren, als auf dem Hinweg. Wir entscheiden uns für ein paar Tage im Tessin. Wir reservieren einen Campingplatz im südlichen Teil des Kantons, nicht weit von Lugano entfernt.

Die Bilder der Corona-Krise in Italien ist immer noch in unseren Köpfen, daher beschliessen wir, durch Italien (leider) nur durchzufahren. Zuletzt tanken wir hinter Nizza, die erste und einzige Pipi-Pause machen wir in einem Waldstück abseits der Autobahn nahe Genua. Bloß keinem Menschen begegnen. Weiter geht es durch die Po-Ebene und wir kreuzen den Fluss Ticino, der dem italienischsprachigen schweizer Kanton den Namen gibt: Tessin, italienisch Ticino. Schon haben wir Mailand passiert und mit Como sind wir auch schon in den Alpen wieder angekommen. Ein paar Kilometer weiter sind wir schon in Chiasso, der ersten schweizerischen Stadt.

Unser Campingplatz liegt auf einem Berg nahe der Ortschaft Meride. Die sogenannten “Facilities” sind ausgezeichnet: nicht nur Sanitäranlagen, sondern auch Kühl- und Gefrierschrank, Mikrowelle,… Nur das Zelt oder das Campingmobil muss man selber mitbringen.

Camping Meride, Tessin

Wir stellen das Zelt auf, essen und lassen den Abend ausklingen. Gegen 5 Uhr werden wir unsanft geweckt: Donnerschlag gang in der Nähe. Es blitzt. Wir sind hellwach. Da wir sehr großen Respekt vor Gewitter im Freien haben und dazu noch auf einem Berg sind, wollen wir nicht auf den Blitzeinschlag warten. Schnell gehts rein in die Buchsen und wir stürmen zum Auto nach unten. Kaum angekommen, setzt ein massiver Regen ein, Blitze, Donner. Wir machen es uns im Auto bequem und versuchen noch etwas zu schlafen. Gegen 7 Uhr etwa, ist der Spuk vorbei.

Beene hoch und abwarten

In der zweiten Nacht passiert genau das gleiche. Wiede stürmen wir wie die Kranken nach unten ins Auto. Wohlbemerkt: wir sind die einzigen! Alle anderen schnarchen weiter vor sich hin. Sind wir jetzt die Verrückten? Wir bekommen langsam Zweifel. Eine kurze Recherche im Internet ergibt: Wir machen es richtig! Das Zelt ist kein Schutz, das befindet auch der Verband Deutscher Elektrotechniker.

Ich habe dazugelernt: am Abend des dritten Tages will ich dem Schlafen im Sitzen zuvorkommen und bereite das Auto vor. Ein paar Sachen umgepackt, die Rücklehne umgeklappt, die Vordersitze maximal nach vorne geschoben und fertig! Ich staune über unser Auto: 2 Erwachsene und ein kleines Kind können mit ausgestreckten Beinen im Auto liegen, ohne die Karosserie zu berühren! Das hätte ich nicht gedacht! Jetzt kann das nächste Gewitter kommen! Doch dieses Mal bleibt es aus! Froh bin ich trotzdem, immerhin brauchen wir nicht im Dunkeln durch die Gegend zu latschen.

Lugano

In den folgenden Tagen erkunden wir Lugano und Locarno. Wunderschöne Städte, die immer wieder die unterschiedlichsten Menschen anzogen: Franz Kafka, Richard Strauss, Hardy Krüger, Caterina Valente lebten zumindest zeitweilig in Lugano. Die Schwesterstadt Locarno am Lago Maggiore beheimatete u.a. Karl Bleibtreu, Kleists Bettelweib (von Locarno) und der in Osnabrück geborene Erich Maria Remarque, um nur wenige zu nennen. Durch die Lage an der Südseite der Alpen muten Klima und Vegetation mediterran an, sogar Palmen säumen hier die Strassen. Im Hintergrund die schneebedeckten Walliser und Berner Alpen.

Mit der Zahnradbahn auf den Monte Bré

Über Lugano trohnt der Monte Bré, 900 m etwa über dem Meeresspiegel. Eine Zahnradbahn bringt uns hinauf. Nico freut sich über die aufregende Zugfahrt von etwa 15 min. Unser Portemonaie auch: schlappe 50 Eier kosten 15 min rauf und runter für 2 Erwachsene! Aber was solls, das Gewitter verzieht sich gerade und mit den wärmenden Sonnenstrahlen geben die Wolken den Blick frei auf den Luganer See. Ein Wahnsinns-Ausblick!

Ausblick auf den Luganer See

Weder Römer noch Lilliputaner

Nördlich von Locarno liegt das Verzasca-Tal, durch das der gleichnamige Fluß fliesst. Das Flussbett ist eng und die Strömung mitunter schnell. Aber es gibt eine bekannte Brücke, die Ponte dei Salti. Zwar wird sie fälschlicherweise als Römerbrücke bezeichnet, aber sie wurde erst im 17. Jahrhundert als Steinbrücke erbaut. Sicherlich gibt es höhere und spektakulärere Brücken. Genau genommen ist sie sehr klein, aber unter ihr hat der Fluß eine Schneise in die Felsen geschliffen. Sie ist nur so breit, dass zwei Leute nebeneinander laufen können. Zudem ist die seitliche Begrenzung noch nicht einmal hüfthoch. Weder Lilliputaner noch schwäbische Sparsamkeit waren ein Grund dafür, sondern Esel: die Arbeitstiere waren zu beiden Seiten mit Säcken bepackt und waren damit deutlich breiter als das Tier selber. Damit es aber trotzdem durchpasste, wurde die Mauer eben niedrig gehalten und die Säcke konnten darüber schweben.

Die “Römerbrücke” Ponte dei Salti

“Ich will noch ein bisschen Idioten gucken!”

Heutzutage sind die Besucher auch wie die Esel: massenweise latschen sie über die Brücke, die kleinen Parkplätze entlang des Tals hoffnungslos überfüllt. Und: ein Leute springen in die Fluten. Sogar Kinder sind dabei. Ist das hier legal so? Wir nehmen etwas Abstand, aber Nico ist fasziniert. Nicht etwa, dass er das auch machen möchte. Olga erklärt ihm die Situation und dass das ganz und gar nicht ungefährlich ist – idiotisch um es einfach zu sagen. Und dann, als wir gehen wollen sagt er doch glatt: “Mama, ich will noch ein bisschen Idioten gucken”. Zum Glück sagt er es auf Russisch 😉

Im Verzasca-Tal

Abstecher nach Italien

Wusstet Ihr, dass Italien von der Schweiz umgeben ist? Naja, zumindest ein kleines Bisschen: Unweit von Lugano, mitten in der Schweiz, liegt Campione, eine italienische Exklave. Sie ist nur 2,6 Quadratkilometer groß und die Häuser stapeln sich am Berghang. Die schönen Grundstücke reichen bis an das Ufer des Luganer Sees. Ursprünglich war es von einem langobardischen Herrscher dem Kloster Sant’Ambrogio in Mailand vermacht worden. Anschliessend gab es immer wieder ein paar Streitigkeiten, aber sowohl Napoleon Bonaparte wie auch die Verhandlungen des Wiener Kongresses standen dem kleinen Landzipfel eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber der Eidgenossen zu, bis es im 19. Jahrhundert Teil des Königreiches Italien wurde. Mussolini gab der Siedlung noch den Zusatz ” d’Italia”.

Torbogen von Campione, links im Hintergrund Lugano

Erst ab diesem Jahr (2020) ist es Teil der Europäischen Zollunion. Nicht etwa, dass es viel zu exportieren gäbe: der einzige Wirtschaftszweig war ein Casino, dass aber inzwischen pleite ist. Es stammt aus der Zeit des Erste Weltkriegs. Durch die (bisherigen) Steuervergünstigungen oder -freiheiten, hatten sich auch andere Europäer hier angesiedelt, u.a. Prominente wie Mario Adorf. Übrigens: ein Teil Deutschlands ist ebenso von der Schweiz umgeben: Büsingen am Hochrhein, nahe Schaffhausen.

Dahinter und doch daneben

Die Tage vergehen und irgendwann ist der Tag der Abreise gekommen. Unser nächstes Ziel heisst Würzburg. Die Fahrt geht über den San Bernardino. Bevor es durch zahlreiche Tunnel geht, machen wir noch einmal eine kurze Pause. An einem Rastplatz vertreten wir uns die Füße, nehmen die gepflegten Sanitäranlagen in Anspruch und geniessen den Ausblick hinter dem Gebäude.

Ein Kleinbus mit deutschem Kennzeichen kommt an und drei junge Leute steigen aus. Die Männer eilen schnellen Schrittes hinter das WC – und fangen an, an den Zaun zu pinkel. Genau in dem Moment will ich mein Foto machen. Hä? Was? Hab ich was nicht verstanden? Da steht eine saubere kostenlose (!) Toilette und die Jungs pinkeln dahinter?

Auf dem Weg zum San Bernardino

Na das ist ja ne Glanzleistung, hinter die Toilette zu pinkeln! Die steht doch hier!“, rufe den Jungs freundlich zu. Leichtes Gelächter, sie sind gut drauf. Während sie anfangen, Ihre “Geräte” wieder zu verstauen, versuche ich es anders: “Desch isch koa guate Sach, wenn d’Schwietzer Pulizei kommt, dan ziehts Eich die Schwänzli long un machts a Knötli nei!” (Das ist keine gute Sache, wenn die Schweizer Polizei kommt, dann ziehen die Euch den … lang und machen einen Knoten rein) versuche ich es auf gefälschtem Schwizerdütsch. “Ach die sind eh zu klein” antwortet der Eine. Eine so ehrliche Antwort hatte ich nicht erwartet. “Die habens abrr a Pinzettli dabi!” (Die haben auch eine Pinzette dabei) rufe ich amusiert, während die Jungens hektisch werden und schnell wieder abfahren. Was für ein Spaß! Odrrr nööööt…?

Blick von der Festung Marienberg auf den Main und Würzburg

Am Nachmittg kommen wir in Würzburg an. Zwei Nächte campen wir gemeinsam mit Verena, unserer guten Freundin aus Bahrain. Yousha, ihr Sohn ist auch dabei. Nico hat sich schon lange auf ihn gefreut und die beiden verstehen sich sofort wieder prächtig. Wir verbringen wunderbare Stunden, erkunden die schöne Stadt Würzburg decken uns ein: sie hat sich als Aromatherapeutin fortgebildet und beschäftigt sich mit Ölen. Öle sind ja bekannt für heilende Wirkungen auf den Körper.

Eines der Öle, die man auch über einen Diffusor verdampfen lassen kann.

Nico wurde am letzten Tag in Würzburg von einer Wespe direkt ins Gesicht gestochen. Dank des Öles konnten Schmerz und Schwellung schnell in Schach gehalten werden. Da war ich echt beeindruckt! Aber auch auf die Psyche üben die Öle ihre Wirkung aus: Da sie über unseren Riechkolben direkt ins Hirnli gehen, können sie binnen Sekunden Emotionen auslösen und beeinflussen. Wir informieren und versorgen uns für die nächsten Monate. Der Winter wird hart werden und nichts ist besser, als wenn man zu Hause in solchen Zeiten für eine angenehme Athmosphäre sorgen kann…

Wer mehr erfahren möchte kann hier gerne mal reinschauen: Verenas Seite bei Instagram.

https://www.instagram.com/oelsandco/

Der Tag unserer Heimreise ist gekommen, aber so weit ist es jetzt auch wieder nicht. Pünktlich 10 km vor Osnabrück passiert das, was es immer in Osnabrück gibt: es regnet… *

(*Osnabrück gehört zu den regenreichsten Städten Deutschlands)

Tachostand am Ende der Reise. Der Verbrauch lässt sich sehen
Unsere Reiseroute im Überblick (GoogleMaps)

Ein wunderschöner Urlaub in einer anstrengenden Zeit ist zu Ende. Dass Urlaub immer zu kurz ist, versteht sich von selbst, aber vielleicht reicht ja die getankte Wärme und Sonne, um uns die nächsten Monate gut zu überstehen. Bleibt alle gesund!

“Und es fängt schon wieder an…”

Das, was hier so nach dem Lied von Andrea Berg klingt (nicht meine Musik übrigens), ist in Wirklichkeit auf die neue Corona-Welle bezogen.

Eigentlich wollte ich ja unsere Sommerreise nach “Frongreisch” (Frankreich) beschreiben, aber die kommt demnächst. Jetzt brennt mir etwas anderes auf der Seele.

Es geht wirkich schon wieder los! Nicht nur die Zahlen gehen in die Höhe, sondern auch die Menschen drehen schon wieder vermehrt am Rad. Der Egoismus entfaltet sich.

Neuestes Beispiel: die Grippeimpfungen. Nachdem wir sie jahrelang wie sauer Bier angepriesen und die Menschen bekniet haben, sich impfen zu lassen, rennen sie uns jetzt die Bude ein. Los ging es zunächst langsam 2017/2018 , als die schwere Grippewelle mit ca. 20.000 Toten über das Land gefegt war.

Und jetzt wurde weltmeisterlich für die Impfungen geworben – aber nicht weltmeisterlich produziert. Es gibt wieder zu wenige Impfungen, obwohl unser Gesundheitsminister sich selber medienwirksam impfen ließ. Generell eine gute Idee, vor allem wenn man neben Corona nicht auch noch eine Infektion mit dem Influenza-Virus bekommen möchte, vor allem, wenn man Vorerkrankungen hat (Bluthochdruck, Diabetes, Krebserkrankungen usw.).

Also belagern die Menschen die Praxis (bestimmt nicht nur unsere) und wollen geimpft werden. Da es nicht genügend Impfdosen gibt, können erst einmal nur diejenigen geimpft werden, die es wirklich nötig haben: schwerkranke Menschen. Das scheinen aber Viele nicht zu verstehen und fordern lautstark Erklärungen, warum sie jetzt nicht zu den “glücklichen Empfängern” gehören. Der Umgangston wird rauher.

Business

Einige sagen beleidigt “Dann bezahle ich es eben privat! Geben Sie mir ein Privatrezept!” Nein, auch das ist falsch! Es geht nicht um die Kröten, sondern, dass Diejenigen die Impfung bekommen, die am gefährdesten sind!

Die nächste Stufe: Der Patient rennt zum Apotheker, der noch Einzelimpfungen vorrätig hat (manchmal). Diese sind aber viel teurer als die Großpackungen und der Apotheker kann daran mitverdienen. Für die lohnt es sich wohl schon, wenn sie die auf Privatrezept verkaufen. Also ruft der Apotheker an und sagt “Ich brauch ein Privatrezept für Hernn/Frau Müller“… Wie unverschämt ist das? Auch das machen wir natürlich nicht mit!

Ein älterer Patient, der noch eine Impfdosis abbekommen hatte, kam in die Praxis, um sich die Spritze geben zu lassen. Er machte den Arm frei und die Arzthelferin gab ihm die Spritze. Anschliessend monierte er “Na, haben sie mir die jetzt auch wirklich gegeben, oder haben sie mir Kochsalz gespritzt?” Was ist mit den Menschen los???

“Haben die nen Nagel im Kopp?”

So drückt eine Arzthelferin ihr Erstaunen aus, und mal ehrlich: Recht hat sie!

Pro Tag machen wir zwischen 15 und 20 Corona-Tests. Immer schön im Kosmonauten-Anzug. Am Dienstag stellte sich mit Halsschmerzen und Husten vor, weigerte sich aber, den Corona-Test zu machen. Das sei alles nur, um uns zu kontrollieren und sie glaube daran nicht und überhaupt….

Der Wahnsinn zieht aber viel weitere Kreise, die ich so gar nicht widergeben könnte. Daher zitiere ich hier einen Brief einer anonymen Arzthelferin, die den aktuellen Alltag porträtiert:

“Sehr geehrte Damen und Herren,ich wende mich verzweifelt an Sie weil wir, Medizinische Fachangestellten, am Ende unserer Kräfte sind. Wir sind uns natürlich darüber im klaren, daß wir aufgrund der Corona Pandemie unseren Praxisablauf umstrukturieren und neu organisieren müssen, dennoch ist der Praxisalltag für die meisten MFA’s einfach nicht zu schaffen, es gibt etliche Kolleginnen, die kurz vor einem Burn-Out stehen und/oder sich beruflich umorientieren, weil der Beruf nichts mehr mit dem zu tun hat, welchen man erlernt hat.Dass Corona sich auf den Gemütszustand mancher Menschen auswirkt, ist bekannt, aber dass so viele MFA’s den Unmut täglich abbekommen, darüber spricht niemand.Es wird fast täglich in den Medien darüber berichtet, dass es nicht genug Pflegepersonal in den Krankenhäusern gibt, dass die Gesundheitsämter überfordert sind mit der Kontaktnachverfolgung, dass Ordnungsämter mit den Kontrollen neuer Regelungen nicht nachkommen uswWas ist mit den Arztpraxen? Man könnte meinen, sie existieren überhaupt nicht! Das war im März/April auch schon der Fall und das, obwohl WIR die ERSTE Anlaufstelle für Patienten sind!WIR sind tagtäglich (und das vom 1. Tag an) immer direkt an “der Front” und es ist mehr als ein Schlag ins Gesicht für uns, dass man uns einfach vergisst.Es gibt aktuell mehrere Problematiken, mit denen wir zur Zeit zu kämpfen haben:

1. Grippe- Impfungen:Wir haben unseren Bestand fast aufgebraucht. Wir hatten extra mehr Impfdosen vorbestellt als die Jahre zuvor. Haben eine Teillieferung erhalten und der Rest steht noch aus. Wann und ob wir die Lieferungen erhalten kann uns niemand klar beantworten, aber in den Medien wird groß verbreitet es seien genügend Impfdosen vorhanden. Erklären Sie jetzt mal den Patienten, wo der Fehler liegt, denn schließlich wurde Ende August groß in den Medien berichtet, dass dieses Jahr genügend Impfdosen zur Verfügung stehen und es zu keinem Engpass kommen wird. Es stand in den Zeitungen, dass es genug gibt, und natürlich stimmt immer das, was in den Medien verbreitet wird.Das gleiche gilt für Pneumokokken- Impfungen. Das Gesundheitsministerium ruft groß dazu auf, sich auch gegen Lungenentzündung impfen zu lassen, aber der Impfstoff ist seit WOCHEN NICHT LIEFERBAR!!Dass dieses allein tagtägliche Diskussionen nach sich zieht, können Sie sich bestimmt vorstellen, aber das ist noch nicht alles.

2. Abrechnung der Abstriche (vorgegeben durch die Kassenärztliche Vereinigung)Es ist eine absolute Katastrophe!!Es wird unterschieden: Abstriche für Patienten mit Erkältungssymptomen ohne persönlichen Kontakt zu nachgewiesen COVID-19 Fall; Abstriche für Patienten mit Kontakt zu COVID-19 Fall, Asymptomatisch; Abstriche für Patienten mit Symptomen und Kontakt zu COVID-19 Fall; Abstriche für Reiserückkehrer aus dem Ausland aus einem Risikogebiet; Abstriche für Patienten mit einer Warnung durch die Corona warn App; Abstriche für Lehrer/KITA Beschäftigte; Abstriche für Personal aus Krankenhäusern/Arztpraxen/PflegeheimenAll diese Anspruchsberechtigten haben ein UNTERSCHIEDLICHES Abrechnungsverfahren (anderer Laborschein, andere Abrechnungsziffern, andere Diagnosen- Kodierung usw) welche sich, und es ist absolut nicht mehr tragbar, seit Juli regelmäßig ÄNDERN!!! Alle paar Wochen bekommen wir ein Fax von der KV, mit NEUEN Abrechnungsleitlinien, die ab SOFORT gelten. Es bleibt in diesem hektischen Praxisalltag und in der Akutversorgung nicht genügend Zeit, sich mit diesen Administrativen sich ausreichend in Ruhe zu beschäftigen, geschweige denn direkt so umzusetzen. Das hat zur Folge, daß nachgearbeitet werden muss, um die Patienten die zu den diversen Abstrichen da waren richtig abzurechnen, also Überstunden. Was das für eine nervenaufreibende Arbeit ist, kann ich gar nicht in Worte fassen.Die Durchführung der Abstriche in Abstrichzentren, wie es zu Beginn der Pandemie organisiert war, wäre eine Erleichterung, aber da die KV der Meinung ist, die niedergelassenen Ärzte schaffen das schon, bekommen viele Testzentren keine Genehmigung.

3. Jeden Tag gibt es bei uns vor der Praxis Auseinandersetzungen zwischen den Patienten, welche wir MFA’s schlichten müssen. Da wir räumlich eingeschränkt sind, was die Anzahl der Patienten betrifft, die sich in der Praxis aufhalten dürfen, müssen die Patienten leider teilweise draußen warten, um sich anzumelden, bis sie zur Behandlung dran sind usw. Das sorgt ebenfalls für Unmut bei den Patienten, denn es ist ja jetzt schließlich kalt und manchmal regnet es auch. Können Sie sich vorstellen, wer diesen Unmut jeden Tag zu spüren bekommt? WIR MFA’s!!Wir haben eine Infektsprechstunde eingerichtet, für Patienten welche Erkältungssymptome haben. Diese sollen sich vorher telefonisch in unserer Praxis melden, um einen Termin dafür zu vereinbaren. Wenn der Termin eingetragen wurde, muss direkt alles für den Abstrich vorbereitet werden. Das kostet Zeit. Zeit, die man in der Anmeldung nicht hat. Somit müssen die Patienten warten, die gerade da sind, um sich anzumelden und auch das Telefon kann in der Zeit nicht bedient werden. Dies hat zur Folge, dass die Telefonanlage permanent durchgehend besetzt ist. Patienten beschweren sich am laufenden Band, dass sie uns nicht erreichen können. Sie kommen sogar teilweise mit ihren Erkältungsbeschwerden in unsere Praxis, obwohl sie wissen, daß es nicht erlaubt ist, und sie sich telefonisch anmelden müssen, aber telefonisch kommen sie nicht durch, weil keine Kollegin immer Zeit hat um direkt die eingehenden Telefonate entgegen zu nehmen. Es ist ein nicht enden wollender Kreislauf.

Es ist nicht auszuhalten, denn es gibt keine Sicht auf Besserung der Situation, der Winter kommt erst noch und es kann einfach so nicht weiter gehen. Ganz davon abgesehen, daß wir am Telefon von den Patienten teilweise beschimpft und/oder beleidigt werden, sind wir jeden Tag einem großen Infektionsrisiko ausgesetzt, da nicht genügend Schutzkleidung zur Verfügung steht (auch da werden Seitens der Regierung öffentlich andere Aussagen getätigt).Nach der neuen Testverordnung dürfen wir MFA’s uns auch 1x wöchentlich präventiv auf das Corona Virus testen lassen. Ganz aktuell haben wir dazu heute am 22.10.2020 ein Schreiben von unserem Labor erhalten, dass die KV lediglich für uns MFA’s die Kosten für Anti-Gen Tests übernimmt, jedoch nicht die Kosten für die üblichen PCR Testungen, welche die KV für ALLE ANDEREN ANSPRUCHSBERECHTIGTEN ÜBERNIMMT!! Bedeutet im Endeffekt: alle dürfen einen üblichen Rachen-Nasen Abstrich bekommen und die Kosten dafür trägt die KV, nur für uns MFA’s nicht!! Es ist unfassbar! Sind wir weniger wert als Pflegekräfte und Krankenschwestern, oder Reiserückkehrende?

Ach ja, nebenbei läuft der reguläre Praxisalltag ja auch noch. Dass Deutschland, im Vergleich zu jeglichen anderen EU Ländern momentan noch nicht so einen eskalierenden Verlauf hat, ist zum Großteil den Hausarztpraxen zu verdanken, denn WIR sind die erste Anlaufstelle. Dies äußerte auch der Vorstand der KBV, Dr. Gassen. Die mangelnde Wertschätzung unserer täglichen Arbeit ist sehr enttäuschend. Es gibt noch viele diverse weitere Punkte, aber mein Anliegen ist es gerade, es irgendwie zu schaffen, dass auch die Öffentlichkeit erfährt, wie es wirklich in den Arztpraxen zugeht und es nur eine Frage der Zeit ist, bis eine nach der anderen zusammen bricht und nicht mehr kann.Wir wissen uns einfach nicht mehr anders zu helfen und hoffen auf einen kleinen Erfolg für uns.Mit freundlichen Grüßen,Eine MFA”

Ich kann mich dem Brief vollkommen anschliessend. Wir haben zwar momentan (!) genügend Schutzausrüsung (wie lange noch?), aber Streit schlichten zwischen Patienten, die im Hausflur rumlungern (obwohl nur 2 Patienten dort gleichzeitig sein dürfen) und den Hausbewohnern, müssen die Arzthelferinnen (MFA) ständig. Wir haben uns inzwischen “Notklingeln” für die Sprechzimmer besorgt, um bei Bedrohung auf uns aufmerksam zu machen…

Wir werden in den nächsten Monaten wahrscheinlich zunehmend weniger Medizin machen und dafür hauptsächlich Seuchenbekämpfung und Katastrophenbewältigung – und Papierkrieg. Die Gesundheitsämter kommen nicht mehr hinterher und die Hausarztpraxen werden überschwemmt. Das bindet Kräfte (s.Brief). Ich habe Sorge, meine Patienten mit anderen wichtigen Erkrankungen nicht mehr richtig versorgen zu können…

Aktuelle COVID-19 Zahlen des Robert-Koch-Instituts (tägl. aktualisiert): RKI-Dashboard

Quelle anonymer Brief der MFA: Hausarztpraxis Dr. med. Bahar u. Björn Hollensteiner

Enddarm-Stimmung

Eigentlich sollte die Überschrift “Endzeit-Stimmung” lauten, aber da haben sich wohl meine filigranen Fingerchen etwas verhaspelt… 😉

Seit meinem letzten Beitrag haben sich die Ereignisse überschlagen. Während vor Kurzem noch meine anstehenden Zahnarzttermine meinen Puls höher schlagen ließen, so ist es jetzt die allseits gegenwärtige Corona-Krise. Corona hier, Corona da. Bei so viel Corona könnten werdende Eltern ihre Tochter glatt auch “Corona” nennen.

Nein, ich mache mich nicht lustig, es ist eher Galgenhumor. Wie soll man dieser Übermacht an negativen Schlagzeilen auch begegnen? Die Krise kam schneller und gewaltiger als erwartet. Die Menschen drehen am Rad und irgendwie scheinen die Gesetze dieser bis ins kleinste geregelten Welt infrage gestellt zu werden. Zeit und Raum bekommen im wahrsten Sinne eine neue Bedeutung. Man fühlt sich haltlos, ratlos, alleine gelassen. Unsicherheit macht sich breit. Dass es mir nicht alleine so geht, zeigen die irrationalen Handlungen verschiedener Mitmenschen: tonnenweise wird Klopapier gekauft (wenn nicht geklaut). Kann man in kürzester Zeit so viel Stuhlgang haben? Wieviel muss man dafür essen? Oder haben jetzt alle Reizdarm?

Passend zum Thema brachte die Medical Tribune diesen Artikel mit dieser genialen Überschrift samt schmackhaftem Bild

Wie im schlechten Film

Die Menschen sind gestresst. Nach dem Klogang waschen sie sich wenigstens die Hände, wie die fehlende Seife in den Supermarktregalen zeigt. Waschmittel gibt es auch keines mehr… Ich kombiniere: massenhaft Reizdarm mit Inkontinenz oder muss man mehr waschen, weil es kein Toilettenpapier mehr gibt? Und dann das Desinfektionsmittel: nichts mehr da. Hygiene ist ja löblich, aber muss es denn auch desinfizieren sein? Brennt das nicht bei dem Reizdarm?

Verständlich, dass die Leute gereizt sind. Ob ich mal die Verkäuferin frage? Alleine schon die Silbe “Des-” läßt der Verkäuferin den Rachen zuschwellen. Hasserfüllte Augen, die Halsvenen gestaut. Dabei wollte ich doch nur meine Des-Orientierung äußern…

Die Obstregale sind auch leer, die Konserven ebenfalls. Bei so viel Obst und dann noch Nudeln und Konserven kann der Darm schon rumoren. Was ist los? Sind jetzt alle Prepper geworden? Steht der Russe vor der Tür? Olga lacht. “Ja so war das in den letzten Tagen der Sowjetunion auch!”. Stimmt, im Osten war das manchmal auch so. Frei nach der Devise: “Erst mal anstellen in der Schlange vor dem Konsum, auch wenn man nicht weiß was es dort gibt, es muss was seltenes sein!”

Leere Regale: “Wie im Osten”

Mal Spass beiseite. Das Ganze fühlt sich an wie im Film. Wann ist der bitte zu Ende? Die Leute sind wie wahnsinnig. Die Praxis ist gerammelt voll. Nachdem die Zahlen der positiv getesteten Corona-Infizierten im nahen NRW plötzlich in die Höhe geschnellt ist, glauben alle Corona zu haben. Anfang März erscheint das jedoch übertrieben. Aber alle wollen sich testen lassen! Wenige Tage später werden sie von den Arbeitgebern geschickt: weil sie nur mit negativem Testergebnis weiterarbeiten sollen, “muss jetzt der Hausarzt den Test durchführen”.

Auswahlkriterien für die Testung

Inzwischen ist ein Testzentrum in Osnabrück eingerichtet worden. Nur begründete Verdachtsfälle werden vom Gesundheitsamt gelistet und bekommen einen Termin: Personen, die Kontakt mit einer positiv getesteten anderen Person hatten oder in einem Risikogebiet waren und Symptome zeigen. Die Listung erfolgt ausschließlich über das Gesundheitsamt. Hausärzte können bei vorhandener Schutzausrüstung ebenfalls die Abstriche durchführen – theoretisch, denn uns fehlt die Ausrüstung! Daher sind wir nicht verpflichtet.

Alltag an der “Front”

In der nachfolgenden Woche rennen sie uns die Praxis aus einem anderen Grund ein: die Arbeitgeber möchten, dass die gesunden Patienten sich krank schreiben lassen, da sie den Betrieb z.T einstellen müssen (aus finanziellen Vorteilen). Doch das darf ich rechtlich nicht bei Gesunden! Sind die denn alle belämmert?

Zeitgleich beginnen wir, Patienten mit leichten oberen Atemwegserkrankungen telefonisch krank zu schreiben (neuerdings möglich). Die Tür wird verschlossen, die Patienten nur einzeln hereingelassen. Krankschreibungen und andere Dokumente wie Rezepte usw. werden am Fenster herausgegeben. Dadurch wird die Sprechstunde zwar etwas ruhiger, aber das Telefon klingelt ständig. Anspannung ist in der Luft.

“Houston, wir sind am Arsch!”

Inzwischen arbeiten wir mit den einfachen Masken, wohlwissend, dass die weniger uns selbst, sondern mehr unser Gegenüber schützen. Wir haben nach wie vor nicht genügend richtige Schutzausrüstung und stellen somit auch eine Gefahr für unsere schwerer erkrankten Patienten dar. Nicht nur die steigenden Zahlen, die Ungewissheit bzgl. des Virus, die allgemeine Unsicherheit, sondern auch der blanke Mangel an richtigen Masken gibt uns das Gefühl: “Wir sind am Arsch!”

Spätestens die Rundmail eines Ärzte-Verbandes macht mich völlig fertig: eine Anleitung zum Selberbasteln von Schutzmasken!!! Armes Deutschland!

“Wir sind gut vorbereitet”

Jens Spahn, Bundesgesundheitsminister, Januar 2020

Lambarene. Damit vergleicht eine meiner Kolleginnen die aktuelle Arbeitssituation. Lambarene ist eine Stadt in Gabun, zentrales Afrika. Hier hat Albert Schweitzer gewirkt und hätte sicherlich auch gewürgt, hätte er von unseren Zuständen gewusst. Ja das ist Afrika, dort werden z.T. noch medizinische Einmalhandschuhe ausgewaschen und zum Trocknen auf die Wäscheleine gehängt – und bestimmt auch Masken selber genäht

Sind wir also “gut vorbereitet”? Nach allem, was wir jetzt wissen, nein. Man muss die Verantwortlichen bei aller Kritik aber auch etwas in Schutz nehmen: dieses Ausmaß und die Geschwindigkeit waren nicht wirklich abzusehen, ein einmaliger Fall in Deutschland und Europa und der Welt! Man kann nicht milliardenfach hochwertige und teure Ausrüstung jahrelang parat haben, zumal die auch irgendwann vergammelt. Nach Hühner- und Schweinegrippe habe wir es gesehen: Berge von Impfstoffen und Medikamenten kosteten Milliarden und landeten schließlich ein paar Jahre später im Klo – womit wir wieder am Ausgangspunkt des Beitrags wären 😉

Die Wucht der Pandemie war so nicht vorhersehbar. Allerdings ist es fraglich, wie Schlüsselindustrien verkümmern können, ohne dass man ein “Backup” hat, eine Möglichkeit die Produktion schnell hochzufahren. Im Herbst 2019 gab es bereits vor Corona einen Engpass an “primitivsten” Medikamenten: z.B. war Ibuprofen 600 mg (ein Schmerzmittel) über Wochen bis Monate nicht lieferbar! Wie geht denn so etwas? Ganz einfach: in Deutschland ist die Produktion für dieses extrem billige Medikament zu teuer. Also wird es hier nicht mehr produziert, sondern vorwiegend in China und Indien!

Das steht ganz im Einklang mit der Philosophie, wie das Gesundheitswesen betrieben wird. Das Gesundheitswesen ist nicht erst mit der Corona-Krise an seine Grenzen gelangt, sondern war bereits vorher in einer Dauer-Krise! Aus Profitgründen wird seit der Einführung der DRGs/Fallpauschalen Raubbau am Personal aber auch materiell betrieben, und das in einem kriminellen Stil. Bereits unter “normalen” Bedingungen brannte das Personal aus. Das ist der eigentliche Skandal, eine stille Katastrophe vor der Katastrophe!

Jetzt soll dieses ausgemergelte Personal auch noch die zusätzliche Belastung stemmen?! Ja, das wird es, weil die meisten Mitarbeiter ein Verantwortungsgefühl haben. Die menschlichen “Kosten”, die die Mitarbeiter zahlen werden ist kaum abschätzbar!

Auf der anderen Seite warnten Forscher bereits bei den ersten Infektionen in Italien, dass sich das Virus von Süd nach Nord ausbreiten wird. Scheinbar tatenlos wurde hierzulande zugesehen, wie in Italien die Infektionen explodierten. Als dann bei uns die 10.000er Grenze überschritten wurde, wurde auf verschiedenen politischen Ebenen diskutiert. Während die meisten anderen Länder bereits drastische Maßnahmen einführten, wie Ausgangsperren, feierten die Menschen in Deutschland die ersten frühlingshaften Grillpartys im Park – oder Corona-Partys.

Natürlich gibt es unterschiedliche Bewertungen, was die Effizienz von Ausgangssperren angeht, aber man möchte sich nicht ausmalen, wie die Lage in Italien ohne diese aussehen würde. Natürlich kann keine Rede sein von einer derartigen Ausgangssperre, wie sie in Kriegsgebieten mitunter durchgesetzt wird, wenn auch zumeist eher als “nächtliche Ausgangssperre”. Letztendlich ist der Kontakt zwischen Menschen das Entscheidende und den gilt es zu unterbrechen oder zu vermindern. Traurig, dass jedes Bundesland bzw. Region das selber gestaltet.

Deutschland – eine Ansammlung von Egomanen

Individuelle Freiheitsrechte sind essentiell in einer gesunden Gesellschaft und man kann glücklich sein, dass es hierzulande genügend Menschen gibt, die dafür kämpfen würden, wenn es darauf an käme. Der “böse Zwilling” der individuellen Selbstbestimmung ist der Egoismus. Um den Wert einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft zu erhalten, muss man diese vor der potentiell zerstörerischen Art des Egoismus schützen. Eine Entfaltung des Einzelnen (oder einer Gruppe) auf Kosten einer anderen Person oder der Gesamtheit der Bevölkerung zerstört das gesellschaftswichtige WIR.

Beispiel Ausgangsbeschränkung oder Kontaktverbot: Man kann z.B. von einer zeitlich Ausgangsbeschränkung oder Kontaktverbot halten was man möchte. Wenn aber das “Egojede möglicherweise schützende angeordnete Maßnahme als fundamentalen diktatorischen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte deklariert, nur weil man nicht mehr seinen Cocktail in seiner Lieblingskneipe schlürfen darf, dann zeigt das deutlich die eigene Überhöhung über Andere und die Gemeinschaft. Dies kann auch als Desinteresse an der Gemeinschaft, von der dieser Einzelne im Übrigen generell noch profitiert, gewertet werden.

Beispiel Masernimpfung: Vor kurzem wurde die Masernimpfung als Pflichtimpfung eingeführt. Gerade als die Corona-Infektionen in Deutschland explodierten, meldeten die Medien, dass es erste Klagen von Eltern gegen die Impfung gebe. Daß diese Menschen sich durch die Impfung nicht nur selber schützen, sondern auch andere, die nicht geimpft werden können (da Lebendimpfstoff = für Immunsupprimierte nicht geeignet), daran denken diese Menschen nicht…

Überspitzt könnte man sagen, der so beschriebene Egomane “toleriert” die offene Gesellschaft, solange sie sich ihm nicht anstrengend wird oder gar im Weg stellt. Jede Person, die in einer “freien” Gesellschaft leben möchte, hat die Pflicht, diese zu erhalten. Dazu gehört auch manchmal der Verzicht und die Beschränkung zum Wohl dieser Gesellschaft. Wer dies nicht schafft wäre dann gewissermassen auch ein Beispiel für eine gescheiterte Integration