Aufbruch in ein neues (altes) Land

Teil 1 – Abreise und physisches Ankommen

Wir sind angekommen. Etwas mehr als ein halbes Jahr nach dem Umzug haben wir uns langsam eingelebt in unserer neuen Heimat. Die Familie fast um die Ecke, die Arbeit 10 min mit dem Fahrrad entfernt, das Auto muss nur noch wenig bewegt werden (was den Geldbeutel und die Umwelt freut). Das sind doch schon mal gute Vorraussetzungen.

Das war´s, die Wohnung ist leer.

Allerdings war dieses halbe Jahr auch eregnisreich. Alles begann mit dem Umzug. Bereits im April begannen wir zu packen, die Wohnung wurde schrittweise “zurückgebaut”, bis nur noch Kisten übrig blieben. Leider musste ich bis zum vorletzten Tag arbeiten. Meine Chefin sah angeblich keine Möglichkeit, mir mehr Urlaub zu geben. Das machte alles nicht einfacher. Schließlich kam der Transport-LKW der Umzugsfirma, die wir beauftragt hatten und die Wohnung war leer.

Genau das richtige Abschiedswetter

Die letzten 2 Nächte schliefen wir auf einer aufblasbaren Matratze meines Kollegen Bert, bevor wir in eine Gästewohnung des schwedischen Mietervereins umzogen. Zur Übergabe hatten wir glücklicherweise eine Firma für die Reinigung unserer alten Wohnung beauftragt, was zwar teuer war, sich aber als sehr klug herausstellte. Unser Vermieter fand ständig etwas zum Aussetzen und ließ die Putztruppe mehrere Stunden nachputzen! Aufpreis kostete das für uns allerdings nicht.

Endlich mal Sonne und etwas Wärme…

Am Tag unserer Abreise war es nebelig-trüb und kalt. Das störte uns jedoch nicht. Neben Nico und den Katzen war unser Auto mit jeder Menge Zeug vollgestopf, alles jedoch generalstabsmäßig sortiert, ansonsten hätte man nur die Hälfte unterbringen können.

Unser Ziel war Göteborg am Mittag zu erreichen und am frühen Abend die Fähre nach Kiel zu befahren. Zunächst ging es durch die fast herbstlich-winterlich anmutende Landschaft Mittelschwedens. Bei weitgehend fehlender Autobahn und Tempo 90 zog sich die Strecke in die Länge. Etwa 200 km weiter südlich von Falun bekamen wir ihn erstmals in diesem Jahr zu Gesicht: den Frühling. Auf einem Rastplatz wurden die Katzen und Nico Gassi geführt. Was für ein Spass!

 

Nico freute sich an den wärmenden Sonnenstrahlen und einer herumsurrenden Hummel, während die Maggi und Tonia tatsächlich die Chance wahrnahmen und das Katzenklo benutzten. Anschließend ging es weiter gen Süden. Tatsächlich klappte alles ohne größere Schwierigkeiten, sodaß wir am Abend die “Kabine für Passagiere mit Haustieren” beziehen konnten.

Diese ist bei den Fähren meistens mittig angelegt, sodaß man also kein Meerblick hat.Statt Kabine hätte man jedoch eher von “Zelle” sprechen können. Auf engsten Raum hatten wir als zwei Erwachsene und Baby schon Probleme, nicht auszudenken, wenn dann noch ein Rottweiler hätte Platz finden müssen, oder Herrchen ein kleiner Elefant gewesen wäre…

Nico und Maggi “eingeparkt”.

Die Belüftung war auch nicht besonders, weshalb wir die Tür den halben Abend offen ließen. Nach kurzer Eingewöhnung hatten sich jedoch auch unsere beiden Fellnasen mit der neuen Umgebung angefreundet.

Nach einem kleinen Frühstück ging es pünklich gegen 9 Uhr von Bord, sodaß wir unsere Reise Richtung Berlin rasch fortsetzen konnten.
Während mein Bruder in Osnabrück bereits den Umzugs-LKW in Empfang nahm und fleissige Helfer alles entluden (Danke!!!), hatten wir das nächste kleine Projekt zu meistern: Auflösung unseres Lagers in Berlin und alles nach Osnabrück karren. Zum Glück hatten wir auch hier fleissige Helfer, ohne die wird das nicht so ohne weiteres geschafft hätten (Danke u.a. Oxana und Daniel!).

Erstaunlich (praktische) Kombination. Hier kann man sich sprichwörtlich zu Tode saufen. – gesehen am U-Bhf Berlin-Mariendorf, der Friedhof ist 150m weit weg…

Mit einem gemieteten Transporter ging es dann wieder auf die Piste zur letzten Etappe: Berlin-Osnabrück. Auf halben Wege hatten wir das Glück, wieder unsere Weggefährtin Kristin mit ihrem kleinen Justus zu treffen.

Treffen mit Kristin

Ach wie herrlich!!! Wieder einmal wurde uns bewusst, wie sehr uns Bahrain und Middle East generell fehlen…

In Osnabrück angekommen wurden wir wärmstens empfangen. Nach ein paar Nächten auf einer Matratze gings erst einmal in ein preiswertes schwedisches Möbelhaus. Alles musste sehr schnell gehen, da ich bereits nach ein paar Tagen meine neue Stelle antreten musste. Daher verzögerte sich so einiges, sodaß wir noch immer nicht vollständig eingerichtet sind, und im Flur immer noch eine nackte Glühbirne von der Decke baumelt…

Ich “liebe” Umzüge… (aber wen es oft in die weite Welt zieht, muss diese Kröte schlucken)

Wie es einem so geht, wenn man wieder nach Deutschland zurück kommt, könnt Ihr im nächsten Blog lesen. Dann auch, ob wir jetzt eine richtige Lampe im Flur haben und warum Überlebensstrategien noch genauso aktuell sind wie in der Steinzeit…

Der Winter, der nicht enden will

So kommt es uns wenigstens vor. Während für Deutschland schon Temperaturen um die 15 Grad plus an den ersten Märzwochenenden agekundigt worden waren, erreichen wir Ende des gleichen Monats gerade einmal die „schwarze Null“ und ein paar mickrige Grade darüber.

schon wieder Winter.jpg

Noch einmal Schnee…

Heute scheint die Sonne und es ist etwas wärmer. Der Schnee war in den letzten Tagen schon ordentlich weggeschmolzen, bis es gestern nachmittag wieder kräftig anfing zu schneien. Aber es gibt Hoffnung: die Tage werden merklich länger, die Winterdepression weicht der Frühjahrsmüdigkeit .

Naturlich sollte es uns nicht verwundern, dass die warmen Jahreszeiten hier etwas kürzer und weniger großzugig ausfallen, was die Temperaturen anbelangt.

 

(Aus-) Rutscher

An einem Wochenende vor zwei Wochen schneite es noch einmal richtig kräftig. Unsere ehemaligen Nachbarn waren zuvor im Januar in ein anderes Haus, etwa 200m weiter hangab, gezogen. Um etwa 15  Uhr waren wir zur Einweihungsfika (Fika = “Kaffetrinken”) eingeladen. Nett so etwas. Also rein in die warmen Klamotten, den kleinen Knilch schön warm eingepackt und los gings. Natürlich hatte unser Vermieter, der auch für den Parkplatz und den anschliessenden Weg zuständig ist, nicht gestreut. Der Weg war extrem glatt. Nico lag in seinem MaxiCosi, dem Auto-Kindersitz fur kleine Würstchen. Wenn ihm langweilig würde, so könnte er darin etwas schlummern. Wie wir nun versuchten wie alte Leute den Weg nach unten zu ertasten, immer auf der Hut nicht doch auszurutschen, sah ich beim Blick nach hinten, wie ein alter schrottiger Golf 2 den Weg zum Parkplatz fand. Drinnen zwei junge Burschen. Der Fahrer liess den Wagen auf dem Parkplatz schleudern. Es war halt so schon glatt…

 

Mitgehangen, mitgefangen – ein “Doppelpack Pussies”

Wir stolperten derweil weiter nach unten, ich Nico im Kindersitz im linken Arm. Plötzlich ein Hupen.  Eigentlich unverschämt uns hier vom Weg zu nötigen. Ich machte einen Schritt zur Seite – und schon war es passiert! Ich flog so schnell, so schnell konnte ich gar nicht gucken. Neben mir ging Nico in seinem Stuhl zu Boden, Olga hampelte derweil irgendwo am Rande vor sich hin. Hinter mir war bereits das Auto. Zuerst fuhr es gegen mich, was ich in diesem Moment gar nicht merkte. Ich versuchte nur wegzukommen. Dann erwischte das Auto Nicos Stuhl. Olga schrie wie am Spiess und versuchte verzweifelt das Auto wegzuschieben.

Bei mir lief dann plotzlich ein ganz anderer Film: ich kann mich nur noch daran erinnern, dass ich zwei Halbstarke im Auto sah, die uns platt machen wollten. Ich sprang auf. Der kürzeste Weg zum Auto war das offene Beifahrerfester. Ich stürmte drauf los, sah die beiden Typen, die uns bedrohten und schlug zu. Dem Erstbesten, den ich bekommen konnte, wurde “eingeschenkt”. Voll auf die Glocke! Ich schaute nach Nico, der schreiend im Stuhl lag und zappelte. Gott sei Dank!!!! Ihm schien es gut zu gehen. Olga war unter Strom. Ich wandte mich den beiden zu, die nur im Auto sassen und auch schrien! Die zitterten vor Angst! Lol! Der Fahrer war bleich, stammelte nur etwas, dass er nicht hätte bremsen können und der Beifahrer, der was auf`s Auge bekommen hatte,  schrie wie am Spiess.

Olga war außer sich. Als sie die beiden kreischen sah, schrie sie nur: “Was schreit Ihr so, was seid Ihr nur für Pussies!!!” (lol 😉 )

Zunachst hatten sie noch Angst gehabt, dass ich weitermache, aber langsam beruhigte sich die Lage. Nur ¨das Auge¨ schrie noch. Ich untersuchte ihn noch kurz, aber er hatte nur etwas am Jochbein abbekommen, sozusagen “etwas angditscht“.

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Gelungene Werbung, oder?

Wie ein Tier war ich anscheinend auf die losgegangen. Eine Affekthandlung. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass ich mir nicht Zeit genommen hatte zum Fahrer zu spurten. In diesem Moment aber waren beide im gleichen Boot fur mich gewesen – und eine Bedrohung für meine kleine Familie! Unvorstellbar, was alles hätte passieren können, wenn Nico nicht im Kindersitz gesessen hatte!!! Er hatte schon beim Sturz sich den Kopf verletzen konnen und mit dem Autoreifen hatte er es erst recht nicht aufnehmen konnen…

Anschliessend gingen wir trotzdem noch zum Kaffeetrinken, am Abend schrieb ich eine saftige Email an den Hauseigentümer. Am liebsten hätte ich dem auch eine rübergebraten.  Am nachsten Morgen war überall gestreut…

Der Vater des ¨Auges¨ rief mich später an. Wir trafen uns in den darauffolgenden Tagen  um noch einmal darüber in Ruhe zu sprechen. Er wollte aber für seinen Sohn eine Entschädigung haben! Dazu könne er sich an seinen Kumpel und den Hauswart wenden, der nicht gestreut hatte, war mein Kommentar dazu.

Schon etwas dreist, immerhin hatten ja beide Buben Spass daran gehabt zu schnell und etwas verrückt zu fahren! Und wenn er nicht “im Weg” gewesen wäre, hätte ich ja auch den richtigen erwischt. Halt Pech gehabt, was muss er auch auf dem Beifahrersitz sitzen und die Augen so weit aufreißen… sorry!

 

Erklärter Ex-“Nutellist”

Natürlich gab es neben diesem Ereignis noch andere Dinge, mit denen wir uns beschäftigt haben. Z.B. den Kampf gegen den Zucker. Inzwischen bin ich stolz sagen zu können, dass ich “trockener Nutellist” bin. Ja, wirklich: ich esse kein Nutella mehr! Dieses geile cremige Zeug – nix mehr für mich. Ich versuche eigentlich ganz von der “süßen Droge” wegzukommen. Der Gesundheit wegen. Doch das ist wirklich extrem schwer! Es sind eigeschleifte Verhaltensmuster: ich habe Stress oder Langeweile, also öffnet sich die Luke und die Beisswerkzeuge werden aktiv.

“Immer rinn in die hohle Birne”  Das, was für alkoholische Getränke gilt, gilt für die Droge Zucker schon lange. Und: ist auch für unter 18 Jahren kein Problem zu bekommen und gesellschaftlich voll akzeptiert. Ich sehe allerdings so viele Diabetiker auf der Arbeit, dass mir regelmäßig schlecht wird. Der Kampf gegen die Sucht ist hart, was sich auch daran zeigt, dass ich gerade einen Schokoriegel zwischen den Zähnchen habe…

 

“Repatriation”

Und sonst? Wir bereiten unseren Weggang aus Schweden vor. Ja, Ihr habt richtig gelesen, wir haben genug gefroren hier oben. Zurück in die Heimat. Wie, wann und wohin genau, das werde ich beim nächsten Mal genauer beschreiben…

 

 

 

 

Der Winter ist da!

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Endlich ist auch bei uns der Winter angekommen. Während es im November und auch im Dezember bis auf wenige Ausnahmen zu warm war, sind nach Neujahr die Temperaturen deutlich in den Keller gegangen. Bis -23° C zeigte das Thermometer. Auch tagsüber wurde es nicht wärmer als – 20° C.

Das erinnerte doch alles an Russland. Seit ein paar Tagen kommt jetzt auch immer mehr Schnee dazu. Bei “warmen” -10° bis -15° C kann man die Spaziergänge geniessen. Während in Deutschland bei einem halben Zentimeter Schnee das öffentliche Leben zusammenbricht und sich jeder über “Winter im Winter” wundert, läuft hier anscheinend alles noch besser:

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Spaziergang im Wald

Die Menschen sind draussen, laufen Ski, spazieren, joggen (!), fahren Fahrrad (!!) und freuen sich einfach. Der Strassenverhkehr rollt, ganz als ob nichts wäre. Apropos Fahrrad fahren: Um den Verkehr aus den Städten herauszubekommen, verteilen die Ämter z.T. kostenlos Winter-Fahrradreifen mit Spikes!

Die Leute hier sagen, dass der November der schlimmste Monat wäre. Die Tage würden immer dunkler, kürzer. Die Chancen auf Schnee sei 4-5 Wochen vor Weihnachten am geringsten. Wenn der Schnee dann endlich käme, sei es wie eine Erlösung: durch die reflektierenden Eigenschaften des Schnees sei plötzlich alles viel heller.

Während ich im Oktober noch im Sonnenaufgang auf Arbeit ankam, so war es Ende November wirklich am dunkelsten: Erst gegen 9 Uhr etwa wurde es hell, um 14 Uhr begann die Sonne bereits, sich wieder “vom Acker zu machen”. Auch jetzt steht die Sonne um 12 Uhr so tief am Himmel, wie in Berlin erst um 15 Uhr (auch im Winter natürlich) und das heißt, es ist nicht wirklich so hell.

Nur der Vollmond bringt bei klarer Nacht schön viel Licht – oder eben, wenn Schnee liegt. Eigentlich fahre ich auch bei Dunkelheit gerne Auto, aber in den riesigen Wäldern Schwedens ist es “verdammt dunkel”. Es fehlt die dichte Besiedelung, die auf mehere Kilometer die Athmosphäre mit Licht erhellt (das an den Wolken refelktiert wird). Das merkt jeder, der einmal auch bei recht klar erscheinender Nacht ein paar Sterne beobachten möchte: man sieht in einem größeren Umkreis um die Städte nur einen Bruchteil dessen, was man bei völliger Dunkelheit sehen könnte, weshalb die Sternengucker auch von “Lichtverschmutzung” sprechen.

Die Dunkelheit erklärt auch, dass fast jedes Auto mit meheren z.T. riesigen extrem starken Extrascheinwerfern ausgestattet ist, die in Deutschland so gar nicht erlaubt sind. Genausowenig wie “Dubbdäck”: das sind Reifen, die mit Spikes ausgestattet sind.            

Ebenfalls verboten in Deutschland, helfen sie bei glatten Winterverhältnissen sehr gut, allerdings hat auch dies seine Grenzen. Wer im Winter nach Schweden fahren möchte, kann getrost seine Schneeketten zu Hause lassen, denn diese sind wiederum hier verboten.

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Dubbdäck: Winterreifen mit Spikes

Von November bis April kann man mit den Spikes fahren, was bei schnee-freier Fahrbahn am schmatzenden Geräusch erkennbar ist. Unsere Winter-reifen mit Spikes haben gute 1000 Euro gekostet, aber wir haben uns sagen lassen, nicht zu billige zu nehmen. Meine Schwedischlehrerin hatte einmal einen Satz billige Dubbdäck aus einem asiatischen Land gekauft mit der Folge, dass nach wenigen Kilometern mit Tempo 80 eine Vielzahl der Spikes das Weite gesucht haben und folglich in der Landschaft lagen statt den nun nackten Reifen zu bedecken…

Der Sicherheit zuliebe gibt man dann doch lieber mehr Geld für die Anschaffung aus und nimmt auch höhere Spritkosten und Fahrgeräusche in Kauf.

Die nächsten Tage soll es nun noch kalt bleiben, wenn auch nicht soo kalt wie bisher. Mal schauen, wie lange das Wintermärchen anhält…

Aller Anfang ist schwer…

Ja, das ist es hier in Schweden in vielerlei Hinsicht. Gepriesen von Urlaubern und von vielen deutschen Auswanderern als “Paradies”  bezeichnet waren wir sehr gespannt auf die Sonnen- wie auch Schattenseiten des “kalten Paradieses”.

Nach und nach werde ich versuchen das “Phänomen Schweden” zu erklären, zumindest so, wie es sich uns zeigt.

Schweden ist nein nicht einfach zu verstehendes Land, um es freundlich auszudrücken: es ist anspruchsvoll.

Falu Gruva – typisches Falu-Röd, die schwedische Nationalfarbe beim Hausbau

 

Die Menschen sind nett, hilfsbereit und freundlicher als wir es in Berlin gewohnt waren.

Auch haben wir das Gefühl, dass es hier sehr viel entspannter zugeht als in Deutschland. Selbst bei LIDL, also eigentlich in einem Zweig in dem die Menschen nicht gerade astronomische Gehälter bekommen, scheinen die Angestellten wesentlich zufriedener und weniger hektisch zu sein. In Deutschland -und speziell in Berlin hatten wir immer den Eindruck auf der Flucht zu sein, schnell die Einlkäufe in den Wagen, da es hinter dem Fliessband in deutschen LIDL ja keine Ablagefläche mehr gibt. Alles wegrationalisiert, der Verkäufer kurz vor dem Herzinfarkt, die Kollegin grölt etwas zwischen den Kühltruhen, während sich Kunden um preiswerte Elektozahnbürsten oder extrem moderne Trainingsanzüge auf den Auslagetischen in die Haare kriegen. So zumindest unsere Berlin-LIDL-Erfahrung. Hautnah und immer am medizinisch-biologischen und menschlichen Abgrund.

 

Das ubiquitäre Lagom – ein zweischneidiges Schwert

Nein, in Schweden läuft das Leben anders, wie wir inzwischen schon mehrmals -positiv wie auch negativ- erfahren konnten.

Lagom – das ist ein Begriff, mit dem wir erst einmal überhaupt nichts anfangen konnten. Wikipedia offeriert eine recht präziese Beschreibung:

Lagom ist ein Wort aus dem Schwedischen, für das es keine direkte Übersetzung ins Deutsche gibt. […]

Lagom bezeichnet eine in Schweden weit verbreitete Einstellung zu vielen Dingen: Abneigung gegen Extreme, Bevorzugung des gesunden Mittelmaßes. Lagom bedeutet so viel wie „gerade richtig“, eben nicht zu viel und nicht zu wenig. […] Beispielsweise würde es in Schweden meist als positiv angesehen, wenn das Wetter im Urlaub lagom warm ist, man auf der Autobahn lagom schnell vorankommt und die Portionen im Restaurant lagom groß sind.

Laut einem Mythos gehe der Ausdruck auf den Vorgang eines herumgehenden Trinkhorns oder Bechers zurück, der genau so viel enthalten soll, dass jeder in der Runde einmal und gleich viel davon trinken kann – die ganze Mannschaft, vermutlich am Lagerfeuer sitzend, deswegen „laget om“ (sinngemäß zu übersetzen als „einmal für die ganze Mannschaft“), verkürzt zu „lagom“. […]

aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Lagom

Und was heisst das jetzt für uns? Erst einmal einen Gang zurückschalten. Zum einen verspricht einem dieses “schwedische Lagom-Gen” ein weniger Stress. Vor allem bei der Arbeit soll es wesentlich entspannter zugehen, mehr allgemeines Verständnis für den einzelnen Arbeitnehmer, Familie, Lebensqualität.

Wenn man in Deutschland gearbeitet hat, dann kennt man diese Begriffe eigentlich nur noch aus historischen Filmen, oder die Eltern oder Grosseltern wissen über so etwas zu berichten. Wenn man in Deutschland 60-80 Stunden arbeitet, dann braucht man keine Familie, keine Hobbys. Eigentlich braucht man auch keine Wohnung, ein schmuckes Wohnmobil aus den 80-90er Jahren, kurz vor dem Auseinanderfallen tuts doch auch. Als Sarg könnte man es anschliessen auch noch in der Spree oder am Wannsee versenken, und eine nette “Seebestattung” geniessen. – Das ist natürlich schamlos übertrieben…

Nun also Schweden. Es lockt mit wunderbarer Natur, ausreichend Urlaub, besseren Versorgungsstrukturen (Kindergarten,…) und Lagom pur. Kann es sein Versprechen halten?

 

Falu Gruva

Anlage der Grube in Falun

 

 

Schweden 2015

Im August haben wir den nächsten großen Schritt gewagt: von Bahrain über Jordanien, Istanbul, Russland und Berlin nach Schweden.

Da sind wir nun: zwei Neulinge in Schweden. Kaum der Hitze des Nahen Ostens entronnen, schon zittern wir hier bei wenigen Grad über Null in Mittelschweden vor uns hin. Ob das auch unsere Fettpölsterchen verringern wird…?

Sternenklare Nächte Falun Schweden 18.10.2015

Sternenklare Nächte Falun Schweden 18.10.2015

Nebel 17.10.2015 Falun

Herbstnebel