Denkbares zum Jahresende

Ich bin müde. Kaputt. Fertig. An Tagen wie diesen will man morgens gar nicht erst aufstehen. Ich habe Urlaub  – noch ein Grund mehr, um liegen zu bleiben, wenn da nicht dieser kleine laufende Wecker auf zwei kleinen Beinchen wäre. Nico klettert inzwischen gerne aus dem Gitterbettchen. Stolz steht er dann in unserem Zimmer und feixt, wie toll er das Hindernis überwunden hat. Olga muss sich schnell fertig machen, geht zur Schule. Sie macht seit einigen Monaten eine Ausbildung zur Physiotherapeutin, etwas was sie schon immer machen wollte.

Ich schäle mich aus dem Bett, im Rücken steif wie ein alter Mann. Aber es nutzt nichts. Eine Windel sollte man wechseln, bevor sie explodiert und die Reste an Decke und Wänden kleben. Olga ich kämpfen uns zusammen durch den brutalen Tagesbeginn. Das kleine Männchen wird fertiggemacht, wir kämpfen uns durchs Frühstück und das anschliessende Zähneputzen. Immerhin wollen ich nicht, dass er vorschnell eine regelmäßige Bekanntschaft mit dem Zahnarzt macht. Das Anziehen ist dann der nächste Akt in diesem Kräftezehrenden Drama. Er will die Jacke nicht anziehen, der eine Winterstiefel streift beim Vorbeifliegen mein rechtes Ohr und das andere Trommelfell wird durch lautes Geschrei fast weggepustet. Warum können Kinder denn nicht einfach im Ultraschallwellenbereich schreien??? Nach einigem Herumwälzen und beherztem Durchgreifen, schaffen wir es dennoch.

Die Tür geht auf, ich will mir die Schuhe anziehen, da rauscht Maggy – unsere schwarze Katze – raus in den Hausflur, eine Etage nach oben. Dort stehen die Blumen unseres Nachbarn zum Überwintern im Flur. Genüßlich und zielstrebig beginnt sie daran herumzuknabbern wie eine Ziege. Ich könnte ausrasten, aber die Kraft fehlt mir. Also Katze einfangen und dann weiter. Nico steht grinsend wie ein kleines Engelchen an der Treppe – der Herr möchte nach unten getragen werden. Na klar, was denn sonst. Und ich mit meinem Rücken…. Aber wenn wir jetzt noch diskutieren, dauerts noch länger. So geht das weiter, bis er endlich in der Kita angekommen ist. Und abends wieder anders herum. So ist das eben. Mit 2,5 Jahren geht´s rund, einer dreht immer am Rad.

Seit dem Sommer quälen wir uns allerdings mit unseren eigenen Wehwehchen. Ich hab bereits zwei Mal Antibiotika wegen Nasennebenhöhlenentzündungen schlucken müssen, sogar ein CT habe ich bekommen. Zwischendurch auch wiederholt eine Kehlkopfentzündung, wo mir nicht nur die Stimme, sondern auch die Luft etwas wegblieb. Also Kortison noch dazu geschluckt. Fast zeitgleich hatte Olga ähnliche Probleme. Nico hat`s gefreut, er konnte alleine schreien 😉

Und dann noch der Rücken: Vor ca. 2-3 Monaten habe ich mich irgendwie verhoben. Plötzlich ging nix mehr so richtig. Das ISG schmerzte und es dauerte Wochen, bis es endlich besser ging. Trotzdem merke ich immer wieder Beschwerden in diesem Bereich. Nico immer wieder auch ungünstig zu heben, macht es auch nicht besser.  Um es kurz zu machen: Ihr seht, ich werde alt!

Aber derlei Dinge nicht genug. Wenn der Chef auf Arbeit nicht versteht, warum man mit Fieber zu Hause ist und “krank macht”, dann habe ich dafür auch keine Worte mehr.

Wat mutt dat mutt! – Wirklich?

Jetzt sitze ich im Cafe und lasse die Situation auf mich wirken. Meine Nebenhöhlenentzündung klingt nur langsam ab und wird durch meine Hausstauballergie immer wieder etwas unterhalten. Antihistaminika helfen da. Ich möchte einfach wieder fit sein und Sport machen können! Das Leben spüren und nicht nur dessen Vergänglichkeit.

Und jetzt  noch angeschlagen im Urlaub. Warum im Dezember Urlaub? Nun ja, ich habe gemerkt, dass ich einfach eine Auszeit brauchte. Zum Nachdenken. Zum Planen. Nächstes Jahr stehen einige Veränderungen an: Facharztprüfung, neue Stelle suchen, dann wollen wir spätestens im Herbst wieder ein paar Tage in Bahrain verbringen,…

Jetzt mit einer heißen Schokolade in der Hand beginne ich den Morgen zu genießen. Ich beobachte die Leute, die das Cafe füllen. Kohlenhydratbomben und Heißgetränke gehen über die Theke, formelle und mitunter auch ehrliche Nettigkeiten werden ausgetauscht.

Ich werfe einen Blick auf meine Tasche, in der ein Notizzettel mit Erinnerungen an all die Sachen, die ich in dieser Woche machen soll, steckt. So viele Sachen sollte ich schon längst erledigt haben und warten sehnsüchtig auf meine Aufmerksamkeit. Ich habe keine Lust ihn herauszuholen. Ich will nicht. Ich habe keine Kraft. Ich bin müde. Ich will  einfach nicht! Der Alltag ist übersät mit Pflichten und Zwängen. Dies und Das und Jenes. Alles Dinge, die sein “müssen“, die “zum Leben” gehören, wie man sagt.

Ich werde philosophisch in meinen Gedanken, jetzt, da ich gerade hier sitze und den Augenblick genieße. Besser gesagt: ich lebe diesen Augenblick, diesen  unscheinbaren Moment und er kommt mir hundertmal wichtiger vor, als all die “wichtigen” Dinge, die “doch das Leben” ausmachen. Warum? Weil ich gerade ganz bei  mir bin.

Müssen, müssen, müssen, immer nur müssen. Um jemand zu sein, etwas zu schaffen, darstellen zu können, oder “ein gutes Leben” zu haben. Was ist ein gutes Leben? Arbeiten um zu leben, aber eigentlich lebt man nur für die Arbeit. Das habe ich ja schon im Krankenhaus immer wieder erlebt. “Ja, aber sie  bekommen ja dies und das und jenes gezahlt…”  Immer wieder wird das finanzielle Argument ins Feld geführt. Wenn man dieses Geschäft eingeht “zahlt” man jedoch drauf: die Kraft, Zeit, das psychische Wohlergehen und die sozialen Kontakte, die man dafür opfert sind zu wertvoll. So viel kann man gar nicht gezahlt bekommen! Und: kein Geld der Welt kann diese Dinge ersetzen oder kompensieren! Man verausgabt sich im Hamsterrad der Gesellschaft. Der Versuch, menschliche, psychische Bedürfnisse durch Geld und Konsum zu befriedigen, scheitert. Es ist Selbstbetrug.

Natürlich ist es das nur dann, wenn man nicht gelernt bzw. geschafft hat, Grenzen zu ziehen. Und das können erfahrungsgemäß nur die allerwenigsten Menschen, egal in welcher Branche.

“Kacke Attacke!” – Mitten im Leben

Meine Gedanken schweifen ab, als ich ein kleines Mädchen sehe, das genauso herumzetert wie Nico heute Morgen. Was in diesen kleinen Köpfchen so vor sich gehen mag? Wie wenig meine Gedanken gerade von Belang sind für solche kleinen Würmchen. Die sind voll und ganz im Hier und Jetzt. Gelebte Achtsamkeit könnte man sagen. Die brauchen keine Anleitung dazu, wir schon. Genausowenig die Ehrlichkeit: da wird alles herausposaunt, was einem gerade durch den Kopf geht. Nico zum Beispiel: gestern saß er auf seinem Stühlchen, hob plötzlich den Arm und schrie “Kacke, Attacke!!!” und amüsierte sich köstlich.

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“Kacke Attacke!” – Kein Autonomer vom schwarzen Block, einfach Nico…

Ich muss grinsen bei diesem Gedanken und dann tauchen wieder  die kräftezehrenden Bilder von heute morgen auf. “Mitten im Leben” kann man sagen. Mir fällt immer wieder auf, wie sensibel diese Kleinen sind. Sie nehmen alles wahr, auf und  können vieles noch nicht richtig deuten. Sie sind empfindsam, zerbrechlich, aber auch stark und manchmal auch brutal. Momentan sind wir ständig dabei, Nico in seine Schranken zu weisen: “Nein, der Teller wird nicht durch die Küche geworfen!” oder “Mama wird nicht gehauen!” sind nur zwei von unzähligen Beispielen. Natürlich machen diese Dinge Sinn, zweifelsohne, aber wir beschneiden auch viel von der Spontanität und einer gewissen (manchmal nervigen) Ehrlichkeit dieses kleinen Menschen, wenn wir ständig sagen “mach Dies oder Das” oder “Laß Das und Jenes!”.

In dem von mir kürzlich absolvierten “Kurs der psychosomatischen Grundversorgung” berichtete ein Psychoanalytiker über das Beispiel eines Kindes, das in der Mitte des 20. Jahrhunderts als Tochter einer Apothekerin aufgewachsen war. Als das Mädchen 1-3 Jahre alt war, nahm es die Mutter immer mit in die Apotheke zur Arbeit. Dort breitete sie eine kleine Decke aus, auf der sie das Mädchen setzte. Es durfte sich aber keineswegs von der Decke wegbewegen, nichts anfassen nicht schreien, nicht pupsen, gar nichts. Schließlich saß die Kleine stundenlang nur noch still auf der Decke und wippte von einer Seite auf die andere, in sich gekehrt. Später entwickelte sie eine Zwangserkrankung, so der Psychotherapeut. Das Mädchen wurde quasi aller spontaner altersgemäßer Bewegungen geraubt, Impulse massiv unterdrückt und dem Zwang so der Weg geebnet.

Firlefanz

Natürlich entwickelt nicht jeder eine Zwangserkrankung, aber es rüttelte mich etwas wach, da ich Nico schon sehr in die Schranken wies, wenn er zu sehr plärrte, zu viel irgendwo rumpopelte usw. Aber: Was ist zu viel? In erster Linie war es mir zu viel, nicht ihm. Ich bin eher nur nach meinen Bedürfnissen gegangen, weil ich müde war und zur Arbeit musste, oder Ähnliches. Ich hatte “keine Nerven für Firlefanz“, weil meine Energie und Kraft von der Arbeit gebunden waren… Für ihn war es aber irgendwie ja kein “Firlefanz“, gemessen an seiner Entwicklung eben.

Bei dem Gedanken, daß Nico ja auch von mir lernt, wie man mit Stress umgeht, wird mir fast übel. In diesem Moment also, wo ich gestresst war und so reagierte wie ich eben reagierte, zeigte ich ihm unbeabsichtigt meinen Weg, Stress zu verarbeiten. Und diesen Weg versuche ich eigentlich zu ändern, weil er mir nicht gut tut.

Also, wie soll ich mein Kind erziehen? Es soll ein “anständiger”, “gesellschafts-konformer Bürger” werden, aber er soll doch auch die Freiheiten haben, die er braucht, um sich zu entfalten, oder?

Und trotzdem muss ich ihn schon hier in gesellschaftliche Normen pressen, die ja auch vernünftig sind. Er soll ja auch ein Mitglied der Gesellschaft werden und kein “störendes Randgruppenelement”, kein Aussenseiter. Er “soll Etwas werden“, vor allem aber soll er glücklich werden. Und das ist natürlich an gewisse Umgangsstandards gebunden – aber auch an Entwicklungsfreiräume, die uns vielleicht unsinnig erscheinen.

“Eben mal” das Kind erziehen – WICHTIGER als der Job

Also bin ich in meiner Elternrolle gefragt, ganz klar. Das erwarte ich auch von jedem anderen Vater. Trotzdem steht dies in einem (immer noch) ganz starken Kontrast zum gelebten gesellschaftlichen Ansehen und Wertschätzung.  Es wird verlangt, dass Erziehung “nebenbei” stattfindet. Wenn der Chef komisch guckt, weil Mutti oder Vati beim kranken Kind zu Hause sind, dann ist das nur ein Beispiel. Andere sagen ganz ehrlich, sie stellen keine jungen Mütter ein – und das im 21. Jahrhundert!

Die Hauptpflicht ist die Erfüllung der Arbeitsaufgaben, was man mit der Familie macht ist egal, Hauptsache diese ist untergeordnet!  Wir erleben es bereits mit einem Kind, wieviel Aufmerksamkeit es braucht, wie oft man sich die Zeit nehmen muss, Geduld aufbringen muss, um ihm die Welt zu erklären, die so viel Schönes, aber auch Schmerzhaftes bereithält. Es ist einfach schwierig für solche kleinen Zweibeiner und unsere Hauptaufgabe ist nun mal, bei ihnen zu sein und ihnen dabei zu helfen groß zu werden. Und das ist wichtiger als der Job und irgendwelche anderen Verpflichtungen!

Was passiert, wenn man die Familie unterordnet sehen wir ja: Kindergarten und vor allem Schule müssen das nachholen, was Eltern nicht gemacht oder geschafft haben: eine vernünftige Sozialisierung eines jungen Menschen, die zu Hause anfängt. Interpersonelle Kommunikation, das Erleben von Gefühlen und der Umgang mit ihnen. Und das braucht Zeit! Aufmerksamkeit! Geduld! Und die gibt es in unserem “modernen” Leben nur noch in homöopathischen Dosen.

Spätestens aber ab der Schulzeit beginnt aber, wie ich meine, etwas Verhängnisvolles: Indem wir im Laufe der Jahre immer strenger in unserer Leistung bewertet werden und wir eigentlich nur noch über die erbrachte Leistung als Bewertungsmaßstab wahrgenommen werden, lernen wir, ausschließlich über unsere Leistung gewertschätzt zu werden. Mathe, Physik, Englisch, Sport usw., das sind alles nur schmale Bereiche des menschlichen Lebens, gemessen an der Vielzahl von Qualitäten und Fähigkeiten eines Menschen, der Persönlichkeit. Ihn faktisch also nur darüber eine de facto alleinige Wertschätzung zukommen zu lassen, kann doch nur irgendwie unfair sein. Wer benotet schon “Empathie” oder gar “Nettsein”? 😉

Besonders durch immer steigende Ansprüche an Schüler und Studenten vergrößern wir auch die Möglichkeit, dass Menschen diesen nicht gerecht werden können und eine entsprechende Ablehnung ihrer Person empfinden. Der Absturz oder die “verbockte Weiterentwicklung” ist abzusehen. Würdevolles Selbstverständnis und ebensolcher Umgang mit anderen lassen sich nicht anhand von PISA-Studien messen.

Abgestellt auf dem Schrottplatz der menschlichen Individuen?

Auf der anderen Seite finden wir die eigentlich erfolgreichen Menschen der Student, der seit x-Semestern nicht mehr “weiterkommt” mit seiner Bachelor-Arbeit, der darüber so verzweifelt ist, dass er depressiv vor mir sitzt und an ein Ende des Lebens denkt. Oder der Abteilungsleiter, der “ausgebrannt” ist, der aber zu Hause noch die dicken Akten von der Arbeit zu liegen hat und sich Gedanken um die Reaktionen des Chefs macht.  Beide definieren sich über ihre Arbeit, haben Ansprüche, die in keinem Verhältnis zu ihren Ressourcen und menschlichen Eigenschaften stehen. Auch sie haben es “erfolgreich” gelernt, sich anscheinend hauptsächlich über ihre Leistung zu definieren.

“Pass auf Dich auf!”

Und jetzt? Abgehängt, ausrangiert, erledigt, nutzlos? “Notschlachtung“? Das trifft übrigens auch auf all die älteren Arbeitnehmer zu, auch wenn sie noch “in Kraft und Saft” stehen. Der “Leistungs-TÜV” wartet nicht und wird mit jedem Lebensjahr immer schärfer… Die “Ausrangierten” –  das ist auch so eine Parallelgesellschaft. Und bedroht deren Ausgrenzung und “Kranksein/Krankgemacht-Sein” uns nicht mehr, als die Migrantenfrage?

Was sie bei all dem Studium und Arbeiten nicht gelernt haben: auf sich selber aufzupassen. Was tut mir gut, was nicht? Das lernt man leider nicht auf der Schule und auch nicht auf der Uni, dabei wäre es doch eines der wichtigsten und auch praktischten Fächer überhaupt.

Um mal zum “greifbaren Körperlichen” zurückzukommen. Erst kürzlich kam ein Patient zu mir, etwa Ende 50. Leicht untersetzt, graue Haare, Hemd, Jeans. Dicke Brillengläser machten seine Augen beim Blick durch die Brille ganz klein, so wie die Knopfaugen von Nicos Teddybär. Das Gesicht gerötet, leicht hektisch, ungeduldig wirkend, gefühlt “Typ Choleriker“. Er habe vor kurzem immer wieder bei einem Bekannten den Blutdruck gemessen, und dieser sei zu hoch gewesen. “Das hatte ich doch noch nie!”, sagte er entrüstet, ganz als ob er enttäuscht über sich selbst wäre. Er sei in der Manager-Etage eines großen Unternehmens, hätte Führungsaufgaben und Personalverantwortung. Obwohl ich die Antwort schon absehen konnte, fragte ich, ob er denn viel Stress hätte. Ich hatte eigentlich ein “Ja, natürlich! Was für eine Frage!” erwartet. Statt dessen sagte er mit funkelnden Augen und mit leicht überheblicher Stimme: “Stress ist eine Krankheit der Leistungsschwachen!” Er sei ein Machertyp, keiner, der sich mit Stress abgebe…

“Stress ist eine Krankheit der Leistungsschwachen”

Dieser eine Satz war frappierend ehrlich. Er sagte so viel aus über ihn, mehr als über die anscheinend verachteten “Anderen”. Ich muß ehrlich gestehen, dass ich selten so glücklich darüber war, zu den Leistungsschwachen zu gehören…

Um es einmal ganz simpel auszudrücken: Egal ob Student, Abteilungsleiter oder “ausrangierter” Schüler, wir  “leisten” es uns, zunächst massenhaft kranke Menschen zu “produzieren” um diese dann “teuer zu therapieren“.  Macht das Sinn? Ist das der Sinn von Nachhaltigkeit, von der ja so viel gesprochen wird? Wenn wir nicht gelernt haben, nachhaltig mit uns selber umzugehen, wie soll das dann bloss mit der Natur funktionieren? Nicht, dass ich das für unlösbar halte, aber für überlegenswert…

Hasta la Vista, Baby!

Es ist Abend. Nico hat zuende gespielt, gegessen (manchmal das gleiche wie Spielen), Zähne geputzt (was für ein Kraftakt!), Windel gewechselt, Schlafanzug angezogen, Schlafsack drüber. Heute hat Fiona´s Mama Geburtstag. Fiona ist Nicos Babysitterin und Nico mag sie sehr. Manchmal ruft er im Hausflur nach ihr oder fragt “Kommt heute Fiona?” Wir klopfen, Glückwünsche werden ausgetauscht und nach einem kurzen Gespräch soll es eigentlich wieder nach oben gehen. Fiona kriegt von Nico ein Küsschen, die Mama, sogar der Papa von Fiona und Nico wundert sich noch über die kratzenden Bartstoppeln in Helmuts Gesicht und muß gleich mal bei mir nachprüfen, ob das so richtig ist. Doch Fiona hat Besuch: zwei junge Mädchen kommen aus ihrem Zimmer und wollen gehen. Klar, Nico knutscht die beiden auch noch ab! Er freut sich, im Mittelpunkt zu stehen und so viel Aufmerksamkeit zu bekommen. Auf dem Treppenabsatz wirft er “seiner” Fiona noch ein Luftküsschen zu und plötzlich ruft er “Hasta la Vista, Baby!” Alle lachen und er gluckst vor Freude. Natürlich hatte ich das vorher aus Spass zu ihm gesagt und er freut sich über neue Sprüche. Beim Ins-Bettchen-Legen, verrate ich ihm einen neuen Spruch: “Good night, Baby!” Er grinst und flüstert “Good nacht, Baby“…

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Geschafft: Im Heierchen mit Hund und Schlange

 

Joa, seid’s denn närrisch???

Nach laengerer Pause melde ich mich zurueck. Nicht etwa, dass ich die ganze Zeit Urlaub gehabt hätte (schön wär’s), aber mir hat schlichtweg die Zeit gefehlt. Der Sommer ist vorbei, der sogenannte “Urlaub” auch und ganz langsam nähern wir uns dem beschaulichen, “nach Harmonie lechzenden Jahresende” mit dem “Fest der Liebe”… Oje, wie schmalzig das klingt, aber immerhin kann man schon Weihnachtsgebäck bekommen, was ich für Anfang September schon abartig halte. Und nach Harmonie sieht es leider überhaupt nicht aus in diesem Lande.

Die Menschen sind zerstrittener denn je bzw. die Gesellschaft zeigt Risse, genauso wie Europa. Amerika spinnt eh und der Rest der Welt wirkt auch nicht ruhiger. Stimmt das so, oder sind das nur die dramatisierenden Eindrücke durch die Presse, die uns 24/7 nur mit Negativmeldungen zu überfluten schein?

Zumindest in Deutschland geht das politische und gesellschaftliche Chaos in eine neue Runde. Seit Wochen beschäftigt uns bereits das Thema des Chefs des Verfassungsschutzes und Rumgeeiere eigentlich aller Parteien. Die Demokratie wird auf eine harte Probe gestellt, ebenso wie das gemeine Volk, das sich jetzt nicht mehr blind auf die Politik verlassen kann. Was ist da los? Was erzürnt uns so? Nun, ich kann hauptsächlich nur für mich selber sprechen, auch wenn ich denke, dass der ein oder andere meine Gedanken teilen wird.

Da gibt es Vorkommnisse in deutschen Städten, die mich irgendwie leicht an die Situation in Rostock 1993 erinnern: aufgebrachte Menschen jagen in einem Video andere. Dann wird spekuliert, ob es eine Hetzjagd sei und ein Verfassungsschutzchef stellt dies in Frage. Die Reaktionen kommen wie vorprogrammiert, es wird gelärmt und protestiert, die Entlassung gefordert.

Nun, zunächst einmal hat zweierlei Gewalt stattgefunden: gegen einen Deutschen und gegen Ausländer bzw. solche, die so aussehen. Beides ist inakzeptabel. Punkt. Aus. Ende. Dass man sich dann um die Begrifflichkeiten streitet ist wirklich grotesk, und ob das Video wirklich echt sei, das ändert nichts an der Wirkung, wenn es erst einmal ausgestrahlt ist!

Dass von Teilen der Migranten Gewalt ausgeht kann man natürlich nicht schönreden und mit schlechter Kindheit begründen. Auch ein erittenes schweres Trauma kann nicht als Rechtfertigung dienen, höchstens als Erklärung für manche Denkmuster, die zu Gewalt führen. Auch hat jemand -meiner Meinung nach- seine Chance auf Aufenthalt verspielt, wenn er Gewalt ausübt, oder kriminell in Erscheinung tritt. Das hat nichts mit dem regelmäßig reflexartig vorgeworfenen Rassismus, sondern mit Fairness denjenigen Migranten zu tun, die sich korrekt verhalten und bemühen – und eben auch uns Deutschen gegenüber.

Genauso verachtenswert sind Übergriffe auf Migranten. Das ist ganz klar und bedarf keiner Diskussion. Gewalt jeglicher Form, egal woher und gegen wen und was ist immer abzulehnen. Punkt.

Braunes Sumpfland Ostdeutschland?

Wenn in Deutschland tausende von Menschen gegen Rechts und für unsere Werte demonstrieren, dann ist das gut und wichtig. Dabei sollte nicht der Fehler gemacht werden, dem In- und Ausland den Eindruck zu vermitteln, dass der Osten einzig ein braunes Sumpfland ist!

In der ZDF-WOCHENSHOW, die ich wegen der Rundumschläge schätze (jeder kriegt etwas ab, auch wenn ich nicht Mit allem übereinstimme) tingelte die Schweizerin Hazel Brugger als “Journalistin” in die Ostprovinz und interviewte wenige Demonstranten auf Pegida-Seite. In die Kamera sprach sie dabei mit einem herrlich schweizer Dialekt zu einem fiktiven schweizer Publikum, das sich die Frage stellt, wie unsicher es für schweizer Touristen hier wohl sein möge. Auch wenn anders beabsichtigt, so konnte der aufmerksame Zuschauer deutlich sehen, dass bei weitem nicht jeder rechtsgerichtet ist, der dort anzutreffen war, sondern dass sich abgehängte, frustrierte und alleingelassene Menschen vor der Kamera äußerten. Auch wenn sich hier keiner als Rechter oder gar als Nazi sieht, müssen sie sich den Vorwurf des “Rechts-Sein” gefallen lassen, da sie sich ja auf einer rechtsgerichtet Demonstration befinden. Sie hätten ja auch eine alternative Demonstration organisieren können, oder?

Sind wir die Guten?

Doch mal anders herum: Sind wir, die Toleranten und Offenen dieser Welt und dieses Landes wirklich allseits fair?

Ich würde mir wünschen, dass die “Zivilgesellschaft” weniger selektiv auf Gewalt, Ausgrenzung usw. reagieren und ihre selbst gesteckten Werte wirklich jedem gewähren würde. Denn auch hier gibt es Ausgrenzung von Menschen anderer Meinung! Hätten die o.g. frustrierten Pegida-“Mitläufer” wirklich eine alternative Demonstration abgehalten mit Distanz zu rechtsradikalen Strukturen, so darf man vermuten, das man ihnen eben dies trotzdem unterstellt hätte. Man hätte sie also trotzdem in die rechte Ecke geschoben.

Die Forderung z.B. kriminelle Migranten abzuschieben ist per se nicht rechtsradikal oder menschenverachtend – erst der geistige Überbau und entsprechende Forderungen bzw. Handlungen (Hetzjagden) sind es.

Das bedeutet, dass sich auch die sich als liberal und tolerante Gesellschaft Kritik gefallen lassen muss.

Interessant ist hierbei auch der öffentlich sprachliche Wandel. Während es früher verpönt und scheinbar unmoralisch war, von “Kriminellen Ausländern” zu berichten (so übrigens auch in der Schule!), so wurde plötzlich -vielleicht weil man die Wut der Bevölkerung bemerkte- z.B. über die Übergriffe von Migranten auf Frauen in Köln in der Sylvesternacht 2016 (?)berichtet. Der radikal offene Stil zu berichten hat sicherlich nicht zur Beruhigung der Lage beigetragen.

Ein anderes Beispiel für noch verbeserungswürdige Werteverteidigung: Ich kann mich nicht an Großdemonstrationen erinnern, die sich gegen die Zerstörung durch 1.Mai-Krawalle richteten. Diese hatten manchmal Strassenkämpfen geähnelt.

Diskriminierung mal anders: Fremd im eigenen Land

Ich selbst wurde in der Grundschule (!) wegen meiner Ostberliner Herkunft gemobbt, sogar zu körperlichen Auseinandersetzungen kam: vom Bedrohen durch Mehrere, Anspucken und Tritte. Die Täter waren dabei sowohl Deutsche, wie auch Schüler mit Migrationshintergund. Ist so etwas nicht genauso verachtenswert, wie rechtsmotivierte Gewalt?

Ich weiß, wie es sich anfühlt, wegen seiner Herkunft diskriminiert zu werden.

Diskutieren und kritisieren darf und muß man sogar. Die Welle, auf der Nationalisten und Rechte reiten, ist zu gewissem Umfang das Resultat arroganter und ignorante Politik fast aller großer Parteien in Deutschland! Keine dieser Parteien hat in den letzten 40 Jahren sich mehr als nur um sich selbst gekümmert. Zumindest ist das das Gefühl der Menschen.

Diejenigen, die jetzt vorgeben z.B. als bayrische Kreuzritter das Abendland so heroisch zu verteidigen, saßen auch vor Jahrzehnten in den Regierungen, die Gastarbeiter nach Deutschland einluden, sich aber keine Gedanken darum gemacht haben, was mit der zweiten und dritten Generation wird.

Ein Hartzer ist kein Käse

Genausowenig konstruktiv haben sich die kleineren Parteien verhalten. Unter dem “Deckmantel der Toleranz” hat auch das linke Spektrum der Politik sich nie wirklich für die Menschen interessiert, weder für die Migranten, noch für sozial und wirtschaftlich benachteiligte Einheimische. Ignoranz und Arroganz aller Akteure. Das Resultat sind jahrzehntelange Hinterhofmoscheen, ältere Damen, die ohne jegliche Deutschkenntnisse seit 30-40 Jahren in Deutschland leben, Jugendliche, die weder richtig Deutsch noch Türkisch sprechen können und direkt nach der Schule “Hartzer” werden (Hartz IV). Sie haben weder in Deutschland noch in der Türkei noch auf dem Mond eine Chance. Einige von ihnen machen eine kriminelle Karriere durch.

Hierzu gab es erst diesen Samstag einen interessanten Beitrag im Deutschlandfunk

Hier gehts zum Link: www.dlf.de Kriminalität in Berlin – Die Macht der Clans

Beschrieben wurde u.a., wie in den 80er Jahren geflüchtet libanesische Großfamilie zunächst weder arbeiten durften, die Kinder nicht schulpflichtig waren (wie geht das eigentlich?) und vor allem auf sie Clanstrukturen angewiesen waren, um zu überleben. Die Folge war die kriminelle Parallelgesellschaft. Aber daran störte sich anscheinend kein Politiker, oder etwa doch?

Ein Pendant auf deutscher Seite: Menschen in sozialen Randgruppen, die nichts oder kaum etwas vom Wirtschaftswachstum abbekommen. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob die Situation selbst verschuldet ist oder nicht. Auch das sind “Abgehängte”. Auch das ist eine Parallelgesellschaft

Das Gefühl, das diese Menschen haben, zählt an der Wahlurne.

Allerdings wurde auch in den Jahren vor der Flüchtlingskrise eine Verrohung der Gesellschaft diskutiert und Problemviertel und z.T. “No-go-Areas” wurden auch schon früher beschrieben. Umso unverständlicher dann, dass jetzt mit Straftätern, “Gefährdern” und “Intensivtätern” so falsch-nachsichtig weiter umgegangen wird wie bisher – oder ist das dann das Konsequente der Politik?

Fordern, Fördern, Richtlinien vorgeben. Dafür gab es jahrzehntelang viel Zeit. Genutzt wurde sie nicht, oder kaum.

Wir mit unseren freiheitlichen Werten, die ja mit Akzeptanz und dem selbstverständlichen Recht auf Unversehrtheit einhergehen, büßen gewaltig an Glaubwürdigkeit ein , wenn wir Gewalt egal welcher Form zulassen. Genauer gesagt: wir lassen es de facto zu, indem Vergehen nicht adäquat geahndet werden.

Gewaltvoyeurismus – oder: die Pornographie der Gewalt

Auch präventiv wird zu viel “digitalisiert” (Kameras), zuviel protokolliert, statt wirkliche Präsenz zu zeigen und zu handeln. Es ist wie eine Form der unterlassenen Hilfeleistung: der Staat guckt lieber zu. Die Täter können sich dann noch über mediale Aufmerksamkeit freuen, wenn ihre Schandtat im Netz oder im Fernsehen ausgestrahlt werden.

Die Gültigkeit unserer Werte und Gesetzte erlischt damit teilweise oder vollständig und wird zur Farce – zumindest gefühlt vom Opfer. Wenn Menschen schwere Verletzungen erleiden, die Täter dann aber nur zu Bewährungsstrafen oder Sozialstunden verurteilt werden, dann hebelt das ganz gewaltig unsere Werte aus!

Als ich zur Schule ging, war es üblich, dass die Polizei Jugendliche, die nach 22 Uhr draußen angetroffen wurden, einsammelte und die Eltern ermahnte. Heutzutage gibt es das nicht mehr, oder?

Viel zu oft wird mit der Sorge vor dem Polizeistaat und der deutschen Vergangenheit argumentiert. Dass diese Gedanken grundsätzlich nicht falsch sind, versteht sich. Nichtstun ist ebenso gefährlich. Gepaart mit dem Einsparungswahn der 90er und 2000er Jahre ist daraus ein -wenn auch zugegeben kleines- Machtvakuum entstanden.

Hatte man gehofft, dass sich der Mensch selbst zügelt?

Wenn man der Mehrheit von uns beim Essen zusieht, dann glaube ich nicht recht daran.

Und die Maßlosigkeit beim Essen findet ach so oft ein Pendant in anderen Lebensbereichen. Zumal bei solchen Zeitgenossen, die das Gespür für Respekt, Friedfertigkeit und Gerechtigkeit verloren haben.

Sollte man erwarten, dass die Autofahrer brav am Stoppschild halten, auch wenn kein Polizist danebensteht? Wir sind doch im geordneten Deutschland, möchte man meinen…

Der Hofstaat rebelliert

Zurück zum Fall Maaßen: reflexmässig wird immer lauthals nach Rücktritt von der jeweiligen Opposition gerufen, ganz egal wer gerade regiert und was eigentlich vorgefallen ist. Glauben die wirklich selber, das sich durch den Fall eines Behördenchefs oder eines Ministers etwas Grundlegendes ändert? Bestimmt nicht, aber man will uns weismachen, dass “man ja etwas getan hat”. Grundsatzfragen werden kaum angegangen.

Was dann anschließend geschah war bewundernswert und genial: der “Eiserne Horst” hatte es geschafft, den Spieß umzudrehen: der Verfassungsdienstchef stürzte – allerdings fiel er die Treppe nach oben. Für die “Zartstimmige Andrea”, die ja dauerheiser klingt, wäre es auch zum Jubeln gewesen, da das “Hasskind Maaßen” ja nicht mehr im Amt wäre. Und “Mutti” hätte wieder Ruhe im Laden gehabt. Dumm nur, dass das alles auffiel. Der Volksmund spricht bei solchen Vorkommnissen von Vetternwirtschaft – man verschiebt Posten, wie es die Beziehungen ergeben. Das gehört zum Spektrum der Korruption. Was für ein böses Wort! Das heißt natürlich “Kompromiss”, wie konnte ich das vergessen, ich Dummchen…

Geiz ist geil?

Doch was hat das alles zu bedeuten? Gewalt, Migration, Rechtsruck usw. sind die aktuellen Schlagworte. Wie hängt das alles mit uns zusammen?

Also, insgeheim glaube ich, dass wir in Europa nur deshalb ein angenehmes Leben führen können, weil es anderen Leuten schlecht geht. Stichwort Verteilung der Güter, knallharte Machtinteressen der (auch deutschen) Wirtschaft, die international vermutlich genauso korrupt und blutig agiert wie die Mafia in Italien oder Kolumbien aber auch unsere Gier nach Luxus. Bullig muss es sein und sofort verfügbar!

Mein laienhaftes Hirn kann das natürlich natürlich nur begrenzt erahnen, doch gewisse Bestätigung bekommt es durch z.B. einen Beitrag des Deutschlandfunks vor ein paar Wochen. Hierin wird versucht eine Antwort auf unsere Fragen zu geben. Ich kann ihn wärmstens empfehlen!

Hier gehts zum Link: www.dlf.de Leben im Überfluss – Luxus – eine verbrannte Perspektive?