Enddarm-Stimmung

Eigentlich sollte die Überschrift “Endzeit-Stimmung” lauten, aber da haben sich wohl meine filigranen Fingerchen etwas verhaspelt… 😉

Seit meinem letzten Beitrag haben sich die Ereignisse überschlagen. Während vor Kurzem noch meine anstehenden Zahnarzttermine meinen Puls höher schlagen ließen, so ist es jetzt die allseits gegenwärtige Corona-Krise. Corona hier, Corona da. Bei so viel Corona könnten werdende Eltern ihre Tochter glatt auch “Corona” nennen.

Nein, ich mache mich nicht lustig, es ist eher Galgenhumor. Wie soll man dieser Übermacht an negativen Schlagzeilen auch begegnen? Die Krise kam schneller und gewaltiger als erwartet. Die Menschen drehen am Rad und irgendwie scheinen die Gesetze dieser bis ins kleinste geregelten Welt infrage gestellt zu werden. Zeit und Raum bekommen im wahrsten Sinne eine neue Bedeutung. Man fühlt sich haltlos, ratlos, alleine gelassen. Unsicherheit macht sich breit. Dass es mir nicht alleine so geht, zeigen die irrationalen Handlungen verschiedener Mitmenschen: tonnenweise wird Klopapier gekauft (wenn nicht geklaut). Kann man in kürzester Zeit so viel Stuhlgang haben? Wieviel muss man dafür essen? Oder haben jetzt alle Reizdarm?

Passend zum Thema brachte die Medical Tribune diesen Artikel mit dieser genialen Überschrift samt schmackhaftem Bild

Wie im schlechten Film

Die Menschen sind gestresst. Nach dem Klogang waschen sie sich wenigstens die Hände, wie die fehlende Seife in den Supermarktregalen zeigt. Waschmittel gibt es auch keines mehr… Ich kombiniere: massenhaft Reizdarm mit Inkontinenz oder muss man mehr waschen, weil es kein Toilettenpapier mehr gibt? Und dann das Desinfektionsmittel: nichts mehr da. Hygiene ist ja löblich, aber muss es denn auch desinfizieren sein? Brennt das nicht bei dem Reizdarm?

Verständlich, dass die Leute gereizt sind. Ob ich mal die Verkäuferin frage? Alleine schon die Silbe “Des-” läßt der Verkäuferin den Rachen zuschwellen. Hasserfüllte Augen, die Halsvenen gestaut. Dabei wollte ich doch nur meine Des-Orientierung äußern…

Die Obstregale sind auch leer, die Konserven ebenfalls. Bei so viel Obst und dann noch Nudeln und Konserven kann der Darm schon rumoren. Was ist los? Sind jetzt alle Prepper geworden? Steht der Russe vor der Tür? Olga lacht. “Ja so war das in den letzten Tagen der Sowjetunion auch!”. Stimmt, im Osten war das manchmal auch so. Frei nach der Devise: “Erst mal anstellen in der Schlange vor dem Konsum, auch wenn man nicht weiß was es dort gibt, es muss was seltenes sein!”

Leere Regale: “Wie im Osten”

Mal Spass beiseite. Das Ganze fühlt sich an wie im Film. Wann ist der bitte zu Ende? Die Leute sind wie wahnsinnig. Die Praxis ist gerammelt voll. Nachdem die Zahlen der positiv getesteten Corona-Infizierten im nahen NRW plötzlich in die Höhe geschnellt ist, glauben alle Corona zu haben. Anfang März erscheint das jedoch übertrieben. Aber alle wollen sich testen lassen! Wenige Tage später werden sie von den Arbeitgebern geschickt: weil sie nur mit negativem Testergebnis weiterarbeiten sollen, “muss jetzt der Hausarzt den Test durchführen”.

Auswahlkriterien für die Testung

Inzwischen ist ein Testzentrum in Osnabrück eingerichtet worden. Nur begründete Verdachtsfälle werden vom Gesundheitsamt gelistet und bekommen einen Termin: Personen, die Kontakt mit einer positiv getesteten anderen Person hatten oder in einem Risikogebiet waren und Symptome zeigen. Die Listung erfolgt ausschließlich über das Gesundheitsamt. Hausärzte können bei vorhandener Schutzausrüstung ebenfalls die Abstriche durchführen – theoretisch, denn uns fehlt die Ausrüstung! Daher sind wir nicht verpflichtet.

Alltag an der “Front”

In der nachfolgenden Woche rennen sie uns die Praxis aus einem anderen Grund ein: die Arbeitgeber möchten, dass die gesunden Patienten sich krank schreiben lassen, da sie den Betrieb z.T einstellen müssen (aus finanziellen Vorteilen). Doch das darf ich rechtlich nicht bei Gesunden! Sind die denn alle belämmert?

Zeitgleich beginnen wir, Patienten mit leichten oberen Atemwegserkrankungen telefonisch krank zu schreiben (neuerdings möglich). Die Tür wird verschlossen, die Patienten nur einzeln hereingelassen. Krankschreibungen und andere Dokumente wie Rezepte usw. werden am Fenster herausgegeben. Dadurch wird die Sprechstunde zwar etwas ruhiger, aber das Telefon klingelt ständig. Anspannung ist in der Luft.

“Houston, wir sind am Arsch!”

Inzwischen arbeiten wir mit den einfachen Masken, wohlwissend, dass die weniger uns selbst, sondern mehr unser Gegenüber schützen. Wir haben nach wie vor nicht genügend richtige Schutzausrüstung und stellen somit auch eine Gefahr für unsere schwerer erkrankten Patienten dar. Nicht nur die steigenden Zahlen, die Ungewissheit bzgl. des Virus, die allgemeine Unsicherheit, sondern auch der blanke Mangel an richtigen Masken gibt uns das Gefühl: “Wir sind am Arsch!”

Spätestens die Rundmail eines Ärzte-Verbandes macht mich völlig fertig: eine Anleitung zum Selberbasteln von Schutzmasken!!! Armes Deutschland!

“Wir sind gut vorbereitet”

Jens Spahn, Bundesgesundheitsminister, Januar 2020

Lambarene. Damit vergleicht eine meiner Kolleginnen die aktuelle Arbeitssituation. Lambarene ist eine Stadt in Gabun, zentrales Afrika. Hier hat Albert Schweitzer gewirkt und hätte sicherlich auch gewürgt, hätte er von unseren Zuständen gewusst. Ja das ist Afrika, dort werden z.T. noch medizinische Einmalhandschuhe ausgewaschen und zum Trocknen auf die Wäscheleine gehängt – und bestimmt auch Masken selber genäht

Sind wir also “gut vorbereitet”? Nach allem, was wir jetzt wissen, nein. Man muss die Verantwortlichen bei aller Kritik aber auch etwas in Schutz nehmen: dieses Ausmaß und die Geschwindigkeit waren nicht wirklich abzusehen, ein einmaliger Fall in Deutschland und Europa und der Welt! Man kann nicht milliardenfach hochwertige und teure Ausrüstung jahrelang parat haben, zumal die auch irgendwann vergammelt. Nach Hühner- und Schweinegrippe habe wir es gesehen: Berge von Impfstoffen und Medikamenten kosteten Milliarden und landeten schließlich ein paar Jahre später im Klo – womit wir wieder am Ausgangspunkt des Beitrags wären 😉

Die Wucht der Pandemie war so nicht vorhersehbar. Allerdings ist es fraglich, wie Schlüsselindustrien verkümmern können, ohne dass man ein “Backup” hat, eine Möglichkeit die Produktion schnell hochzufahren. Im Herbst 2019 gab es bereits vor Corona einen Engpass an “primitivsten” Medikamenten: z.B. war Ibuprofen 600 mg (ein Schmerzmittel) über Wochen bis Monate nicht lieferbar! Wie geht denn so etwas? Ganz einfach: in Deutschland ist die Produktion für dieses extrem billige Medikament zu teuer. Also wird es hier nicht mehr produziert, sondern vorwiegend in China und Indien!

Das steht ganz im Einklang mit der Philosophie, wie das Gesundheitswesen betrieben wird. Das Gesundheitswesen ist nicht erst mit der Corona-Krise an seine Grenzen gelangt, sondern war bereits vorher in einer Dauer-Krise! Aus Profitgründen wird seit der Einführung der DRGs/Fallpauschalen Raubbau am Personal aber auch materiell betrieben, und das in einem kriminellen Stil. Bereits unter “normalen” Bedingungen brannte das Personal aus. Das ist der eigentliche Skandal, eine stille Katastrophe vor der Katastrophe!

Jetzt soll dieses ausgemergelte Personal auch noch die zusätzliche Belastung stemmen?! Ja, das wird es, weil die meisten Mitarbeiter ein Verantwortungsgefühl haben. Die menschlichen “Kosten”, die die Mitarbeiter zahlen werden ist kaum abschätzbar!

Auf der anderen Seite warnten Forscher bereits bei den ersten Infektionen in Italien, dass sich das Virus von Süd nach Nord ausbreiten wird. Scheinbar tatenlos wurde hierzulande zugesehen, wie in Italien die Infektionen explodierten. Als dann bei uns die 10.000er Grenze überschritten wurde, wurde auf verschiedenen politischen Ebenen diskutiert. Während die meisten anderen Länder bereits drastische Maßnahmen einführten, wie Ausgangsperren, feierten die Menschen in Deutschland die ersten frühlingshaften Grillpartys im Park – oder Corona-Partys.

Natürlich gibt es unterschiedliche Bewertungen, was die Effizienz von Ausgangssperren angeht, aber man möchte sich nicht ausmalen, wie die Lage in Italien ohne diese aussehen würde. Natürlich kann keine Rede sein von einer derartigen Ausgangssperre, wie sie in Kriegsgebieten mitunter durchgesetzt wird, wenn auch zumeist eher als “nächtliche Ausgangssperre”. Letztendlich ist der Kontakt zwischen Menschen das Entscheidende und den gilt es zu unterbrechen oder zu vermindern. Traurig, dass jedes Bundesland bzw. Region das selber gestaltet.

Deutschland – eine Ansammlung von Egomanen

Individuelle Freiheitsrechte sind essentiell in einer gesunden Gesellschaft und man kann glücklich sein, dass es hierzulande genügend Menschen gibt, die dafür kämpfen würden, wenn es darauf an käme. Der “böse Zwilling” der individuellen Selbstbestimmung ist der Egoismus. Um den Wert einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft zu erhalten, muss man diese vor der potentiell zerstörerischen Art des Egoismus schützen. Eine Entfaltung des Einzelnen (oder einer Gruppe) auf Kosten einer anderen Person oder der Gesamtheit der Bevölkerung zerstört das gesellschaftswichtige WIR.

Beispiel Ausgangsbeschränkung oder Kontaktverbot: Man kann z.B. von einer zeitlich Ausgangsbeschränkung oder Kontaktverbot halten was man möchte. Wenn aber das “Egojede möglicherweise schützende angeordnete Maßnahme als fundamentalen diktatorischen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte deklariert, nur weil man nicht mehr seinen Cocktail in seiner Lieblingskneipe schlürfen darf, dann zeigt das deutlich die eigene Überhöhung über Andere und die Gemeinschaft. Dies kann auch als Desinteresse an der Gemeinschaft, von der dieser Einzelne im Übrigen generell noch profitiert, gewertet werden.

Beispiel Masernimpfung: Vor kurzem wurde die Masernimpfung als Pflichtimpfung eingeführt. Gerade als die Corona-Infektionen in Deutschland explodierten, meldeten die Medien, dass es erste Klagen von Eltern gegen die Impfung gebe. Daß diese Menschen sich durch die Impfung nicht nur selber schützen, sondern auch andere, die nicht geimpft werden können (da Lebendimpfstoff = für Immunsupprimierte nicht geeignet), daran denken diese Menschen nicht…

Überspitzt könnte man sagen, der so beschriebene Egomane “toleriert” die offene Gesellschaft, solange sie sich ihm nicht anstrengend wird oder gar im Weg stellt. Jede Person, die in einer “freien” Gesellschaft leben möchte, hat die Pflicht, diese zu erhalten. Dazu gehört auch manchmal der Verzicht und die Beschränkung zum Wohl dieser Gesellschaft. Wer dies nicht schafft wäre dann gewissermassen auch ein Beispiel für eine gescheiterte Integration

Denkbares zum Jahresende

Ich bin müde. Kaputt. Fertig. An Tagen wie diesen will man morgens gar nicht erst aufstehen. Ich habe Urlaub  – noch ein Grund mehr, um liegen zu bleiben, wenn da nicht dieser kleine laufende Wecker auf zwei kleinen Beinchen wäre. Nico klettert inzwischen gerne aus dem Gitterbettchen. Stolz steht er dann in unserem Zimmer und feixt, wie toll er das Hindernis überwunden hat. Olga muss sich schnell fertig machen, geht zur Schule. Sie macht seit einigen Monaten eine Ausbildung zur Physiotherapeutin, etwas was sie schon immer machen wollte.

Ich schäle mich aus dem Bett, im Rücken steif wie ein alter Mann. Aber es nutzt nichts. Eine Windel sollte man wechseln, bevor sie explodiert und die Reste an Decke und Wänden kleben. Olga ich kämpfen uns zusammen durch den brutalen Tagesbeginn. Das kleine Männchen wird fertiggemacht, wir kämpfen uns durchs Frühstück und das anschliessende Zähneputzen. Immerhin wollen ich nicht, dass er vorschnell eine regelmäßige Bekanntschaft mit dem Zahnarzt macht. Das Anziehen ist dann der nächste Akt in diesem Kräftezehrenden Drama. Er will die Jacke nicht anziehen, der eine Winterstiefel streift beim Vorbeifliegen mein rechtes Ohr und das andere Trommelfell wird durch lautes Geschrei fast weggepustet. Warum können Kinder denn nicht einfach im Ultraschallwellenbereich schreien??? Nach einigem Herumwälzen und beherztem Durchgreifen, schaffen wir es dennoch.

Die Tür geht auf, ich will mir die Schuhe anziehen, da rauscht Maggy – unsere schwarze Katze – raus in den Hausflur, eine Etage nach oben. Dort stehen die Blumen unseres Nachbarn zum Überwintern im Flur. Genüßlich und zielstrebig beginnt sie daran herumzuknabbern wie eine Ziege. Ich könnte ausrasten, aber die Kraft fehlt mir. Also Katze einfangen und dann weiter. Nico steht grinsend wie ein kleines Engelchen an der Treppe – der Herr möchte nach unten getragen werden. Na klar, was denn sonst. Und ich mit meinem Rücken…. Aber wenn wir jetzt noch diskutieren, dauerts noch länger. So geht das weiter, bis er endlich in der Kita angekommen ist. Und abends wieder anders herum. So ist das eben. Mit 2,5 Jahren geht´s rund, einer dreht immer am Rad.

Seit dem Sommer quälen wir uns allerdings mit unseren eigenen Wehwehchen. Ich hab bereits zwei Mal Antibiotika wegen Nasennebenhöhlenentzündungen schlucken müssen, sogar ein CT habe ich bekommen. Zwischendurch auch wiederholt eine Kehlkopfentzündung, wo mir nicht nur die Stimme, sondern auch die Luft etwas wegblieb. Also Kortison noch dazu geschluckt. Fast zeitgleich hatte Olga ähnliche Probleme. Nico hat`s gefreut, er konnte alleine schreien 😉

Und dann noch der Rücken: Vor ca. 2-3 Monaten habe ich mich irgendwie verhoben. Plötzlich ging nix mehr so richtig. Das ISG schmerzte und es dauerte Wochen, bis es endlich besser ging. Trotzdem merke ich immer wieder Beschwerden in diesem Bereich. Nico immer wieder auch ungünstig zu heben, macht es auch nicht besser.  Um es kurz zu machen: Ihr seht, ich werde alt!

Aber derlei Dinge nicht genug. Wenn der Chef auf Arbeit nicht versteht, warum man mit Fieber zu Hause ist und “krank macht”, dann habe ich dafür auch keine Worte mehr.

Wat mutt dat mutt! – Wirklich?

Jetzt sitze ich im Cafe und lasse die Situation auf mich wirken. Meine Nebenhöhlenentzündung klingt nur langsam ab und wird durch meine Hausstauballergie immer wieder etwas unterhalten. Antihistaminika helfen da. Ich möchte einfach wieder fit sein und Sport machen können! Das Leben spüren und nicht nur dessen Vergänglichkeit.

Und jetzt  noch angeschlagen im Urlaub. Warum im Dezember Urlaub? Nun ja, ich habe gemerkt, dass ich einfach eine Auszeit brauchte. Zum Nachdenken. Zum Planen. Nächstes Jahr stehen einige Veränderungen an: Facharztprüfung, neue Stelle suchen, dann wollen wir spätestens im Herbst wieder ein paar Tage in Bahrain verbringen,…

Jetzt mit einer heißen Schokolade in der Hand beginne ich den Morgen zu genießen. Ich beobachte die Leute, die das Cafe füllen. Kohlenhydratbomben und Heißgetränke gehen über die Theke, formelle und mitunter auch ehrliche Nettigkeiten werden ausgetauscht.

Ich werfe einen Blick auf meine Tasche, in der ein Notizzettel mit Erinnerungen an all die Sachen, die ich in dieser Woche machen soll, steckt. So viele Sachen sollte ich schon längst erledigt haben und warten sehnsüchtig auf meine Aufmerksamkeit. Ich habe keine Lust ihn herauszuholen. Ich will nicht. Ich habe keine Kraft. Ich bin müde. Ich will  einfach nicht! Der Alltag ist übersät mit Pflichten und Zwängen. Dies und Das und Jenes. Alles Dinge, die sein “müssen“, die “zum Leben” gehören, wie man sagt.

Ich werde philosophisch in meinen Gedanken, jetzt, da ich gerade hier sitze und den Augenblick genieße. Besser gesagt: ich lebe diesen Augenblick, diesen  unscheinbaren Moment und er kommt mir hundertmal wichtiger vor, als all die “wichtigen” Dinge, die “doch das Leben” ausmachen. Warum? Weil ich gerade ganz bei  mir bin.

Müssen, müssen, müssen, immer nur müssen. Um jemand zu sein, etwas zu schaffen, darstellen zu können, oder “ein gutes Leben” zu haben. Was ist ein gutes Leben? Arbeiten um zu leben, aber eigentlich lebt man nur für die Arbeit. Das habe ich ja schon im Krankenhaus immer wieder erlebt. “Ja, aber sie  bekommen ja dies und das und jenes gezahlt…”  Immer wieder wird das finanzielle Argument ins Feld geführt. Wenn man dieses Geschäft eingeht “zahlt” man jedoch drauf: die Kraft, Zeit, das psychische Wohlergehen und die sozialen Kontakte, die man dafür opfert sind zu wertvoll. So viel kann man gar nicht gezahlt bekommen! Und: kein Geld der Welt kann diese Dinge ersetzen oder kompensieren! Man verausgabt sich im Hamsterrad der Gesellschaft. Der Versuch, menschliche, psychische Bedürfnisse durch Geld und Konsum zu befriedigen, scheitert. Es ist Selbstbetrug.

Natürlich ist es das nur dann, wenn man nicht gelernt bzw. geschafft hat, Grenzen zu ziehen. Und das können erfahrungsgemäß nur die allerwenigsten Menschen, egal in welcher Branche.

“Kacke Attacke!” – Mitten im Leben

Meine Gedanken schweifen ab, als ich ein kleines Mädchen sehe, das genauso herumzetert wie Nico heute Morgen. Was in diesen kleinen Köpfchen so vor sich gehen mag? Wie wenig meine Gedanken gerade von Belang sind für solche kleinen Würmchen. Die sind voll und ganz im Hier und Jetzt. Gelebte Achtsamkeit könnte man sagen. Die brauchen keine Anleitung dazu, wir schon. Genausowenig die Ehrlichkeit: da wird alles herausposaunt, was einem gerade durch den Kopf geht. Nico zum Beispiel: gestern saß er auf seinem Stühlchen, hob plötzlich den Arm und schrie “Kacke, Attacke!!!” und amüsierte sich köstlich.

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“Kacke Attacke!” – Kein Autonomer vom schwarzen Block, einfach Nico…

Ich muss grinsen bei diesem Gedanken und dann tauchen wieder  die kräftezehrenden Bilder von heute morgen auf. “Mitten im Leben” kann man sagen. Mir fällt immer wieder auf, wie sensibel diese Kleinen sind. Sie nehmen alles wahr, auf und  können vieles noch nicht richtig deuten. Sie sind empfindsam, zerbrechlich, aber auch stark und manchmal auch brutal. Momentan sind wir ständig dabei, Nico in seine Schranken zu weisen: “Nein, der Teller wird nicht durch die Küche geworfen!” oder “Mama wird nicht gehauen!” sind nur zwei von unzähligen Beispielen. Natürlich machen diese Dinge Sinn, zweifelsohne, aber wir beschneiden auch viel von der Spontanität und einer gewissen (manchmal nervigen) Ehrlichkeit dieses kleinen Menschen, wenn wir ständig sagen “mach Dies oder Das” oder “Laß Das und Jenes!”.

In dem von mir kürzlich absolvierten “Kurs der psychosomatischen Grundversorgung” berichtete ein Psychoanalytiker über das Beispiel eines Kindes, das in der Mitte des 20. Jahrhunderts als Tochter einer Apothekerin aufgewachsen war. Als das Mädchen 1-3 Jahre alt war, nahm es die Mutter immer mit in die Apotheke zur Arbeit. Dort breitete sie eine kleine Decke aus, auf der sie das Mädchen setzte. Es durfte sich aber keineswegs von der Decke wegbewegen, nichts anfassen nicht schreien, nicht pupsen, gar nichts. Schließlich saß die Kleine stundenlang nur noch still auf der Decke und wippte von einer Seite auf die andere, in sich gekehrt. Später entwickelte sie eine Zwangserkrankung, so der Psychotherapeut. Das Mädchen wurde quasi aller spontaner altersgemäßer Bewegungen geraubt, Impulse massiv unterdrückt und dem Zwang so der Weg geebnet.

Firlefanz

Natürlich entwickelt nicht jeder eine Zwangserkrankung, aber es rüttelte mich etwas wach, da ich Nico schon sehr in die Schranken wies, wenn er zu sehr plärrte, zu viel irgendwo rumpopelte usw. Aber: Was ist zu viel? In erster Linie war es mir zu viel, nicht ihm. Ich bin eher nur nach meinen Bedürfnissen gegangen, weil ich müde war und zur Arbeit musste, oder Ähnliches. Ich hatte “keine Nerven für Firlefanz“, weil meine Energie und Kraft von der Arbeit gebunden waren… Für ihn war es aber irgendwie ja kein “Firlefanz“, gemessen an seiner Entwicklung eben.

Bei dem Gedanken, daß Nico ja auch von mir lernt, wie man mit Stress umgeht, wird mir fast übel. In diesem Moment also, wo ich gestresst war und so reagierte wie ich eben reagierte, zeigte ich ihm unbeabsichtigt meinen Weg, Stress zu verarbeiten. Und diesen Weg versuche ich eigentlich zu ändern, weil er mir nicht gut tut.

Also, wie soll ich mein Kind erziehen? Es soll ein “anständiger”, “gesellschafts-konformer Bürger” werden, aber er soll doch auch die Freiheiten haben, die er braucht, um sich zu entfalten, oder?

Und trotzdem muss ich ihn schon hier in gesellschaftliche Normen pressen, die ja auch vernünftig sind. Er soll ja auch ein Mitglied der Gesellschaft werden und kein “störendes Randgruppenelement”, kein Aussenseiter. Er “soll Etwas werden“, vor allem aber soll er glücklich werden. Und das ist natürlich an gewisse Umgangsstandards gebunden – aber auch an Entwicklungsfreiräume, die uns vielleicht unsinnig erscheinen.

“Eben mal” das Kind erziehen – WICHTIGER als der Job

Also bin ich in meiner Elternrolle gefragt, ganz klar. Das erwarte ich auch von jedem anderen Vater. Trotzdem steht dies in einem (immer noch) ganz starken Kontrast zum gelebten gesellschaftlichen Ansehen und Wertschätzung.  Es wird verlangt, dass Erziehung “nebenbei” stattfindet. Wenn der Chef komisch guckt, weil Mutti oder Vati beim kranken Kind zu Hause sind, dann ist das nur ein Beispiel. Andere sagen ganz ehrlich, sie stellen keine jungen Mütter ein – und das im 21. Jahrhundert!

Die Hauptpflicht ist die Erfüllung der Arbeitsaufgaben, was man mit der Familie macht ist egal, Hauptsache diese ist untergeordnet!  Wir erleben es bereits mit einem Kind, wieviel Aufmerksamkeit es braucht, wie oft man sich die Zeit nehmen muss, Geduld aufbringen muss, um ihm die Welt zu erklären, die so viel Schönes, aber auch Schmerzhaftes bereithält. Es ist einfach schwierig für solche kleinen Zweibeiner und unsere Hauptaufgabe ist nun mal, bei ihnen zu sein und ihnen dabei zu helfen groß zu werden. Und das ist wichtiger als der Job und irgendwelche anderen Verpflichtungen!

Was passiert, wenn man die Familie unterordnet sehen wir ja: Kindergarten und vor allem Schule müssen das nachholen, was Eltern nicht gemacht oder geschafft haben: eine vernünftige Sozialisierung eines jungen Menschen, die zu Hause anfängt. Interpersonelle Kommunikation, das Erleben von Gefühlen und der Umgang mit ihnen. Und das braucht Zeit! Aufmerksamkeit! Geduld! Und die gibt es in unserem “modernen” Leben nur noch in homöopathischen Dosen.

Spätestens aber ab der Schulzeit beginnt aber, wie ich meine, etwas Verhängnisvolles: Indem wir im Laufe der Jahre immer strenger in unserer Leistung bewertet werden und wir eigentlich nur noch über die erbrachte Leistung als Bewertungsmaßstab wahrgenommen werden, lernen wir, ausschließlich über unsere Leistung gewertschätzt zu werden. Mathe, Physik, Englisch, Sport usw., das sind alles nur schmale Bereiche des menschlichen Lebens, gemessen an der Vielzahl von Qualitäten und Fähigkeiten eines Menschen, der Persönlichkeit. Ihn faktisch also nur darüber eine de facto alleinige Wertschätzung zukommen zu lassen, kann doch nur irgendwie unfair sein. Wer benotet schon “Empathie” oder gar “Nettsein”? 😉

Besonders durch immer steigende Ansprüche an Schüler und Studenten vergrößern wir auch die Möglichkeit, dass Menschen diesen nicht gerecht werden können und eine entsprechende Ablehnung ihrer Person empfinden. Der Absturz oder die “verbockte Weiterentwicklung” ist abzusehen. Würdevolles Selbstverständnis und ebensolcher Umgang mit anderen lassen sich nicht anhand von PISA-Studien messen.

Abgestellt auf dem Schrottplatz der menschlichen Individuen?

Auf der anderen Seite finden wir die eigentlich erfolgreichen Menschen der Student, der seit x-Semestern nicht mehr “weiterkommt” mit seiner Bachelor-Arbeit, der darüber so verzweifelt ist, dass er depressiv vor mir sitzt und an ein Ende des Lebens denkt. Oder der Abteilungsleiter, der “ausgebrannt” ist, der aber zu Hause noch die dicken Akten von der Arbeit zu liegen hat und sich Gedanken um die Reaktionen des Chefs macht.  Beide definieren sich über ihre Arbeit, haben Ansprüche, die in keinem Verhältnis zu ihren Ressourcen und menschlichen Eigenschaften stehen. Auch sie haben es “erfolgreich” gelernt, sich anscheinend hauptsächlich über ihre Leistung zu definieren.

“Pass auf Dich auf!”

Und jetzt? Abgehängt, ausrangiert, erledigt, nutzlos? “Notschlachtung“? Das trifft übrigens auch auf all die älteren Arbeitnehmer zu, auch wenn sie noch “in Kraft und Saft” stehen. Der “Leistungs-TÜV” wartet nicht und wird mit jedem Lebensjahr immer schärfer… Die “Ausrangierten” –  das ist auch so eine Parallelgesellschaft. Und bedroht deren Ausgrenzung und “Kranksein/Krankgemacht-Sein” uns nicht mehr, als die Migrantenfrage?

Was sie bei all dem Studium und Arbeiten nicht gelernt haben: auf sich selber aufzupassen. Was tut mir gut, was nicht? Das lernt man leider nicht auf der Schule und auch nicht auf der Uni, dabei wäre es doch eines der wichtigsten und auch praktischten Fächer überhaupt.

Um mal zum “greifbaren Körperlichen” zurückzukommen. Erst kürzlich kam ein Patient zu mir, etwa Ende 50. Leicht untersetzt, graue Haare, Hemd, Jeans. Dicke Brillengläser machten seine Augen beim Blick durch die Brille ganz klein, so wie die Knopfaugen von Nicos Teddybär. Das Gesicht gerötet, leicht hektisch, ungeduldig wirkend, gefühlt “Typ Choleriker“. Er habe vor kurzem immer wieder bei einem Bekannten den Blutdruck gemessen, und dieser sei zu hoch gewesen. “Das hatte ich doch noch nie!”, sagte er entrüstet, ganz als ob er enttäuscht über sich selbst wäre. Er sei in der Manager-Etage eines großen Unternehmens, hätte Führungsaufgaben und Personalverantwortung. Obwohl ich die Antwort schon absehen konnte, fragte ich, ob er denn viel Stress hätte. Ich hatte eigentlich ein “Ja, natürlich! Was für eine Frage!” erwartet. Statt dessen sagte er mit funkelnden Augen und mit leicht überheblicher Stimme: “Stress ist eine Krankheit der Leistungsschwachen!” Er sei ein Machertyp, keiner, der sich mit Stress abgebe…

“Stress ist eine Krankheit der Leistungsschwachen”

Dieser eine Satz war frappierend ehrlich. Er sagte so viel aus über ihn, mehr als über die anscheinend verachteten “Anderen”. Ich muß ehrlich gestehen, dass ich selten so glücklich darüber war, zu den Leistungsschwachen zu gehören…

Um es einmal ganz simpel auszudrücken: Egal ob Student, Abteilungsleiter oder “ausrangierter” Schüler, wir  “leisten” es uns, zunächst massenhaft kranke Menschen zu “produzieren” um diese dann “teuer zu therapieren“.  Macht das Sinn? Ist das der Sinn von Nachhaltigkeit, von der ja so viel gesprochen wird? Wenn wir nicht gelernt haben, nachhaltig mit uns selber umzugehen, wie soll das dann bloss mit der Natur funktionieren? Nicht, dass ich das für unlösbar halte, aber für überlegenswert…

Hasta la Vista, Baby!

Es ist Abend. Nico hat zuende gespielt, gegessen (manchmal das gleiche wie Spielen), Zähne geputzt (was für ein Kraftakt!), Windel gewechselt, Schlafanzug angezogen, Schlafsack drüber. Heute hat Fiona´s Mama Geburtstag. Fiona ist Nicos Babysitterin und Nico mag sie sehr. Manchmal ruft er im Hausflur nach ihr oder fragt “Kommt heute Fiona?” Wir klopfen, Glückwünsche werden ausgetauscht und nach einem kurzen Gespräch soll es eigentlich wieder nach oben gehen. Fiona kriegt von Nico ein Küsschen, die Mama, sogar der Papa von Fiona und Nico wundert sich noch über die kratzenden Bartstoppeln in Helmuts Gesicht und muß gleich mal bei mir nachprüfen, ob das so richtig ist. Doch Fiona hat Besuch: zwei junge Mädchen kommen aus ihrem Zimmer und wollen gehen. Klar, Nico knutscht die beiden auch noch ab! Er freut sich, im Mittelpunkt zu stehen und so viel Aufmerksamkeit zu bekommen. Auf dem Treppenabsatz wirft er “seiner” Fiona noch ein Luftküsschen zu und plötzlich ruft er “Hasta la Vista, Baby!” Alle lachen und er gluckst vor Freude. Natürlich hatte ich das vorher aus Spass zu ihm gesagt und er freut sich über neue Sprüche. Beim Ins-Bettchen-Legen, verrate ich ihm einen neuen Spruch: “Good night, Baby!” Er grinst und flüstert “Good nacht, Baby“…

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Geschafft: Im Heierchen mit Hund und Schlange

 

Joa, seid’s denn närrisch???

Nach laengerer Pause melde ich mich zurueck. Nicht etwa, dass ich die ganze Zeit Urlaub gehabt hätte (schön wär’s), aber mir hat schlichtweg die Zeit gefehlt. Der Sommer ist vorbei, der sogenannte “Urlaub” auch und ganz langsam nähern wir uns dem beschaulichen, “nach Harmonie lechzenden Jahresende” mit dem “Fest der Liebe”… Oje, wie schmalzig das klingt, aber immerhin kann man schon Weihnachtsgebäck bekommen, was ich für Anfang September schon abartig halte. Und nach Harmonie sieht es leider überhaupt nicht aus in diesem Lande.

Die Menschen sind zerstrittener denn je bzw. die Gesellschaft zeigt Risse, genauso wie Europa. Amerika spinnt eh und der Rest der Welt wirkt auch nicht ruhiger. Stimmt das so, oder sind das nur die dramatisierenden Eindrücke durch die Presse, die uns 24/7 nur mit Negativmeldungen zu überfluten schein?

Zumindest in Deutschland geht das politische und gesellschaftliche Chaos in eine neue Runde. Seit Wochen beschäftigt uns bereits das Thema des Chefs des Verfassungsschutzes und Rumgeeiere eigentlich aller Parteien. Die Demokratie wird auf eine harte Probe gestellt, ebenso wie das gemeine Volk, das sich jetzt nicht mehr blind auf die Politik verlassen kann. Was ist da los? Was erzürnt uns so? Nun, ich kann hauptsächlich nur für mich selber sprechen, auch wenn ich denke, dass der ein oder andere meine Gedanken teilen wird.

Da gibt es Vorkommnisse in deutschen Städten, die mich irgendwie leicht an die Situation in Rostock 1993 erinnern: aufgebrachte Menschen jagen in einem Video andere. Dann wird spekuliert, ob es eine Hetzjagd sei und ein Verfassungsschutzchef stellt dies in Frage. Die Reaktionen kommen wie vorprogrammiert, es wird gelärmt und protestiert, die Entlassung gefordert.

Nun, zunächst einmal hat zweierlei Gewalt stattgefunden: gegen einen Deutschen und gegen Ausländer bzw. solche, die so aussehen. Beides ist inakzeptabel. Punkt. Aus. Ende. Dass man sich dann um die Begrifflichkeiten streitet ist wirklich grotesk, und ob das Video wirklich echt sei, das ändert nichts an der Wirkung, wenn es erst einmal ausgestrahlt ist!

Dass von Teilen der Migranten Gewalt ausgeht kann man natürlich nicht schönreden und mit schlechter Kindheit begründen. Auch ein erittenes schweres Trauma kann nicht als Rechtfertigung dienen, höchstens als Erklärung für manche Denkmuster, die zu Gewalt führen. Auch hat jemand -meiner Meinung nach- seine Chance auf Aufenthalt verspielt, wenn er Gewalt ausübt, oder kriminell in Erscheinung tritt. Das hat nichts mit dem regelmäßig reflexartig vorgeworfenen Rassismus, sondern mit Fairness denjenigen Migranten zu tun, die sich korrekt verhalten und bemühen – und eben auch uns Deutschen gegenüber.

Genauso verachtenswert sind Übergriffe auf Migranten. Das ist ganz klar und bedarf keiner Diskussion. Gewalt jeglicher Form, egal woher und gegen wen und was ist immer abzulehnen. Punkt.

Braunes Sumpfland Ostdeutschland?

Wenn in Deutschland tausende von Menschen gegen Rechts und für unsere Werte demonstrieren, dann ist das gut und wichtig. Dabei sollte nicht der Fehler gemacht werden, dem In- und Ausland den Eindruck zu vermitteln, dass der Osten einzig ein braunes Sumpfland ist!

In der ZDF-WOCHENSHOW, die ich wegen der Rundumschläge schätze (jeder kriegt etwas ab, auch wenn ich nicht Mit allem übereinstimme) tingelte die Schweizerin Hazel Brugger als “Journalistin” in die Ostprovinz und interviewte wenige Demonstranten auf Pegida-Seite. In die Kamera sprach sie dabei mit einem herrlich schweizer Dialekt zu einem fiktiven schweizer Publikum, das sich die Frage stellt, wie unsicher es für schweizer Touristen hier wohl sein möge. Auch wenn anders beabsichtigt, so konnte der aufmerksame Zuschauer deutlich sehen, dass bei weitem nicht jeder rechtsgerichtet ist, der dort anzutreffen war, sondern dass sich abgehängte, frustrierte und alleingelassene Menschen vor der Kamera äußerten. Auch wenn sich hier keiner als Rechter oder gar als Nazi sieht, müssen sie sich den Vorwurf des “Rechts-Sein” gefallen lassen, da sie sich ja auf einer rechtsgerichtet Demonstration befinden. Sie hätten ja auch eine alternative Demonstration organisieren können, oder?

Sind wir die Guten?

Doch mal anders herum: Sind wir, die Toleranten und Offenen dieser Welt und dieses Landes wirklich allseits fair?

Ich würde mir wünschen, dass die “Zivilgesellschaft” weniger selektiv auf Gewalt, Ausgrenzung usw. reagieren und ihre selbst gesteckten Werte wirklich jedem gewähren würde. Denn auch hier gibt es Ausgrenzung von Menschen anderer Meinung! Hätten die o.g. frustrierten Pegida-“Mitläufer” wirklich eine alternative Demonstration abgehalten mit Distanz zu rechtsradikalen Strukturen, so darf man vermuten, das man ihnen eben dies trotzdem unterstellt hätte. Man hätte sie also trotzdem in die rechte Ecke geschoben.

Die Forderung z.B. kriminelle Migranten abzuschieben ist per se nicht rechtsradikal oder menschenverachtend – erst der geistige Überbau und entsprechende Forderungen bzw. Handlungen (Hetzjagden) sind es.

Das bedeutet, dass sich auch die sich als liberal und tolerante Gesellschaft Kritik gefallen lassen muss.

Interessant ist hierbei auch der öffentlich sprachliche Wandel. Während es früher verpönt und scheinbar unmoralisch war, von “Kriminellen Ausländern” zu berichten (so übrigens auch in der Schule!), so wurde plötzlich -vielleicht weil man die Wut der Bevölkerung bemerkte- z.B. über die Übergriffe von Migranten auf Frauen in Köln in der Sylvesternacht 2016 (?)berichtet. Der radikal offene Stil zu berichten hat sicherlich nicht zur Beruhigung der Lage beigetragen.

Ein anderes Beispiel für noch verbeserungswürdige Werteverteidigung: Ich kann mich nicht an Großdemonstrationen erinnern, die sich gegen die Zerstörung durch 1.Mai-Krawalle richteten. Diese hatten manchmal Strassenkämpfen geähnelt.

Diskriminierung mal anders: Fremd im eigenen Land

Ich selbst wurde in der Grundschule (!) wegen meiner Ostberliner Herkunft gemobbt, sogar zu körperlichen Auseinandersetzungen kam: vom Bedrohen durch Mehrere, Anspucken und Tritte. Die Täter waren dabei sowohl Deutsche, wie auch Schüler mit Migrationshintergund. Ist so etwas nicht genauso verachtenswert, wie rechtsmotivierte Gewalt?

Ich weiß, wie es sich anfühlt, wegen seiner Herkunft diskriminiert zu werden.

Diskutieren und kritisieren darf und muß man sogar. Die Welle, auf der Nationalisten und Rechte reiten, ist zu gewissem Umfang das Resultat arroganter und ignorante Politik fast aller großer Parteien in Deutschland! Keine dieser Parteien hat in den letzten 40 Jahren sich mehr als nur um sich selbst gekümmert. Zumindest ist das das Gefühl der Menschen.

Diejenigen, die jetzt vorgeben z.B. als bayrische Kreuzritter das Abendland so heroisch zu verteidigen, saßen auch vor Jahrzehnten in den Regierungen, die Gastarbeiter nach Deutschland einluden, sich aber keine Gedanken darum gemacht haben, was mit der zweiten und dritten Generation wird.

Ein Hartzer ist kein Käse

Genausowenig konstruktiv haben sich die kleineren Parteien verhalten. Unter dem “Deckmantel der Toleranz” hat auch das linke Spektrum der Politik sich nie wirklich für die Menschen interessiert, weder für die Migranten, noch für sozial und wirtschaftlich benachteiligte Einheimische. Ignoranz und Arroganz aller Akteure. Das Resultat sind jahrzehntelange Hinterhofmoscheen, ältere Damen, die ohne jegliche Deutschkenntnisse seit 30-40 Jahren in Deutschland leben, Jugendliche, die weder richtig Deutsch noch Türkisch sprechen können und direkt nach der Schule “Hartzer” werden (Hartz IV). Sie haben weder in Deutschland noch in der Türkei noch auf dem Mond eine Chance. Einige von ihnen machen eine kriminelle Karriere durch.

Hierzu gab es erst diesen Samstag einen interessanten Beitrag im Deutschlandfunk

Hier gehts zum Link: www.dlf.de Kriminalität in Berlin – Die Macht der Clans

Beschrieben wurde u.a., wie in den 80er Jahren geflüchtet libanesische Großfamilie zunächst weder arbeiten durften, die Kinder nicht schulpflichtig waren (wie geht das eigentlich?) und vor allem auf sie Clanstrukturen angewiesen waren, um zu überleben. Die Folge war die kriminelle Parallelgesellschaft. Aber daran störte sich anscheinend kein Politiker, oder etwa doch?

Ein Pendant auf deutscher Seite: Menschen in sozialen Randgruppen, die nichts oder kaum etwas vom Wirtschaftswachstum abbekommen. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob die Situation selbst verschuldet ist oder nicht. Auch das sind “Abgehängte”. Auch das ist eine Parallelgesellschaft

Das Gefühl, das diese Menschen haben, zählt an der Wahlurne.

Allerdings wurde auch in den Jahren vor der Flüchtlingskrise eine Verrohung der Gesellschaft diskutiert und Problemviertel und z.T. “No-go-Areas” wurden auch schon früher beschrieben. Umso unverständlicher dann, dass jetzt mit Straftätern, “Gefährdern” und “Intensivtätern” so falsch-nachsichtig weiter umgegangen wird wie bisher – oder ist das dann das Konsequente der Politik?

Fordern, Fördern, Richtlinien vorgeben. Dafür gab es jahrzehntelang viel Zeit. Genutzt wurde sie nicht, oder kaum.

Wir mit unseren freiheitlichen Werten, die ja mit Akzeptanz und dem selbstverständlichen Recht auf Unversehrtheit einhergehen, büßen gewaltig an Glaubwürdigkeit ein , wenn wir Gewalt egal welcher Form zulassen. Genauer gesagt: wir lassen es de facto zu, indem Vergehen nicht adäquat geahndet werden.

Gewaltvoyeurismus – oder: die Pornographie der Gewalt

Auch präventiv wird zu viel “digitalisiert” (Kameras), zuviel protokolliert, statt wirkliche Präsenz zu zeigen und zu handeln. Es ist wie eine Form der unterlassenen Hilfeleistung: der Staat guckt lieber zu. Die Täter können sich dann noch über mediale Aufmerksamkeit freuen, wenn ihre Schandtat im Netz oder im Fernsehen ausgestrahlt werden.

Die Gültigkeit unserer Werte und Gesetzte erlischt damit teilweise oder vollständig und wird zur Farce – zumindest gefühlt vom Opfer. Wenn Menschen schwere Verletzungen erleiden, die Täter dann aber nur zu Bewährungsstrafen oder Sozialstunden verurteilt werden, dann hebelt das ganz gewaltig unsere Werte aus!

Als ich zur Schule ging, war es üblich, dass die Polizei Jugendliche, die nach 22 Uhr draußen angetroffen wurden, einsammelte und die Eltern ermahnte. Heutzutage gibt es das nicht mehr, oder?

Viel zu oft wird mit der Sorge vor dem Polizeistaat und der deutschen Vergangenheit argumentiert. Dass diese Gedanken grundsätzlich nicht falsch sind, versteht sich. Nichtstun ist ebenso gefährlich. Gepaart mit dem Einsparungswahn der 90er und 2000er Jahre ist daraus ein -wenn auch zugegeben kleines- Machtvakuum entstanden.

Hatte man gehofft, dass sich der Mensch selbst zügelt?

Wenn man der Mehrheit von uns beim Essen zusieht, dann glaube ich nicht recht daran.

Und die Maßlosigkeit beim Essen findet ach so oft ein Pendant in anderen Lebensbereichen. Zumal bei solchen Zeitgenossen, die das Gespür für Respekt, Friedfertigkeit und Gerechtigkeit verloren haben.

Sollte man erwarten, dass die Autofahrer brav am Stoppschild halten, auch wenn kein Polizist danebensteht? Wir sind doch im geordneten Deutschland, möchte man meinen…

Der Hofstaat rebelliert

Zurück zum Fall Maaßen: reflexmässig wird immer lauthals nach Rücktritt von der jeweiligen Opposition gerufen, ganz egal wer gerade regiert und was eigentlich vorgefallen ist. Glauben die wirklich selber, das sich durch den Fall eines Behördenchefs oder eines Ministers etwas Grundlegendes ändert? Bestimmt nicht, aber man will uns weismachen, dass “man ja etwas getan hat”. Grundsatzfragen werden kaum angegangen.

Was dann anschließend geschah war bewundernswert und genial: der “Eiserne Horst” hatte es geschafft, den Spieß umzudrehen: der Verfassungsdienstchef stürzte – allerdings fiel er die Treppe nach oben. Für die “Zartstimmige Andrea”, die ja dauerheiser klingt, wäre es auch zum Jubeln gewesen, da das “Hasskind Maaßen” ja nicht mehr im Amt wäre. Und “Mutti” hätte wieder Ruhe im Laden gehabt. Dumm nur, dass das alles auffiel. Der Volksmund spricht bei solchen Vorkommnissen von Vetternwirtschaft – man verschiebt Posten, wie es die Beziehungen ergeben. Das gehört zum Spektrum der Korruption. Was für ein böses Wort! Das heißt natürlich “Kompromiss”, wie konnte ich das vergessen, ich Dummchen…

Geiz ist geil?

Doch was hat das alles zu bedeuten? Gewalt, Migration, Rechtsruck usw. sind die aktuellen Schlagworte. Wie hängt das alles mit uns zusammen?

Also, insgeheim glaube ich, dass wir in Europa nur deshalb ein angenehmes Leben führen können, weil es anderen Leuten schlecht geht. Stichwort Verteilung der Güter, knallharte Machtinteressen der (auch deutschen) Wirtschaft, die international vermutlich genauso korrupt und blutig agiert wie die Mafia in Italien oder Kolumbien aber auch unsere Gier nach Luxus. Bullig muss es sein und sofort verfügbar!

Mein laienhaftes Hirn kann das natürlich natürlich nur begrenzt erahnen, doch gewisse Bestätigung bekommt es durch z.B. einen Beitrag des Deutschlandfunks vor ein paar Wochen. Hierin wird versucht eine Antwort auf unsere Fragen zu geben. Ich kann ihn wärmstens empfehlen!

Hier gehts zum Link: www.dlf.de Leben im Überfluss – Luxus – eine verbrannte Perspektive?

Dahoam is dahoam – Jetzt aber mal ernsthaft!

Teil 2

Menschen wie Olga und ich sind gerne in der Welt unterwegs. Wir können daher ruhig sagen, fast überall könnte unser Zuhause werden. Das ist das Privileg desjenigen, der mit den minimal nötigen finanziellen Mitteln ausgestattet ist und jederzeit die Möglichkeit hat, sich anders zu entscheiden. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass es immer auch eine emotionale Anstrengung ist, sich an einem neuen Ort zurecht zu finden, zumal wenn es sich um ein anderes Land handelt. Ausgehend von diesen Gedanken möchte ich mich mal zur aktuellen Situation in Deutschland äußern, zu der Flüchtlingskrise und was dazu gehört.

Folgende Abschnitte erwarten Euch:

  1. Vom Äußeren kann man (manchmal) doch auf`s Innere schließen.
  2. “Ein Kessel Buntes”
  3. Flüchtlinge – Opfer? Täter?
  4. Pubertät
  5. Parallelen – mal anders vergesellschaftet
  6. Der lange Weg zur Identität
  7. “Deutsche Lei(d)tkultur”
  8. “Gehört der Islam zu Deutschland”?
  9. CDU und Islamisten sind eine Familie!
  10. Des Emirs Wunderland
  11. Palermo in Deutschland

 

1. Vom Äußeren kann man (manchmal) doch auf`s Innere schließen.

Wir waren fast 4 Jahre im Ausland und mit der Zeit bekommt eine Distanz und einen anderen Blick auf das eigene Land. Als wir letztes Jahr zurückkamen, fanden wir ein zerrissenes Land vor. Insgesamt scheint Deutschland sehr hektisch, ungeduldig und so chaotisch durchstrukturiert zu sein, dass man keinen Überblick mehr hat (v.a. die Bürokratie). In diese Hektik mischen sich starke emotionale Diskussionen, allen voran die “Flüchtlingsfrage”, und der Streit um Aussagen wie “der Islam gehört zu Deutschland”. Die Themen sind ernst, die Art und Weise, wie diese Themen diskutiert werden erschreckend. Man vermisst Ideenreichtum und Weitsichtigkeit bei der Lösung der Probleme. Bei ALLEN Parteien! Nicht nur optisch gleicht die deutsche Politikerlandschaft einem Grusekabinett…

 

2. “Ein Kessel Buntes”

Nein, ich meine hier weder die alte DDR-Unterhaltungssendung, die samstags die Bürger des Arbeiter- und Bauernstaates in Wallung brachte, noch den Karneval der Kulturen alljährlich in Berlin und schon gar nicht eine zünftige Gullaschsuppe. Vielmehr meine ich das “intellektuelle Durcheinander” in der deutschen Politik, deren Akteure den Bürger verwirren. “Flüchtlinge”, “AfD”, “Nazis“, “Linke Medien”, “Wirtschaftsflüchtlinge”, “Lügenpresse”, “Islamisten”, “Der Islam gehört / gehört nicht zu Deutschland”, “Integration”, “Integrationsunvermögen”, “Steinzeitdenken”, “Mutti“, “Heilsbringer”, “Sozialschmarotzer”, “Vergwaltiger“…. das sind nur ein paar Stichworte. Die Emotionen kochen beständig mit hoher Gradzahl, möchte man meinen. Deutschland scheint sich zu polarisieren. Die einen meinen, dieses Land macht sich in großen Schritten auf den Weg in ein “4. Reich”, die anderen spüren den Zeitpunkt des “Befreiungsschlags”, dem Aufbruch in ein Zeitalter gegen die “verlogene Presse” und das “Gutmenschentum”. Endlich dürfe man wieder “die Wahrheit” sagen, man wagt es. Was ist dran an all diesem Wirrwarr?

 

3. Flüchtlinge – Opfer? Täter?

Schauen wir uns mal einen Aspekt an. “Es kommen ja nur junge Männer”, hört man viele oft sagen. Auch ich habe die Beobachtung gemacht, dass sich v.a. junge Männer aus dem Nahen und Mittleren Osten und aus Nordafrika auf den Weg zu uns gemacht zu haben scheinen. Und im Fernsehen sieht man Warteschlangen mit nur wenigen Frauen zwischen vielen Männern. Wo sind die Frauen geblieben? Wer sind diese jungen Männer, die da kommen? Alles Vergewaltiger? Messerstecher? Kriminelle? Verdeckte IS-Kämpfer, die nur darauf warten, loszuschlagen? Oder alles politisch Verfolgte? Alles Opfer von Polizei und Geheimdienst in ihren Heimatländern? Alles Demokraten? Menschen, auf die bei Rückkehr der Tod wartet?

In der Tat wissen wir doch sehr wenig über diese Menschen, die da vor allem seit 2015 zu uns gekommen sind, um nicht zu sagen: Wir wissen gar nichts! Wir können weder nachvollziehen, woher sie tatsächlich kommen, noch wie sie nach Europa wirklich gekommen sind, und erst recht nicht, was auf der Reise oder Flucht tatsächlich passiert ist. Das ist Fakt. Fakt ist aber auch, dass nicht jeder ein Verbecher ist, aber auch nicht jeder ein bloßes Opfer sein kann. Die Wahrheit kennen nur diese Menschen selber. Verbrecher gibt es überall auf der Welt. Auch wir in Deutschland haben genug davon. Allerdings ist mir kein Land bekannt, in dem die Kriminellen die absolute Mehrheit bilden. Das verbietet per se die Gesamtheit der Geflüchteten mehrheitlich als Verbrecher einzustufen. Genauso gibt es kein einziges Land auf der Erde, in dem nur zahme Schafe leben, die sich nur lieb haben und keins dem anderen ein Wollhaar auszupft. Insofern darf man schon auf respektvolle Weise die Herkunft eines Menschen hinterfragen, ohne, dass dies als Anklage oder Menschenrechtsverletzung gilt. – Keine einfache Sache.

Und warum dann vor allem Männer? Ich habe keine Ahnung. Möglich wäre, dass sie die größere Chancen haben, eine Flucht zu überleben. Auf der anderen Seite sind sie es vor allem, die zum Militärdienst und damit zum Schießen auf die eigene Bevölkerung verdammt sind – und dann natürlich zum Sterben. Also ab aufs Meer und weg? Genauso unklar sind die Wege und Mittel der Flucht. Sicher haben viele Familienangehörige Geld zusammengelegt, damit einer von ihnen flüchten kann, aber dann? Wir wissen nicht, was sie taten oder gezwungen waren zu tun, um diese Flucht überleben zu können. Haben sie Mißhandlungen erlebt oder selbst getötet, vergewaltigt? Oder beides: Opfer und Täter? Wir wissen es schlichtweg nicht. – Wiederum: keine einfache Sache!

Und jetzt? Alle abschieben, oder alle aufnehmen? Es gibt keine einfachen Antworten in solch komplexen Fragen. Jeder, der eine einfache Lösung anbietet, muß generell als unseriös gelten und das ungeachtet der politischen Couleur.

4. Pubertät

Die Art und Weise, wie diese Diskussion geführt wird, ist jedoch viel interessanter. Dieser Disput um die Frage der Flüchtlingskrise sagt mehr über uns aus, als über die Flüchtlinge. Überhaupt ist diese Krise eher eine Identitätskrise diesen Landes, die schon viel älter ist, sozusagen eine prolongierte Pubertät. Es wird mit Emotionen gespielt, mit Ängsten, Enttäuschungen, Minderwertigkeitskomplexen, die von der anderen Seite wie ein Ping-Pong-Spiel bedient und damit verstärkt werden. Konkret meine ich das an den vielen AfD-Wählern auszumachen. Sind die alle rechtsradikal? So einfach ist das nicht, auch wenn das einen die politischen Gegenspieler so erklären. Man muß sich schon etwas Mühe geben. Rein statistisch ist das nicht einleuchtend, dass alle Nazis sind. Ansonsten hätten ja schon vorher die Republikaner (gibt´s die überhaupt noch?) und die NPD im Bundestag viele Sitze erhalten müssen. Auch wenn viele der älteren Generation unter den Wählern sind, so ist nicht zwangsläufig von einer Demenz-Epidemie auszugehen, die diese Menschen in die Arme der AfD treibt. Was ist es dann? Es sind v.a. negative Emotionen: Angst z.B. Die Menschen fühlen sich bedroht, z.B. vom Islam, von “Überfremdung” usw. Dabei spielt es gar keine Rolle, ob diese Angst real ist oder nicht, sie haben Angst! Die etablierten Parteien hätten hier die Möglichkeit gehabt, Bürgernähe und Verständigung am real-existierenden Bundesbürger zu üben. Aus Eitelkeit und Gewohnheit geschah und geschieht dies aber nicht. Statt dessen überläßt man dem rechten Parteienspektrum das Feld. Mehr noch: durch Verunglimpfung von Bürgern, die den Wohlstand diesen Landes aufgebaut haben (wenn auch nicht aleine), treibt man diese Menschen erst recht nach rechts. Am rechten Rand hingegen warten bereits geschulte Akteure, die die Situation gekonnt auszunutzen wissen, die Gelegenheit am Schopfe packen und die Lage weiter anheizen.

 

5. Parallelen – mal anders vergesellschaftet

Die Menschen, über die wir hier sprechen, haben Angst vor Parallelgesellschaften – und meinen damit Ausländer oder Menschen “mit Migrationshintergrund”, die sich abschotten. Dass es diese gibt ist Realität, auch wenn diese immer wieder bezweifelt wird. Sie merken dabei gar nicht, daß viele von ihnen selbst bereits in einer Parallelgesellschaft leben: nämlich in der, der “Abgehängten”: Menschen, die von der Rente nicht leben können, die arbeitslos sind, keine Perspektive haben. Diese Menschen fühlen sich abgehängt von der Entwicklung. Sie verstehen nicht, wie der “Ausbau von schnellem Internet” wichtiger sein kann, als bezahlbarer Wohnraum. Menschen, die nicht mehr Teil der “Leistungsgesellschaft” sind. Das Schlimme dabei: die Politik merkt es auch nicht, wie sie Menschen ausgrenzt, vergisst… Diese Politik ist es auch, die ihnen nun ihr scheinbar Letztes nehmen möchte: ihre Identität, indem sie das Gefühl vermittelt, dass sie nicht mehr “Herr im eigenen Hause” sind, die Selbstbestimmung der Bevölkerung. Die etablierten Parteien müssen sich also auch fragen lassen, ob das ihre Form der Toleranz, Fürsorge und Offenheit ist, die sie propagieren. Daß eine “Partei” wie der AfD keine tragfähige Lösung bietet, liegt auf der Hand, aber sie bietet Gehör und simuliert Verständnis. Rechte Parteien versuchen das Bedürfnis nach Identität zu bedienen. Das ist keine Stärke der Rechten, sondern eine fundamentale und sträfliche Schwäche der eigentlich demokratischen Parteien!

6. Der lange Weg zur Identität

Ich kann mich daran erinnern, wie es in meiner Gymnasialzeit fast schon verschrien war, eine Deutschlandfahne bei einem Fußball-Länderspiel aus dem Fenster zu hängen. Nicht, dass ich dieses gerne getan hätte, war ich doch kein so großer Fußballfan. Später mußte ich mich dann rechtfertigen, warum ich Wehrdienst und nicht Zivildienst machte und wurde schon deshalb eher leicht-rechts eingeordnet. Heute ist es dagegen einfacher, es hat sich also etwas getan im Selbstverständnis von uns Deutschen. Trotzdem haben wir Deutschen es scheinbar schwer, uns selbst zu definieren. Auf unsere Geschichte stolz zu sein ist schwierig, weil immer die NS-Zeit allgegenwärtig zu sein scheint. Dass das aber vor allem von uns selbst so wahrgenommen wird, zeigte mit ein Gespräch mit den schwedischen Kollegen oder auch Bekanntschaften unterschiedlicher Herkunft, die ich in einem Hostel in Mumbai kennengelernt hatte. Sie verstanden nicht so richtig, warum wir uns so sehr mit einer schandhaften Episode unserer Landesgeschichte identifizieren.

Zur Identitätsfindung gehört auch eine ehrliche Diskussion bzgl. der Frage, ob wir überhaupt weitergehend ein Einwanderungsland sein möchten. Die Diskussion um diese Frage wurde schlichtweg übersprungen. Wenn ja, dann sollte man auch ehrlich diskutieren, wie dies aussehen soll, um eine sozial friedliche Zukunft zu gestalten. Wer, wieviel, auch wie lange? Es muß nicht jeder eingebürgert werden. Ein Heimatministerium ist unnütz und nur institutionalisierte Fassade. Menschen in Not zu helfen und somit auch vorübergehend (wenn auch Jahre), sollte hingegen möglich sein, zumal das ja auch den vielzitierten christlichen Werten in Deutschland entspricht. Man muß eben nur klären, auf welcher Grundlage und mit welchem Status. Darüber hinaus verurteilt man eine große Anzahl von Menschen, die sich erfolgreich in unsere Gesellschaft hineingearbeitet haben und wirklich angekommen sind! Und: Deutschland ist sicherlich kein Land, daß es willigen Menschen leicht macht, ihren Platz zu finden! (siehe dazu auch weiter unten das erwähnte Interview). Diese Menschen werden mit “Integrationsverweigerern” und denen, die die sozialen Systeme schlichtweg ausnutzen gleichgestellt, was eine Ungeheuerlichkeit darstellt!

 

7. “Deutsche Lei(d)tkultur”

Im letzten Jahr sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Aydan Özoguz (SPD) im „Tagesspiegel“: „Eine spezifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifizierbar.“ Damit war ein weiterer Tiefpunkt des politischen Spektakels erreicht und Herr Gauland ließ nicht lange auf sich warten. Ein solcher Satz von einer Integrationsbeauftragten des Bundes (!) ist inakzeptabel und sollte den sofortigen Rücktritt nach sich ziehen. Wie soll man Neuankömmlingen, Integrationswilligen und “Integrationspflichtigen” Deutschland erklären? Ein Land, das sich selbst zerstört? Dann wären wir wieder bei Thilo Sarazzin (“Deutschland schafft sich ab“). Daß Deutschland fast schon gesellschaftszerstörerische Tendenzen besitzt, zeigt sich alleine bereits in der Rechtssprechung, doch dazu später.

Zur Rolle der Migranten und der Notwendigkeit der Anpassung von  gab der syrische Arzt Dr. Salem El-Hamid ein Interview der Jungen Freiheit. Er, als erfolgreicher Migrant in der Position eines Chefarztes, erklärt sehr eindrucksvoll, wie schwer es ist, sich in einem Land zurechtzufinden, und wie viel Anstrengung und Eigeninitiative es von Seiten der Migranten bedarf. Er sieht vor allem diese in der Pflicht sich anzupassen und nicht andersherum, wie es seit langem geschehe. Interessant ist, dass er das sehr prägnant auf den Punkt bringt. Er relativiert eine hierzulande scheinbar lange gepflegte Kultur der Aufweichung von europäischen Normen und des übermäßigen Entgegenkommens. Ein interessanter Standpunkt, auch wenn ich nicht in allen Details mit ihm übereinstimme. Was Syrien anbelangt, so hat er als anscheinender Assad-Anhänger natürlich weniger zu fürchten, als Gegner oder Geflüchtete. Ein interessantes Interview, das bei mir die Frage aufwirft: Warum in der Jungen Freiheit? Warum greifen dies nicht die großen “etablierten” Blätter auf, die sich selbst in der “Mitte der Gesellschaft” sehen? Schade und zeitgleich eine vergebene Chance!

 

8. CDU und Islamisten sind eine Familie!

Bezogen auf die von mir erwähnten Nuancen, Spielarten, fällt mir spontan das Tragen des Niqabs ein, das in den meisten arabischen Ländern eher von der Minderheit der Frauen getragen wird und das wir -so scheint es- akzeptieren sollen. Während mich ein Kopftuch in keinster Art und Weise stört, so finde ich den Niqab bei uns fehl am Platze. Eine eindeutige Positionierung der Politik ist hier, wie auch in anderen Fragen erforderlich!

Daß sich die Politik aber lieber nicht zu sehr Mühe geben will wird, sieht man nicht nur an der Auswahl der o.g. Integrationsbeauftragten. Auch die neuerdings nach rechts driftenden “christlichen” Parteien -am ehesten um Machtverlust zu vermeiden- haben sich schon so manches Mal von ihrer schlechten Seite gezeigt: Zum Beispiel hielt die CDU-Bundetagsabgeordnete Ursula Heinen bereits im Jahr 2000 auf der Hauptversammlung der türkisch-islamischen Organisation Milli Görüs vor ca. 40.000 Menschen eine Rede, in der sie die Gleichheit der Familienwerte zwischen CDU und der Milli Görüs betonte. Häh? Zur Erinnerung: die Milli Görüs ist eine vom Verfassungsschutz beobachtete türkisch-islamistische Vereinigung. Ich bin mir sicher, dass die 40.000 Zuschauer auf ihre Kosten gekommen sind.

 

9. “Gehört der Islam zu Deutschland?”

Der Begriff der “deutschen Leitkultur” ist hingegen denkwürdig. Hier auch wieder die Frage: was ist die deutsche Kultur? Was macht Deutschland aus? In diese Diskussion warf ein Politiker den Satz “Der Islam gehört zu Deutschland”. Dieser Satz war ein weiteres Beispiel für das unheilbare Tun von Politikern. Er hat de facto die gleiche Sinnhaftigkeit wie die Aussage “Die blaue Farbe gehört zum Auto”. Äh ja, kann schon sein, dass ein Auto blau ist, aber was soll der Unsinn? Müssen jetzt alle ihre Autos blau anstreichen? Und genau hier liegt der fatale Punkt: Sehr leicht kann man denken, daß der Islam zur Leitkultur in Deutschland erhoben werden soll, obwohl das gar nicht gesagt wurde! Das kann auch gar nicht der Sinn sein! Viel eher hätte man sagen sollen “Die integrierten Muslime, Buddhisten, Atheisten usw. mit Migrationshintergrund gehören zu Deutschland”. Dies wäre ein klarer Satz gewesen, der eher einenden Charakter gehabt hätte.

10. Des Emirs Wunderland

Wenig später verkündete der bayrische Emir, daß Deutschland durch christliche Werte geprägt ist, und das auch so bleiben soll. Historisch ist das absolut richtig. Nur: welche christlichen Werte sind hier gemeint? Nächstenliebe und Rücksichtnahme können es in einer Ellbogengesellschaft -wie der unsrigen- wohl nicht sein. Insgesamt besteht seit über 20 Jahren eine zunehmende Verrohung. Werte und Normen werden -unabhängig von Migration und Religion!- ausgehöhlt. Es besteht ein Gefühl der Unsicherheit und des Ausgeliefertseins auch im rechtlichen Sinne in Deutschland in großen Bevölkerungsanteilen. Schauen wir und das mal an:

Beispiel 1: “Ich will Spass, ich geb Gas!”

Die WAZ (Westdeutsche Allgemeine Zeitung) berichtet im Mai 2016 über das Urteil eines Verkehrsunfalls, bei dem der Angeklagte der fahrlässigen Tötung und gefährlicher Körperverletzung beschuldigt wird. Im Baustellenbereich einer Autobahn war es bei regennasser Fahrbahn zu einem Crash gekommen, bei dem ein BMW-Fahrer auf einen Fiat auffuhr. Der Fiat überschlug sich und flog durch die Luft in den Stau hinein. Der 43jährige Fahrer und Vater starb, die beiden Kinder sind seitdem querschnittsgelähmt. Das Urteil: Freispruch! Es sei ja gar nicht erwiesen, dass er mehr als 80 km/h gefahren sei, und ob die Fahrbahn wirklich so naß gewesen sei, daß man hätte vorsichtig fahren müssen… Die Staatsanwaltschafte hätte bei einem Schuldspruch eh nur 2700 Euro Strafe gefordert. – Komische Anklage und vernichtendes Urteil für die Angehörigen und Betroffenen.

Beispiel 2.: “Und immer weiter feste druff!”

Im Januar diesen Jahres kommt eine 26-jährige schwangere Syrerin mit einem 27-jährigen Afghanen am Alexanderplatz in Berlin in Streit. Der Mann schubst sie in einen Regionalzug und tritt ihr gegen den Bauch. Der Begleiter der Frau (ein Palästinenser) greift ein, es kommt zu einer Schlägerei. Es stellt sich heraus, daß der Täter polizeilich bekannt war, und sich laut Gericht der Frau nicht hätte nähern dürfen. Die Polizei nimmt wegen gefährlicher Körperverletzung die Daten auf, der Täter wird wieder auf freien Fuß gesetzt.

In beiden Beispielen handelt es sich um gesellschaftliche Probleme: Gewalt in beiden Fällen bzw. in Kauf genommener Schaden von anderen Menschen im ersten, dazu noch gepaart mit zerstörerischer Egozentrik des BMW-Fahrers (sinngemäß: “warum soll man auch vorsichtig fahren, wenn ich komme, müssen alle verschwinden”). Daß es sich um gesamt-gesellschaftliche Probleme handelt ist sehr schön zu sehen: Es handelt sich nicht um Auseinandersetzungen zwischen Deutschen und “Migranten” und das Problem besteht trotzdem! – Übrigens: warum hat keiner der Passanten am Alexanderplatz eingegriffen? Es ist der gesellschaftliche Raum, die Akzeptanz von Gewalt, die es möglich macht sich gewalttätig durchzusetzen – oder soll ich eher sagen “sich zu entfalten“? – By the way: Hätte ich eingegriffen? Oder Du? Wahrscheinlich nicht, denn am Ende wären ich dann derjenige, der vor Gericht aussagen soll, dessen Familie bedroht wird und das Gericht zu meinem Schutze eines wahrscheinlich schlagkräftigsten Waffen eingesetzt hätte: ein Annäherungsverbot

Wie kann man bei solchen Urteilen ein Heimatgefühl wünschen oder ein Bekenntnis zum demokratischen Deutschland einfordern? Wenn das die Konsequenz der demokratischen Werte sind, dann ist ein logischer Schluß, dass sich bestimmte Anteile der Gesellschaft ausgrenzen: sowohl frustrierte Deutsche (AfD), als auch nicht-integrationswillige Migranten. Wer bietet Schutz? Der deutsche Staat anscheinend nicht, kampferprobte Großfamilien und Strukturen am rechten Rand als vermeintliche Heilsbringer sind da verlockender. Zudem machen diese Verhältnisse Deutschland zu einer wunderbaren Spielwiese und Kampfarena ausländischer Dienste und Handlanger.

Mehr noch: Deutschland ist auch ein Land des Mobbings, der Ausbeutung. Die Kassiererin, die nach der Anzahl der abkassierten Kunden berurteilt wird oder die junge Friseurin, die wegen angeblich geringem Umsatz an jedem Monatsende ein Schreiben mit einem riesigen weinenden Smiley von ihrer Chefin zugeschickt bekommt mit den Worten “wieder nicht gut genug”. Darüber hinaus wurde ihr ständig gesagt, dass sie “zu fett” sei für so einen Beruf, bei dem es so sehr ums Aussehen gehe. Diese junge Frau habe ich tatsächlich getroffen. Sie ist fertig mit der Welt – mit Anfang 20.

Patienten, die nur als Kostenfaktor abgerechnet werden, Polizisten, die ihre Gesundheit aufs Spiel setzen, und nur verhöhnt werden. Oder die Menschen, die sich in tiefer Depression das Leben nehmen, weil sie mit 50 Jahren arbeitslos werden und keinen Job mehr finden. Lehrer, die “in die Klapse” gehen, weil sie von Schülern fertig gemacht werden, Sozialarbeiter, die fast zu Tode geschlagen werden, willige Migranten, die trotz nachweislicher Eignung und Qualifikation abgeschoben werden, während nebenan ein Krimineller bleiben darf, weil sein Heimatland sich weigert ihn aufzunehmen. Oder Menschen, die wir “aus humanitäen Gründen” aufnehmen, aber dann aus Deinteresse vollkommen sich selbst überlassen und dieses dann als “Freiheit” verkaufen? Sind das die Werte und Normen, die wir uns selbst schmackhaft machen wollen und die wir Fremden als “deutsche Kultur” andrehen wollen?

11. Palermo in Deutschland

Versetzen wir uns doch mal in einen Fremden hinein. Wie könnte dieser Deutschland sehen? [Cave: Damit niemand etwas in den falschen Hals bekommt: Im Folgenden handelt es sich nicht um eine Unterstellung, sondern um eine überspitzte Darstellung als stilistisches Mittel zur Verdeutlichung!] 😉

Deutschland ist ein Land der Ellenbogen, der Workaholics und der Pessimisten und Nörgler und Ewig-Rechthaber. – Aber: Hier gibt es Freiheit! Hier gibt es sogar die Freiheit sich tot zu saufen, im Bus ungeniert auf den Sitz zu brechen und bei illegalen Autorennen mit Todesfolge glimpflich davonzukommen! Wenn sich jemand beschwert, ballert man dem einfach eine rein! Das machen ja die Deutschen auch so. Die meisten Zeugen haben ja eh Angst und schauen weg. Man muß nur etwas von schlechter Kindheit erzählen. Super! Und: Ein Land, das hoch und heilig für die Rechte der Frauen zu kämpfen scheint, duldet die Lohnunterschiede zwischen Mann und Frau. Mehr noch: für wenig Geld ist man hier im internationalen Paradies der Prostitution. Sogar an der Straße stehen die z.T. Minderjährigen aus Bulgarien oder Sonstwoher und können benutzt werden. Wichtig ist nur, dass möglichst viele von denen Steuern zahlen, wenn überhaupt. – So viel kann doch eine Frau nicht wert sein! Und die Polizisten sind dann so etwas von nett, richtige Schoßhündchen, wie putzig! Die können einem schon leid tun. Das ist ja besser, als in Palermo, und wie heißen noch mal die Länder wo so viel Korruption herrscht? Komisch ist nur, dass Politik und Gesellschaft in Deutschland die streng-islamischen Vorschriften in manchen muslimischen Ländern und Familien kritisieren. Komisches Land, dieses Deutschland. Es weiß anscheinend selber nicht, was es will…

Dann gibt es aber wiederum die (jugendlich-männlichen!) Migranten, die sich aus Not selber prostituieren (Tiergarten Berlin z.B.). Ist das die Gastfeundschaft, die Offenheit, die wir ausstrahlen wollen?

Ein syrischer (christlicher!) Kommilitone, der damals noch nicht lange in Deutschland war, sagte mir einmal, dass er das Leben hier (noch) nicht verstehe. Er kenne die Grenzen nicht, was gesellschaftlich in Ordnung ist und was nicht, verstehe das nicht, dass Unverheiratete miteinander eine Beziehung haben und wieder auflösen können, aber auch, wie sich die Menschen in unserem Land öffentlich so betrinken können, auch Jugendliche! Wie wenig sich doch die Eltern kümmerten, sagte er… – Eine interessante Sichtweise, die mir zu denken gab. Scheinbar würde uns allen, v.a. uns Deutschen, eine Rückkehr zu Normen und Grenzen gut tun. Warum uns Deutschen vor allem? Weil wir die Mehrheit sind, auch bei allen so großen Überfremdungsängsten! Und ob wir es glauben oder nicht: Wir sind diejenigen, die das alles in der Hand haben und gestalten können.

Wenn Ihr es bis hierher geschafft habt, dann bin ich stolz auf Euch! Meine Texte müssen micht jedem gefallen, weder inhaltlich noch sprachlich. Gleichzeitig muß ich mich generell für Rechtschreibfehler usw. entschuldigen – 4 Jahre in anderen Sprachen sprechen und schreiben hinterläßt anscheinend Spuren… Allerdings hält sich mein Schamgefühl auch in Grenzen: große Medien (v.a. online) schreiben hemmungslos den größten grammatikalischen und Rechtschreib-Müll zusammen (u.a. Deutsche Welle). In diesem Sinne!

 

Quellen (Auszug):

Focus: Mann zerrt schwangere Frau plötzlich in Zug – dann tritt er ihr brutal in den Bauch

Westdeutsche Allgemeine Zeitung: BMW-Fahrer nach Horrorunfall auf der A43 freigesprochen

Junge Freiheit: “Eine Bringschuld gibt es nicht”, Dr. S. El-Hamid (via dessen Internetpräsenz)

DGB Bildungswerk: Ahmed Senyurt: Besonderheiten des Lebens von Muslimen in Deutschland


Flüchtlingskrise, Mord und “Integration”

Die Überschrift für diesen post ist bewußt provozierend gewählt. Eigentlich wollte ich Euch etwas über den Alltag hier berichten, aber dann kam am letzten Donnerstag etwas vor, was ich nie in der kleinen Gemeinde Rättvik erwartet hätte und was mich schließlich zu diesem Thema und der Überschrift geführt hat…

Kurz nach 12 Uhr mittag stürzte ein Mann in den Akutbereich der Vårdcentral (å = o) und rief aufgeregt um Hilfe. Er schleppte einen jungen Mann aus seinem Auto in den Akutraum, der im Brustbereich blutete und nur noch stossweise atmete.

aftonbladet rättvik

Die Klatschpresse war sofort vor Ort. Im Hintergrund das “Tourist-Hotellet”, ein ehemaliges Hotel, jetzt Unterkunft für ca. 80 “asylsökande”

Es stellte sich heraus, dass der schwer Verletzte als Asylbewerber in der nahegelegen Flüchtlingsunterkunft (etwa 200 m entfernt von der Vårdcentral) lebte und mit einem anderen Asylbewerber in Streit geraten war. Der andere hätte ihm ein Messer in die Brust gerammt und geflüchtet.Tatsächlich fand sich auch eine Stichwunde im Bereich des Herzens. Ein als Koch angestellter Mitarbeiter der Unterkunft hatte ihn dann ins Auto gesetzt und zu uns rübergekarrt. Das war das einzige was Sinn machte, denn der Krankenwagen braucht sehr lange (wir haben keinen eigenen). Die Kollegen waren schon mit den Wiederbelebungsmassnahmen beschäftigt, als ich dazu kam. Ich versuchte mich auch etwas nützlich zu machen, aber der Ausgang war abzusehen. Wir beendeten schliesslich die Bemühungen. Er hinterlässt eine Frau und drei Kinder.

Zunächst kam die Kripo, dann auch die Gerichtsmedizin. Sie waren noch bis in den Abend beschäftigt.

Nach dem Ereignis setzten wir (alle, die daran beteiligt waren) noch einmal zusammen und besprachen die Situation. Es war für alle ein sichtlicher Schock. Dass so etwas vorkommt, hatte man schon vorher in Schweden und anderen europäischen Ländern beobachten müssen, aber hier? In diesem malerischen kleinen Ort, der vor allem im Sommer mehr Touristen als Einheimische beherbergt? Unfassbar.

 

Flüchtlingskrise – auch in Schweden

Wie auch in anderen Ländern werden die Asylbewerber auch hier in Sammelunterkünften beherbergt. Bis in den späten Herbst hinein war ein Teil von ihnen auf einem Campingplatz untergebracht. Wo sie jetzt sind, weiss ich nicht. Fakt ist aber, dass auch die ruhigen, bedachten Schweden kein Konzept  für die Flüchtlinge haben. Für so ein Flächenland wie Schweden, wo im Durchschnitt 22 Einwohner auf einen Quadratkilometer kommen (Deutschland 228 Einw./qkm) errinnert die normale Versorgung manchmal schon etwas an das “Leben im Busch”. Jetzt kommen mal eben mehere Hundertausend hinzu, eine gigantische Aufgabe. In Rättvik machen die Flüchtlinge fast 10% der Einwohner aus, also eine ganze Menge.

Man kann viel über die Ursachen diskutieren: posttraumatische Reaktionen, Psychosen o.ä., politisch motiviert (eher unwahrscheinlich), religiös (?), kriminell? Man wird keine allgemein gültige Erklärung finden. Muss man auch nicht unbedingt, solange keiner mit einer IS-Flagge in der einen und einem Messer in der anderen herumrennt wird die pure Erkenntnis auch nicht unbedingt weiterhelfen.

 

Integration in ein normales Leben!

Wichtiger ist viel mehr die Frage der sogenannten “Integration”. Was bedeutet dieses Wort, das so sehr mit Emotionen aufgeladen ist? Nicht alle Menschen müssen unbedingt in die europäischen Gesellschaften komplett integriert werden – sofern sie wieder zurückgehen. Einheimische Bevölkerungsgruppen wollen auch z.T. keine derartige Integration.

Viel wichtiger: Sie sollten in ein normales Leben integriert werden, ohne Gewalt und Krieg. Dazu gehört Sprache und Arbeit, aber vor allem viel Geduld, Kraft und Willen – von allen. Es ist keineswegs so, dass nur unqualifizierte Menschen flüchten. Es gibt sehrwohl gebildete und ausgebildete. Solange sie aber wie arbeitslose Teenager herumhängen (die gibt es übrigens auch in Schweden), werden sie wie pubertäre Jugendliche ein höheres Risiko haben Dummheiten zu machen und die Gesellschaft zu gefährden.

 

“Schwer reinzukommen”

Dass das schwedische System mitunter genauso hohl ist wie das deutsche, zeigt ein Beispiel: ein Arzt aus einem europäischen Nicht-EU-Land muss zum Beispiel ein Sprachniveau erreichen, das fast dem eines Muttersprachlers entspricht (C1). Dann erst bekommt er eine Legitimation als Arzt (sicherlich auch mit anderen Auflagen). Zur gleichen Zeit kann ich (als ebenfalls ohne jegliche Schwedischkenntnisse kommender Arzt) bei einem deutlich niedrigeren Sprachniveau (B2)  meine Legitimation bekommen! Und das bei einem grassierenden Mangel an medizinischem Fachpersonal!!! So arbeiten einige ausländische Ärzte als “Unterkrankenschwestern” (undersköterska)! Selbst wenn die Aspiranten dann endlich mal das Sprachniveau erreicht haben, dauert es Monate, bis sie endlich das ersehnte Dokument in den Händen halten.

Schweden schneidet sich ins eigene Fleisch, indem es besoders die qualifizierten “Invandare” (Einwanderer) im Regen stehenlässt, zudem es hier einen Mangel an Kräften gibt. Ähnlich kann die Situation auch in anderen europäischen Ländern aussehen.

An der Stelle sei mir kurz meine Meinung gestattetMan sollte verstehen, daß die Politik der westlichen Länder, aber natürlich auch Russlands usw. indirekt maßgeblich  beteiligt ist an der Situation, die wir jetzt im Nahen Osten bis Zentralasien und Nordafrika beobachten. Das ist die Politik der letzten Jahrzehnte, und daß die EU nichts daraus lernen möchte sieht man beispielhaft an dem aktuellen Handel mit der Türkei. D.h. aber nicht, dass Europa einzig verantwortlich ist, man sollte aber jetzt beginnen Fehler zu korrigieren und richtig zu handeln.

Soviel zur Politik, über die man bekanntlich zu viel streitet. Demnächst werde ich mal beschreiben, wie auch uns die Hürden hier einiges an Kraft geraubt haben, obwohl wir einen anderen Hintergrund haben und auch, wieso manche wieder nach Deutschland zurückgehen.