Enddarm-Stimmung

Eigentlich sollte die Überschrift “Endzeit-Stimmung” lauten, aber da haben sich wohl meine filigranen Fingerchen etwas verhaspelt… 😉

Seit meinem letzten Beitrag haben sich die Ereignisse überschlagen. Während vor Kurzem noch meine anstehenden Zahnarzttermine meinen Puls höher schlagen ließen, so ist es jetzt die allseits gegenwärtige Corona-Krise. Corona hier, Corona da. Bei so viel Corona könnten werdende Eltern ihre Tochter glatt auch “Corona” nennen.

Nein, ich mache mich nicht lustig, es ist eher Galgenhumor. Wie soll man dieser Übermacht an negativen Schlagzeilen auch begegnen? Die Krise kam schneller und gewaltiger als erwartet. Die Menschen drehen am Rad und irgendwie scheinen die Gesetze dieser bis ins kleinste geregelten Welt infrage gestellt zu werden. Zeit und Raum bekommen im wahrsten Sinne eine neue Bedeutung. Man fühlt sich haltlos, ratlos, alleine gelassen. Unsicherheit macht sich breit. Dass es mir nicht alleine so geht, zeigen die irrationalen Handlungen verschiedener Mitmenschen: tonnenweise wird Klopapier gekauft (wenn nicht geklaut). Kann man in kürzester Zeit so viel Stuhlgang haben? Wieviel muss man dafür essen? Oder haben jetzt alle Reizdarm?

Passend zum Thema brachte die Medical Tribune diesen Artikel mit dieser genialen Überschrift samt schmackhaftem Bild

Wie im schlechten Film

Die Menschen sind gestresst. Nach dem Klogang waschen sie sich wenigstens die Hände, wie die fehlende Seife in den Supermarktregalen zeigt. Waschmittel gibt es auch keines mehr… Ich kombiniere: massenhaft Reizdarm mit Inkontinenz oder muss man mehr waschen, weil es kein Toilettenpapier mehr gibt? Und dann das Desinfektionsmittel: nichts mehr da. Hygiene ist ja löblich, aber muss es denn auch desinfizieren sein? Brennt das nicht bei dem Reizdarm?

Verständlich, dass die Leute gereizt sind. Ob ich mal die Verkäuferin frage? Alleine schon die Silbe “Des-” läßt der Verkäuferin den Rachen zuschwellen. Hasserfüllte Augen, die Halsvenen gestaut. Dabei wollte ich doch nur meine Des-Orientierung äußern…

Die Obstregale sind auch leer, die Konserven ebenfalls. Bei so viel Obst und dann noch Nudeln und Konserven kann der Darm schon rumoren. Was ist los? Sind jetzt alle Prepper geworden? Steht der Russe vor der Tür? Olga lacht. “Ja so war das in den letzten Tagen der Sowjetunion auch!”. Stimmt, im Osten war das manchmal auch so. Frei nach der Devise: “Erst mal anstellen in der Schlange vor dem Konsum, auch wenn man nicht weiß was es dort gibt, es muss was seltenes sein!”

Leere Regale: “Wie im Osten”

Mal Spass beiseite. Das Ganze fühlt sich an wie im Film. Wann ist der bitte zu Ende? Die Leute sind wie wahnsinnig. Die Praxis ist gerammelt voll. Nachdem die Zahlen der positiv getesteten Corona-Infizierten im nahen NRW plötzlich in die Höhe geschnellt ist, glauben alle Corona zu haben. Anfang März erscheint das jedoch übertrieben. Aber alle wollen sich testen lassen! Wenige Tage später werden sie von den Arbeitgebern geschickt: weil sie nur mit negativem Testergebnis weiterarbeiten sollen, “muss jetzt der Hausarzt den Test durchführen”.

Auswahlkriterien für die Testung

Inzwischen ist ein Testzentrum in Osnabrück eingerichtet worden. Nur begründete Verdachtsfälle werden vom Gesundheitsamt gelistet und bekommen einen Termin: Personen, die Kontakt mit einer positiv getesteten anderen Person hatten oder in einem Risikogebiet waren und Symptome zeigen. Die Listung erfolgt ausschließlich über das Gesundheitsamt. Hausärzte können bei vorhandener Schutzausrüstung ebenfalls die Abstriche durchführen – theoretisch, denn uns fehlt die Ausrüstung! Daher sind wir nicht verpflichtet.

Alltag an der “Front”

In der nachfolgenden Woche rennen sie uns die Praxis aus einem anderen Grund ein: die Arbeitgeber möchten, dass die gesunden Patienten sich krank schreiben lassen, da sie den Betrieb z.T einstellen müssen (aus finanziellen Vorteilen). Doch das darf ich rechtlich nicht bei Gesunden! Sind die denn alle belämmert?

Zeitgleich beginnen wir, Patienten mit leichten oberen Atemwegserkrankungen telefonisch krank zu schreiben (neuerdings möglich). Die Tür wird verschlossen, die Patienten nur einzeln hereingelassen. Krankschreibungen und andere Dokumente wie Rezepte usw. werden am Fenster herausgegeben. Dadurch wird die Sprechstunde zwar etwas ruhiger, aber das Telefon klingelt ständig. Anspannung ist in der Luft.

“Houston, wir sind am Arsch!”

Inzwischen arbeiten wir mit den einfachen Masken, wohlwissend, dass die weniger uns selbst, sondern mehr unser Gegenüber schützen. Wir haben nach wie vor nicht genügend richtige Schutzausrüstung und stellen somit auch eine Gefahr für unsere schwerer erkrankten Patienten dar. Nicht nur die steigenden Zahlen, die Ungewissheit bzgl. des Virus, die allgemeine Unsicherheit, sondern auch der blanke Mangel an richtigen Masken gibt uns das Gefühl: “Wir sind am Arsch!”

Spätestens die Rundmail eines Ärzte-Verbandes macht mich völlig fertig: eine Anleitung zum Selberbasteln von Schutzmasken!!! Armes Deutschland!

“Wir sind gut vorbereitet”

Jens Spahn, Bundesgesundheitsminister, Januar 2020

Lambarene. Damit vergleicht eine meiner Kolleginnen die aktuelle Arbeitssituation. Lambarene ist eine Stadt in Gabun, zentrales Afrika. Hier hat Albert Schweitzer gewirkt und hätte sicherlich auch gewürgt, hätte er von unseren Zuständen gewusst. Ja das ist Afrika, dort werden z.T. noch medizinische Einmalhandschuhe ausgewaschen und zum Trocknen auf die Wäscheleine gehängt – und bestimmt auch Masken selber genäht

Sind wir also “gut vorbereitet”? Nach allem, was wir jetzt wissen, nein. Man muss die Verantwortlichen bei aller Kritik aber auch etwas in Schutz nehmen: dieses Ausmaß und die Geschwindigkeit waren nicht wirklich abzusehen, ein einmaliger Fall in Deutschland und Europa und der Welt! Man kann nicht milliardenfach hochwertige und teure Ausrüstung jahrelang parat haben, zumal die auch irgendwann vergammelt. Nach Hühner- und Schweinegrippe habe wir es gesehen: Berge von Impfstoffen und Medikamenten kosteten Milliarden und landeten schließlich ein paar Jahre später im Klo – womit wir wieder am Ausgangspunkt des Beitrags wären 😉

Die Wucht der Pandemie war so nicht vorhersehbar. Allerdings ist es fraglich, wie Schlüsselindustrien verkümmern können, ohne dass man ein “Backup” hat, eine Möglichkeit die Produktion schnell hochzufahren. Im Herbst 2019 gab es bereits vor Corona einen Engpass an “primitivsten” Medikamenten: z.B. war Ibuprofen 600 mg (ein Schmerzmittel) über Wochen bis Monate nicht lieferbar! Wie geht denn so etwas? Ganz einfach: in Deutschland ist die Produktion für dieses extrem billige Medikament zu teuer. Also wird es hier nicht mehr produziert, sondern vorwiegend in China und Indien!

Das steht ganz im Einklang mit der Philosophie, wie das Gesundheitswesen betrieben wird. Das Gesundheitswesen ist nicht erst mit der Corona-Krise an seine Grenzen gelangt, sondern war bereits vorher in einer Dauer-Krise! Aus Profitgründen wird seit der Einführung der DRGs/Fallpauschalen Raubbau am Personal aber auch materiell betrieben, und das in einem kriminellen Stil. Bereits unter “normalen” Bedingungen brannte das Personal aus. Das ist der eigentliche Skandal, eine stille Katastrophe vor der Katastrophe!

Jetzt soll dieses ausgemergelte Personal auch noch die zusätzliche Belastung stemmen?! Ja, das wird es, weil die meisten Mitarbeiter ein Verantwortungsgefühl haben. Die menschlichen “Kosten”, die die Mitarbeiter zahlen werden ist kaum abschätzbar!

Auf der anderen Seite warnten Forscher bereits bei den ersten Infektionen in Italien, dass sich das Virus von Süd nach Nord ausbreiten wird. Scheinbar tatenlos wurde hierzulande zugesehen, wie in Italien die Infektionen explodierten. Als dann bei uns die 10.000er Grenze überschritten wurde, wurde auf verschiedenen politischen Ebenen diskutiert. Während die meisten anderen Länder bereits drastische Maßnahmen einführten, wie Ausgangsperren, feierten die Menschen in Deutschland die ersten frühlingshaften Grillpartys im Park – oder Corona-Partys.

Natürlich gibt es unterschiedliche Bewertungen, was die Effizienz von Ausgangssperren angeht, aber man möchte sich nicht ausmalen, wie die Lage in Italien ohne diese aussehen würde. Natürlich kann keine Rede sein von einer derartigen Ausgangssperre, wie sie in Kriegsgebieten mitunter durchgesetzt wird, wenn auch zumeist eher als “nächtliche Ausgangssperre”. Letztendlich ist der Kontakt zwischen Menschen das Entscheidende und den gilt es zu unterbrechen oder zu vermindern. Traurig, dass jedes Bundesland bzw. Region das selber gestaltet.

Deutschland – eine Ansammlung von Egomanen

Individuelle Freiheitsrechte sind essentiell in einer gesunden Gesellschaft und man kann glücklich sein, dass es hierzulande genügend Menschen gibt, die dafür kämpfen würden, wenn es darauf an käme. Der “böse Zwilling” der individuellen Selbstbestimmung ist der Egoismus. Um den Wert einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft zu erhalten, muss man diese vor der potentiell zerstörerischen Art des Egoismus schützen. Eine Entfaltung des Einzelnen (oder einer Gruppe) auf Kosten einer anderen Person oder der Gesamtheit der Bevölkerung zerstört das gesellschaftswichtige WIR.

Beispiel Ausgangsbeschränkung oder Kontaktverbot: Man kann z.B. von einer zeitlich Ausgangsbeschränkung oder Kontaktverbot halten was man möchte. Wenn aber das “Egojede möglicherweise schützende angeordnete Maßnahme als fundamentalen diktatorischen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte deklariert, nur weil man nicht mehr seinen Cocktail in seiner Lieblingskneipe schlürfen darf, dann zeigt das deutlich die eigene Überhöhung über Andere und die Gemeinschaft. Dies kann auch als Desinteresse an der Gemeinschaft, von der dieser Einzelne im Übrigen generell noch profitiert, gewertet werden.

Beispiel Masernimpfung: Vor kurzem wurde die Masernimpfung als Pflichtimpfung eingeführt. Gerade als die Corona-Infektionen in Deutschland explodierten, meldeten die Medien, dass es erste Klagen von Eltern gegen die Impfung gebe. Daß diese Menschen sich durch die Impfung nicht nur selber schützen, sondern auch andere, die nicht geimpft werden können (da Lebendimpfstoff = für Immunsupprimierte nicht geeignet), daran denken diese Menschen nicht…

Überspitzt könnte man sagen, der so beschriebene Egomane “toleriert” die offene Gesellschaft, solange sie sich ihm nicht anstrengend wird oder gar im Weg stellt. Jede Person, die in einer “freien” Gesellschaft leben möchte, hat die Pflicht, diese zu erhalten. Dazu gehört auch manchmal der Verzicht und die Beschränkung zum Wohl dieser Gesellschaft. Wer dies nicht schafft wäre dann gewissermassen auch ein Beispiel für eine gescheiterte Integration

Abrechnung – Teil 1

 

Es ist kurz vor 10 in Falun. Donnerstag. Mein „kleines Wochenende“, wie ich es nenne. Ich habe meinen pappaledig-Tag, kann also einen Tag zu Hause verbringen. Mit Nico und Olga. Was sich erst einmal nach Ausschlafen und Gammeln anhört, ist in Wirklichkeit Arbeit. Naja, so schlimm auch nicht. An diesem Tag (und an den Wochenenden) bin ich es , der in der Früh oder in der Nacht aufstehen darf um das Jungtier zu füttern, Popochen zu polieren usw., während sich Olga mit einem Lächeln auf den Lippen umdreht. Mach ich natürlich gerne, vor allem, weil Nico wunderbar bis 5-6 Uhr durchschläft. So hat man also doch einen guten Schlaf.

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Herbst in Mittelschweden

Ich sitze bei Waynes Coffee, einem Cafe im Zentrum. Nico an meiner Seite in seinem „Porsche“, wie ich seinen Kinderwagen nenne. Inzwischen schläft er wieder. Ich sitze vor dem Laptop und gehe durch die wunderbaren Bilder aus Bahrain und Oman, die wir damals gemacht haben und bin einfach sehr glücklich und dankbar, dass wir so eine spannende Zeit erleben durften. Es ist wie eine Reise durchs Leben, eine Reise, die immer noch weitergeht. Momentan sind wir in Schweden, aber wer weiss, wie es in 5, 10 oder 15 Jahren aussehen wird?

Inzwischen haben wir 1 Jahr „rum“, und ich denke, es ist an der Zeit mal eine Bilanz, sozusage eine 1-Jahres-Bilanz zu ziehen. „Inventur“. Wo stehen wir heute? Hat es sich gelohnt? Wie lange wollen wor hier bleiben? Spannende, wie auch sensible Fragen.

Während ich bisher wie in einem Reiseblog geschrieben habe, so will ich Euch heute mal an den alltäglichen Dingen teilhaben lassen, die man nicht unbedingt als normaler Besucher so in der Form mitbekommt. Ich beschreibe etwas genauer das Leben hier, bevor ich Euch an meinem Résumé teilhaben lasse.

Meine Beschreibung spiegelt meine/unsere eigenen Erfahrungen wider bzw. so viel wie wir selbst verstanden haben. Möglich, dass wir einige Sachen falsch aufgefasst haben oder sich geändert haben.

Doch beginnen wir zunächst sanft und zärtlich…

 

Natur

Die meisten Besucher Schwedens sind begeistert von der Natur. Auch wenn es hier nicht die atemberaubenden Fjorde des Nachbarlandes gibt, so hat es doch seinen besonderen Reiz durch diesen Teil Skandinaviens zu reisen. Während im Süden die Kulturlandschaften mit geringeren Waldbeständen und ausgedehnten Feldern vorherrschen, so übernimmt nördlich der großen Seen Vänern und Vättern die unberührtere Natur das Zepter.

Seen, Flüsse und Wälder prägen die Landschaft in weiten Teilen Schwedens

Seen, Flüsse und Wälder prägen die Landschaft in weiten Teilen Schwedens

Die Besiedelung wird dünner und die Waldbestände größer. Mehr und mehr wirkt die Natur uriger und mächtiger. Wenn ich hier von Wald spreche, so meine ich nicht die „Wäldchen“ in Deutschland. In Deutschland gibt es scheinbar fast nur noch Forst, aus dem querliegende Bäume herausgezogen werden und alle Pflanzen scheibar einen festen Abstand zueinander haben müssen. Spontan fällt mir nur der Steinwald in der Oberpfalz ein, der einen ursprünglichen Charakter zeigt. Hier in Schweden (Mittelschweden und „aufwärts“) sind Wälder richtige Wälder. Herrlich!!! Wilde Bäche durchziehen das Unterholz, große Findlinge, in der Eiszeit von den Gletschern einfach liegen gelassen, Sümpfe und einsame Seen. Hier ein Häuschen an einem „eigenen“ See mit eigenem Zugang zu erstehen ist kein Problem und kostet auch (noch nicht) viel.  Ich habe sogar einen Patienten getroffen, der auf seiner eigenen kleinen Insel wohnt!

 

Wie es weiter im Norden aussieht wissen wir aus eigenen Erfahrungen nicht, aber es gibt unendlich viele schöne Stellen, an denen man Wurzeln schlagen möchte…

Die Sommerzeit ist kurz und wird auch weiter nach Norden hin immer kürzer. Schnell holt sich der Winter das Land zurück, und damit auch die Menschen. Die Tage werden kürzer, dasd Leben stirbt förmlich. Die Blätter fallen innerhalb kurzer Zeit und schon ist der Herbst vorbei. Schon im Oktober hatten wir dieses Jahr mehrfach Temperaturen knapp unter Null und am 1. November schneite es 15 cm! Das ist hier in Falun jedoch nicht ganz so häufig. Bis in den Januar hinein läßt der Schnee auf sich warten, während die Temperaturen auf weniger als -25°C sinken. Alles erscheint dunkel und wenn der erst Schnee kommt, freuen sich die Leute wie kleine Kinder. Der Grund ist einfach: es ist nicht ganz so dunkel. Alle sind draussen, wandern, laufen Ski usw. Es gibt sogar eigens für Skilanglauf kilometerlange Pisten durch den Wald, sodass man also auch in der Dunkelheit durch die Gegend schlittern kann. Das Leben erwacht gewissermassen wieder.

 

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Soziales

Schweden, oder vielleicht ganz Skandinavien, ist, naja, wie soll ich sagen, „speziell“. Ich will mal ein paar Beispiele nennen. Wenn man am Wochenende mit Freunden und Familie in ein Café gehen möchte, wie das, in dem ich gerade sitze (zentral in einer kleinen Mall), so wird man um 15.45 Uhr darauf hingewiesen, dass man bald gehen muss, weil man um 16 Uhr schliesst. Aha, geht ja schon mal gut los. Ein Cafe, dass um 16 Uhr zu macht am Sonntag, auch im Sommer!

Doch schon vorher verschwinden alle Anzeichen von Leben. Die Strassen leeren sich und nur dumme Touristen und „Aussengeländer“ wie wir stehen herum und wundern sich. Das Leben spielt sich in den eigenen vier Wänden oder in Vereinen ab.

Das kann für Ausländer, vor allem solche aus den warmen Ländern Europas oder Nahost, Afrika usw., sehr anstrengend sein. Freundschaften mit Schweden zu knüpfen ist nicht einfach, so auch für uns. Wir sprechen inzwischen die Sprache, finden uns zurecht und fühlen uns trotzdem nicht angekommen.  Am meisten haben wir Kontakt mit Nicht-Schweden.

Unsere Nachbarn sind zwar Schweden, aber sie sind unser Alter. Interessant war die Reaktion Jimmys, eines unserer Nachbarn: nachdem wir in das Haus eingezogen waren, klingelten wir an allen Türen, um uns mal vorzustellen. So auch bei Jimmy. Ein junger Mann, etwa Anfang 30, rotes Haar, mit Sommersprossen im Gesicht, öffnete. Auf unser „Hej!“ machte er erst einmal einen grossen Schritt rückwärts. Wir haben uns einige Male zum Kaffee getroffen und er ist auch ein sehr umgänglicher Schwede, allerdings muss er viel arbeiten (ja, auch solche Schweden gibt es).20160704_201352

Das Pärchen nebenan ist geschätzt Ende 20 und haben eine kleine Tochter, Annie, etwa 2 Jahre alt. Erst mit der Geburt Nicos kam ein Kontakt zustanden, den man als „lockere Nachbarschaft“ bezeichnen könnte.

Auf Arbeit klappt es ganz gut. Man fühlt sich geschätzt, aber man weiss nie genau, was die anderen über einen denken. Es ist etwa so wie in der Schweiz: alle schön nett, aber mitunter kann man sich nicht ausstehen.

 

Bürokratie

Es gibt wie immer und überall zwei Seiten der Medaille. So natürlich auch hier.

Beispiel 1: Die „personnummer“

Das Leben eines Neuankömmlings in Schweden beginnt eigentlich erst und nur mit der sogenannten „Personnummer“ (sprich perschonnümmer). Dies ist eine 12-stellige Zahl, die sich in ihren ersten acht Ziffern auch dem Geburtsdatum und vier weiteren spezifischen Ziffern zusammensetzt. Aus den letzten Ziffer kann man das Geschlecht ablesen: gerade Zahlen für Frauen, ungerade für die Männchen. Diese personnummer ist weit mehr als nur eine Ausweisnummer oder so etwas. So gut wie alles ist mit dieser Nummer verknüft. Will man ein Konto eröffnen, so braucht man diese, will man eine Wohnung mieten ebenfalls… Der Vorteil ist, dass man sich nur einmal beim Skatteverket, der Steuerbehörde, anmelden muss und anschliessend wird man automatisch bei Krankenkasse, Rentenversicherung, Arbeitslosen-dingsbums usw. angemeldet.

Das Skatteverket (Finanzamt) - ebenso "beliebt" wie in Deutschland

Logo des Skatteverkets (Finanzamt) – ebenso “beliebt” wie in Deutschland

Auch bei einem Arztbesuch ist es recht einfach. In Dalarna gibt es ein gemeinsames System, das trotz aller Mängel den großen (und vielleicht einzigen) Vorteil besitzt, dass jeder Arzt in dieser Provinz mit der Personennummer auf alle relevanten Daten des Patienten zugreifen kann. In Deutschland hat jedes Krankenhaus, jede Arztpraxis seine eigene Datenverarbeitung, die nicht verknüpft ist mit denen von anderen Krankenhäusern. Wenn also ein Patient in die Akutsprechstunde kommt, oder Rettungsstelle, so reicht ein Blick in den Computer und man weiss Bescheid über Medikamente usw., auch wenn der Patient 250 km weiter eigenlich wohnt und dort seinen Arzt hat. Der Arzt dort wiederum kann nach der Entlassung des Patienten aus dem Krankenhaus dann direkt schauen, wie dieser behandelt wurde. Es gibt auch unzählige andere Beispiele, bei denen deutlich wird, dass so ein System vieles vereinfacht.

 

Soweit die Theorie,

… doch schauen wir uns einmal die Realität an: Olga und ich haben 5 Wochen (oder sogar mehr) auf diese bekloppte Nummer gewartet. Eine Zeit, in der wir vom  deutschen Konto gelebt haben. Natürlich wurde mir das Geld nachträglich überwiesen, aber eine finanzielle Belastung war das trotzdem (und wer bezahlt mir die Gebühren für die Auslands-Barabhebungen?).

Bei uns klappte es also mehr oder weniger. Bei unseren Bekannten, Krankenschwester und –pfleger aus München plus kleinem Sohn, lief das ganze aber weit aus dem Ruder: es dauerte etwa 3 Monate! Als er wiederholt beim Skatteverket vorstellig wurde und penetrant nachhakte, was denn nun mit seinem Antrag sei, so sagte man, der Antrag wurde gerade abgeschickt nach Örebro. Wohlgemerkt: er hatte den Antrag Wochen

Sicherheit wird v.a. für Kinder groß geschrieben (Bild: "Würmchen-Geschwindigkeit")

Sicherheit wird v.a. für Kinder groß geschrieben (Bild: “Würmchen-Geschwindigkeit”)

vorher abgegeben! Und: keiner konnte mir bisher erklären, warum die Anträge in verschiedene andere Städte zur Bearbeitung geschickt werden! Meiner landete vielleicht in Kiruna (Nordschweden), Olgas vielleicht in Trelleborg…  Er musste einsehen, dass er trotz des zarten schwedischen Gemüts mal seine Freundlichkeit vergessen musste. Mit den Worten (auf Englich) „was ist denn das für eine Bananenrepublik“ und einigen anderen Dingen, ließ er „mal den Deutschen raushängen“. Mit Erfolg. Am nächsten Tag hatte er für die gesamte Familie die ersehnte Nummer… Doch damit noch kein Geld. Mit der Nummer kann man die ID-kort beantragen, eine Identitätskarte wie der Perso. Aber das dauert auch wieder 2 Wochen etwa. Mit dieser kann man dann zur Bank gehen und ein Konto eröffnen. Geld kommt aber trotzdem noch nicht, weil die Auszahltermine ja eingehalten werden müssen.

Das Geld kommt übrigens wirklich pünktlich für jeden Schweden am 27. jeden Monats, oder eben früher, wenn das ein Wochenend- oder Feiertag sein sollte.

 

Beispiel 2: Die Skatt (Steuer)

Es wird ja immer viel darüber geredet, dass alles in Skandinavien so teuer sei. Stimmt ja auch, aber in der Schweiz ist es nun wirklich nicht billiger (auch dort habe ich in Bern mal eine Dönerbude gesehen, an der der Döner etwa 9 Euro kosten sollte). In der angeblich so immens hohen Steuer ist aber u.a. schon die Krankenversicherung inbegriffen und generell relativiert sich die Ansicht „teuer“ schon etwas. Mit Steuersündern gehen die Skandinavier aber besonders unzärtlich um. In Deutschland kann ich meine Steuererklärung machen, hier muss ich. Mir war das nicht so richtig bewusst, als ich die Formulare zugeschickt bekam und mit der Geburt Nicos verpasste ich dann natürlich die Frist. Im August bekam ich dann einen Brief, in dem stand, dass (Achtung schwedische Diplomatie bzw. Ausdrucksweise!) „erwogen wird, ob“ ich eine Strafe zahlen müsste. Dazu standen die verschiedenen Bußgeldniveaus, abhängig wie lange man getrödelt hatte. Bei mir belief sich die Summe auf über 100 Euro. Na super… Man kann aber ein Statement abgeben, was ich dann auch per Email tat. Ich erklärte die Situation mit Nico usw. (erst kurz in Schweden, blablabla) und wenige Tage später bekam ich eine Antwort, dass man auf ein Bußgeld verziechte, mit dem Schlusssatz „Willkommen in Schweden!“. Das war mal etwas wirklich positives!

 

Beispiel 3: Welches Land darf’s sein? – Geographie(un)kenntisse

Die Schweden bezeichnen ihr Land in der Regel als „klein“, wobei sie die Bevölkerungszahl meinen, nicht aber die geografische Größe. Dass man in unterschiedlichen Gegenden die eigene Lage unterschiedlich betrachtet (Süd-, Mittel, Norddschweden) hatte ich vielleicht irgendwann schon einmal erwähnt. Während die einen sich in Gävle schon zu „Norrland“ zählen, so ist es für die dort oben eher Südschweden, obwohl es geografisch gesehen eher Mittelschweden ist. Naja, soviel zur Eigenwahrnehmung. Richtig abenteuerlich wird es, wenn es um andere Länder geht:

Für Nico brauchten wir einen Kinderreisepass, weil die Eintragung in den Pass der Eltern nicht mehr vorgenommen wird. Dazu brauchten wir einen Auszug vom „Skatteverket“ („Steuerwerk“, als Finanzamt, dort, wo man die lustige Personnummer bekommt). Auf diesem mussten Namen, Geburtsort und –land, Geburtsdatum, Personennummer natürlich von uns allen inkl. Nico draufstehen. Eigentlich nur ein Ausdruck, nicht so schwer. Was Olga dann aber in die Hand bekam war ein Dokument, auf dem Olga als deutsche Staatsbürgerin geführt wurde mit Geburtsort „Brest in Russland“. Ok, also die gute alte Sowjetunion gibts ja nicht mehr, schon mal gut, dass sich das auch zu den Schweden rumgesprochen hat, und auch viele Deutsche werden nicht wissen, dass Brest in Weissrussland liegt, oder dass es so etwas überhaupt gibt. Aber: Olga eine andere Nationalität zu verpassen, wobei wir alles bei der Anmeldung hier und über das Migrationsverket (Ausländerbehörde) richtig gemacht haben… das ist schon… äh.. eigenartig. Noch besser: als Olga die Dame am Schalter darauf aufmerksam machte, fragte diese, woher Olga denn solche Informationen habe… Brest nicht in Russland??? Olga verwies die Dame an GoogleMaps und irgendwie drang das (vielleicht) auch zu ihr durch. Dennoch: die Änderung der Daten könne mehere Wochen dauern. Das könne man nicht einfach so schnell machen. Hä? Wa? Wir hatten Sommer, 2 Monate später wollten wir nach Deutschland fahren und die wollte uns womöglich auf den Herbst vertrösten?? Naja, Olga hat ihren Scharm spielen lassen und am nächsten Tag bekam sie einen Anruf: sie könne das Dokument abholen. Wir waren wirklich gespannt. Dieses Mal vielleicht mal die nordkoreanische Staatsbürgerschaft? Brest in Frankreich als Geburtsort?  Aber es klappte dann doch…

 

Der gläserne Bürger
Beispiel 4: Die Abschaffung des Bargelds

Das, was in Deutschland undenkbar wäre (zumindest momentan), ist hier schon längst Realität: eine möglichst lückenlose Überwachung des Bürgers. Die Kehrseite der personnummer z.B. ist die Verknüpfung von Daten, die aus meiner Sicht nicht an andere Stellen als z.B. die Gesundheitsbehörde usw. weitergereicht werden sollten. Weiter geht es mit den EC-/Kreditkarten. Man kann so gut wie alles fast überall mit der Karte bezahlen. In Stockholm gibt es auf dem Bahnhof eine m/w-gemischte Toilette (!), die glaube ich 50 cent oder 1 Euro kostet. Auch diese kann man mit der Karte bezahlen. Bargeld wird mitunter gar nicht mehr angenommen. Mit der Erhebung und wahrscheinlich auch Speicherung der Daten kann man also sehen wann ich wo auf der öffentlichen Toilette war, oder den Parkautomaten gefüttert habe. Es hinterlässt einen fahlen Beigeschmack.

Na, einen Snack mit Karte zahlen? - Automat im Krankenhaus

Na, einen Snack mit Karte zahlen? – Automat im Krankenhaus

Weiter geht es mit Besitz bzw. Einkommen. Es ist normal, dass in der Zeitung mit Namen und Betrag steht, wer wann welches Haus oder Grundstück zu welchem Preis gekaúft hat. Mehr noch: in zeitlichen Abständen wird in der Zeitung abgedruckt, wieviel ich jeden Monat verdiene. Mit Namen und Betrag! Ich werde auch gar nicht gefragt, ob ich im Telefonbuch erscheinen möchte oder nicht. Diese Daten werden anscheinend selbstverständlich veröffentlicht. Letztens entdeckte ich mich mit Altersangabe, Telefonnummer, Adresse. Ob die auch meine Hämorrhoiden zählen? Vielleicht sollte ich lieber die Behörden fragen, ob ich überhaupt welche habe, ich geh ja davon aus, dass die inzwischen mehr über mich wissen, als ich über mich selbst! Die Schweden scheinen das als ganz normal zu empfinden. Sicherheit wird gross geschrieben, was ja eigentlich nicht verkehrt ist.

Insgesamt passt das aber zu einer „gesamtsozialistischen“ Einstellung der Bevölkerung. Schweden hatte ja mal eine sozialistisch angehauchte Phase, aber so ganz haben sie die nicht überwunden. Dazu zählt die weitverbreitete Einstellung, dass „Papa Staat“ schon alles regeln wird und muss. Da nimmt man auch eine Einschränkung der Privatsphäre in Kauf.

Beispiel 5: Das Autokennzeichen

In Schweden besteht jedes Autokennzeichen aus 3 Buchstaben und 3 Ziffern. Da steckt glaube ich auch die Angabe drin, wann das Auto zum „bilprovningen“ (so etwas wie TÜV) muss, also in welchem Monat. Das muss man nämlich jedes Jahr. Ansonsten sagen den Buchstaben und Ziffern leider nichts aus über den Wohnort des Halters, wie etwa in Deutschland.

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Des Schweden liebstes Auto: der Volvo. Hier zwei ältere Modelle, die noch nicht in China gebaut wurden… (also, die Autos meine ich…)

Bei der Ummeldung eines im Ausland zugelassenen Autos ist das etwas unständlich (Ursprungskontrolle, technische Überprüfung und allerlei andere Sachen). Schliesslich bekommt man dann das Kennzeichen, dass übrigens eine Art Identität des Autos darstellt, nicht aber des jeweiligen Besitzers. Im Gegensatz zu Deutschland bleibt das Nummernschild immer am Auto, egal wie oft der Besitzer wechselt. Jedoch steckt noch etwas Anderes, „Gewitztes“ dahinter. Wenn ich wissen möchte, wem das Auto momentan gehört, kann ich auf einer Internetseite das Kennzeichen eingeben und anschliessend wird mir zwar (zum Glück) nicht der Name genannt, aber ob das Auto einem Mann/Frau gehört und in welchem Ort derjenige wohnt. Sind wir also wieder beim Thema Datenschutz, wobei sich das vielleicht bei einer Großstadt wie Stockholm doch etwas relativiert. Hier im ländlichen Bereich könnte man jemanden aber deutlich schneller zu Hause besuchen, als es diesem recht sein dürfte.

Neben diesen Informationen kann man aber, und das denke ich ist wirklich gut, sehen, wie alt das Auto ist, wie es versichert ist, wie oft es in der Reparatur war und wieviele Besitzer es hatte. Also mit viel rummogeln so wie in Deutschland ist es also nicht, wenn man gedenkt ein gebrauchtes Fahrzeug zu kaufen.

 

Arbeit und Arbeitsmoral

Ja, es gibt Leute in Schweden, die arbeiten. Warum ich das so sage? Naja, in Scheden gibt es eine andere Arbeitskultur, von der man in Deutschland schon etwas lernen könnte, andere Sachen aber ganz bestimmt nicht abkupfern sollte:

  1. Man hat Recht darauf mehere Wochen im Sommer Urlaub zu machen. Punkt. Das ist so, egal ob Kinder im schulpflichtigen Alter oder nicht.
  2. Arbeitnehmer kann man nicht so leicht aubeuten: stimmt in gewisser Weise. Es ist gesellshaftlich inakzeptabel, dass man mehere Stunden arbeitet, ohne eine Pause zu machen. Es wird erwartet, dass man sich als Arbeitnehmer mit seinen Kollegen zusammensetzt und eine „Fikapause“ macht. Das ist eine Kaffeepause mit anderen Worten. Wer sich verkrümelt uns weiter arbeitet wird als komisch wahrgenommen. Überstunden sind auch nicht richtig akzeptiert und überhaupt sollte man sich nicht kaputtmachen auf Arbeit. Das, was in Deutschland Alltag ist, ist hier nicht akzeptabel. Gut so! Dennoch funktioniert das auch hier nicht immer so, und generell gibt es in den öffentlichen Einrichtungen eine ganze Menge Leute, die gefühlsmässig nur „fika“ machen, während andere wirklich arbeiten.
  3. Kinder zu haben und zu arbeiten ist etwas normales in Schweden. Es gibt auch kaum Hausfrauen, da sich die „reichen Schweden“ das nicht leisten können. Dass man auch als Mann eine Weile zu Hause ist beim Kind wird geradezu erwartet, und das Bekanntwerden einer Schwangerschaft ist für einen Chef nicht gleichbedeutend mit einem heraufziehenden Atomgewitter. Auch wenn es den Chef vor Personalprobleme stellt, so wird die Ankunft eines neuen Erdenbürgers als viel positiver wahrgenommen, als in Deutschland.

In manchen privaten Betrieben sieht es mit den Pausen etwas anders aus, besonders wenn diese von ausländischen Eigentümern betrieben werden. Unser Nachbar Jimmy arbeitet in der nahegelegenen Kabelfabrik. Vor wenigen Jahren wurde die Fabrik von einem dänischen Unternehmer gekauft. Die Folge: Entlassungen, Mehrarbeit für die übrig gebliebenen Mitarbeiter. Diese spüren jetzt einen gewissen Druck, den es in Deutschland und anderen Ländern ja schon länger gibt. (Dennoch wird es bestimmt etwas milder sein als bei uns.) Die Arbeitnehmer haben in Schweden dank der sozialistischen Einstellung weitreichenden Schutz, anschheinend mehr noch als in Deutschland. Übrigens mit bedeutenden negativen Folgen für die Arbeitsuchenden: Einen Mitarbeiter zu kündigen ist noch schwieriger als in Deutschland. In der Folge gestaltet sich die Auswahl des geeigneten Mitarbeiters sehr kompliziert. Junge Aspiranten müssen (wie auch in manchen grossen internationalen Unternehmen) mehere Tage Tests und Prüfungen durchlaufen, bevor sie in die engere Auswahl kommen. Die Folge ist eine nicht unbedeutende Arbeitslosigkeit bei zeitgleichem Fachkräftemangel. Das was die deutsche Wirtschaft schon länger beklagt (unzureichende Schulkenntnisse) kann man auch hier antreffen und die Jugendlichen disqualifizieren sich selbst. Aber auch für die reiferen Kandidaten ist es nicht unbedingt besser, müssen sie doch mit den jungen „knackigen“ konkurrieren.

Die Rasenmäher-Roboter sind ja ganz modern hier, aber der hier ist sogar besser: ferngesteuert.

Die Rasenmäher-Roboter sind ja ganz modern momentan, aber der hier ist sogar besser: ‘ne Nummer größer und ferngesteuert.

Noch ein Wort zur Arbeitsmoral: Es fällt auf, dass sich viele Schweden als “arbeitsscheu” zeigen. Es wird betont langsam gearbeitet, was man eigentlich schon als geschäftsschädigend bezeichnen kann – würde man in einer Marktwirtschaft leben, in der Konkurrenzfähigkeit das Überleben der Firma sichert. Konkurrenten gibt es hier v.a. auf dem lande wenig und so kann man sich einen ruhigen Arbeitsgang auch leisten. Verantwortung? Nein, danke! Das ist auch so eine Haltung, die hier weit verbreitet ist. Und wenn man grad nicht weiter weiß, macht man eben ein Meeting. Das sind Veranstaltungen, auf denen viel, sehr viel geredet wird. Aber eigentlich sagt man nicht sehr viel, weil alles durch “Diplomatie” verwässert ist. Nach meheren Stunden bedankt man sich für das Gespräch und stell fest, dass man sich ja noch einmal zum gleichen Thema treffen müsse, weil man ja nichts beschlossen habe…

 

“Professionelle Amateure mit Spezialisierung”

Noch ein Wort zur Arbeitssituation in Schweden. Auffallend ist, dass auch unqualifizierte bzw. weniger qualifizierte Personen einen Job bekommen können, z.B. als Lehrer bzw. “Hilfslehrer”. Als solcher bekommt man natürlich nicht so viel Geld und überhaupt ist die Bezahlung von Lehrkräften recht mager. Dennoch: eine wunderbare Chance für jene, die dringend arbeiten müssen, aber keine richtige Ausbildung oder Legitimation haben. Auf der anderen Seite fragt man sich natürlich, wie eine mangelnde Qualifikation mit einem anspruchsvollen Beruf vereinbar ist. Viele haben keinerlei pädagogische Vorkenntnisse. Einzige Qualifikation ist z.B. Englisch als Muttersprache. Ein Fall verdeutlicht die Notsituation und prekäre Lage sehr gut: Olga hat eine italienische Bekannte, eine Junge studentin, die “Haushaltskunde” -oder Wissenschaft an einer weiterführenden Schule unterrichtet. Auf die Frage, was sie qualifiziere, antwortete sie, sie backe gerne Muffins… Hä?? Wie?? Kein Witz, stimmt wirklich!

Dieser Besonderheit begegnet man auch in anderen Bereichen, doch dazu später.

Soviel erst einmal zum Allgemeinen. In Teil 2 gibt`s mehr “lustiges Allerlei aus Schweden”, vor allem aus meinem beruflichen Alltag. Seid gespannt auf Neues aus dem Land der “ungeahnten Unmöglichkeiten” ! 😉